Sind Rückstellungen für Diensterfindungen zu bilden?

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​veröffentlicht am 8. Dezember 2021

 

Umsatz- bzw. einnahmeabhängige Erfindervergütungen sind handelsrechtlich in voller Höhe rückstellungsfähig, wenn die Voraussetzungen der Diensterfindungen erfüllt sind. Steuerrechtlich wird allerdings hiervon zum Teil der Höhe nach abgewichen.

 

Unter Diensterfindungen werden gem. § 2 Abs. 2 ArbnErfG gebundene Erfindungen verstanden, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht wurden. Diese müssen entweder aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegenden Tätigkeit entstanden sein oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes oder der öffentlichen Verwaltung beruhen. Für Diensterfindungen, die der Arbeitgeber in Anspruch genommen hat, hat der Arbeitnehmer gem. § 9 Abs. 1 ArbnErfG dann einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung.

 

Nimmt der Arbeitgeber die betreffende Diensterfindung in Anspruch bzw. gilt sie als in Anspruch genommen, ist für solche Tätigkeiten in dem entsprechenden Geschäftsjahr eine Verbindlichkeitsrückstellung i.S.d. § 249 Abs. 1 S.1 Alt. 1 HGB zu bilden.

 

Die Diensterfindung gilt gem. § 6 ArbnErfG als in Anspruch genommen, wenn der Arbeitgeber dies dem Arbeitnehmer erklärt, oder wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung nicht bis zum Ablauf von vier Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Meldung (§ 5 Abs. 2 S.1, 3 ArbnErfG) gegenüber dem Arbeitnehmer durch Erklärung in Textform freigibt.

 

Die Rückstellung ist auch dann zu bilden, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine von den künftigen (erfindungsgemäßen) Umsatzerlösen (teilweise) abhängige Vergütung vereinbart wurde. Die zu bildende Rückstellung ist mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen, abgezinsten Erfüllungsbetrag nach § 253 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 HGB zu bewerten.

 

Sind entsprechend der vertraglichen Vereinbarung die gesamten voraussichtlichen Umsatzerlöse, die der Arbeitgeber über den Lebenszyklus des aus der Diensterfindung hervorgegangenen Produkts erzielen wird, für die Vergütungshöhe relevant, sind auch diese künftigen Umsatzerlöse der erforderlichen Schätzung des Erfüllungsbetrags zugrunde zu legen. Bei der Schätzung ist außerdem auf Erfahrungen vergangener, vergleichbarer Sachverhalte zurückzugreifen.

 

Für die Steuerbilanz ist in § 5 Abs. 2a EStG geregelt, dass für gewinnabhängige zu erfüllende Verpflichtungen und für Verpflichtungen, die nur aus künftigen Einnahmen zu erfüllen sind, erst dann eine Verbindlichkeit oder Rückstellung angesetzt werden darf, wenn (und soweit) die Gewinne bzw. Einnahmen (tatsächlich) angefallen sind. Eine Rückstellung für eine allein umsatzabhängige Vergütung für eine Diensterfindung ist nach dem Steuerrecht folglich nicht zu bilden.

 

Im Handelsrecht ist diese steuerrechtliche Regelung in einem nicht kodifizierten Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung wiederzufinden. Demnach sind bilanzielle Schulden (Verbindlichkeiten und Rückstellungen) für gewinnabhängige Verpflichtungen mangels Belastung des gegenwärtigen Vermögens erst im Falle der tatsächlichen Gewinnrealisation anzusetzen. Dieser Grundsatz ist bei umsatz- bzw. einnahmeabhängigen Verpflichtungen allerdings nicht anzuwenden. Diese Verpflichtungen sind auch dann zu erfüllen, wenn kein Gewinn bzw. Jahresüberschuss erzielt wird. Folglich ist in dem handelsrechtlichen Abschluss abweichend zum Steuerrecht auch für eine allein umsatzabhängige Vergütung einer Diensterfindung eine Rückstellung zu bilden.

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