OLG Frankfurt entscheidet zum Kundenanlagenbegriff

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Das OLG Frankfurt hat in einer aktuellen Entscheidung die Einstufung eines Neubaugebietes als Kundenanlage abgelehnt, da der (vermeintliche) Kundenanlagenbetreiber nicht nachweisen konnte, dass er bzw. sein Tochterunternehmen mit den Stromversorgungstarifen keine verbrauchsabhängigen Kosten für die Stromverteilungsanlagen erhebt. Kriterium für eine Kundenanlage ist aber vor allem auch die Unentgeltlichkeit ihrer Nutzung für Energielieferanten und Letztverbraucher.

 

​Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 08. März 2018 (Az.: 11 W 40/16) einen Beschluss der Landesregulierungsbehörde Hessen aufgehoben und damit die Einstufung eines Wohnareals als Kundenanlage im Sinne von § 3 Nr. 24a EnWG abgelehnt.


Ausgangssituation

Gegenstand des Streits war ein neu errichtetes Mehrfamilienhausareal mit ca. 440 Wohneinheiten in 7 Wohngebäuden. Das architektonisch einheitlich geplante Areal wurde von einer Erschließungsstraße durchschnitten. Ein Tochterunternehmen des Immobilienbetreibers bot den Nutzern die Versorgung mit Strom an. Dabei war die Einstufung als Kundenanlage messtechnische und wirtschaftliche Grundlage des Versorgungskonzepts. Der Netzeigentümer und der Netzbetreiber gingen jedoch davon aus, dass es sich bei den Stromverteilungsanlagen um ein Energieversorgungsnetz handelt. Die daraufhin mit der Angelegenheit befasste Landesregulierungsbehörde Hessen stufte die betreffende Energieanlage als Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG ein.

 

Entscheidungsgründe

Das OLG Frankfurt hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer Kundenanlage jedoch in seiner Entscheidung verworfen.
Nach Auffassung des OLG Frankfurt konnte durch den beweisbelasteten Betreiber der Stromverteilungsanlagen nicht nachgewiesen werden, dass diese jedermann unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Dies ist ein zentrales Kriterium für die Annahme einer Kundenanlage. Insofern dürfen keine verbrauchsabhängigen Entgelte für den Betrieb der Anlage erhoben werden, die ein wirtschaftliches Eigeninteresse begründen, welches wiederum für eine Regulierungsbedürftigkeit spräche.

 

Das OLG Frankfurt hatte zwar keine Bedenken hinsichtlich der Voraussetzung, dass die Anlage jedermann zur Verfügung gestellt wird, die Unentgeltlichkeit der Zurverfügungstellung ließ sich nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht sicher feststellen. Unentgeltlichkeit bedeutet dabei zunächst vordergründig, dass der Betreiber einer Kundenanlage kein Nutzungsentgelt von durchleitenden Energielieferanten fordern darf. Allerdings darf den Kunden auch kein verbrauchsabhängiges weiteres Entgelt für den Betrieb der Anlage in Rechnung gestellt werden. Die Gesetzesbegründung sieht es als zulässig an, wenn eine Kundenanlage im Rahmen eines vertraglichen Gesamtpaketes zur Verfügung gestellt wird (z.B. im Rahmen eines Miet- oder Pachtvertrages) oder eine verbrauchsunabhängige Umlage der mit dem Kundenanlagenbetrieb verbundenen Kosten erfolgt.

 

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Höhe der den Kunden berechneten Preise vermuteten lassen, dass hier – verbrauchsbezogene – „Netzkosten” enthalten sind, da sich eine nicht nachvollziehbar erläuterte Differenz im Rahmen der Strompreiskalkulation ergäbe, die auch nicht mit „fehlenden” Synergieefekten erklärbar sei. Umgekehrt gelang es dem betreffenden Unternehmen nicht, darzulegen, wie die Kosten – verbrauchsunabhängig – an die Kunden weitergegeben werden.

 

Daneben setzte sich das OLG Frankfurt auch mit den übrigen Voraussetzungen der Kundenanlage, insbesondere auch mit dem Merkmal auseinander, ob die betreffende Energieanlage für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Strom unbedeutend ist.

 

Hinsichtlich der maßgeblichen Anzahl von betreffenden Letztverbrauchern bezieht sich das OLG Frankfurt unter anderem auch auf die Beschlusspraxis der Bundesnetzagentur. Hiernach überschreitet die Versorgung von 457 bzw. 515 Wohnungen eine Grenze, ab der nicht mehr von einer Bedeutungslosigkeit ausgegangen werden könne, sofern nicht im jeweiligen Einzelfall sonstige Tatsachen hinzutreten, die eine andere Einschätzung nahelegen. Bei einer Anzahl von deutlich über 100 angeschlossenen Letztverbrauchern könne nicht mehr ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dies unbedeutend für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs sei.

 

Ankommen kann es dabei weder auf eine relative Größe des betreffenden Areals im Verhältnis zur Ausdehnung des vorgelagerten Netzes noch auf das Verhältnis der durchgeleiteten Energie in der vermeintlichen Kundenanlage und dem vorgelagerten Netz. Zu Recht, denn für den Begriff der Kundenanlage kann es nicht auf die Verhältnisse in einem bestimmten Netzgebiet ankommen. Würde man dies unterstellen, wäre dieselbe Anlage ggf. in einem kleineren Netzgebiet nicht mehr als Kundenanlage zu qualifizieren, während in einem größeren Netzgebiet die Voraussetzungen noch erfüllt sein könnten. Vielmehr ist maßgeblich eine gewisse Übersichtlichkeit / deutliche Abgrenzbarkeit der versorgten Personenanzahl. Auch die geografische Ausdehnung dürfte nach Ansicht des Gerichts in Übereinstimmung mit der eingeholten Stellungnahme der Bundesnetzagentur wohl Ausmaße überschreiten, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen über Kundenanlagen im Auge hatte.

 

Ausblick

Das OLG Frankfurt hat keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung zugelassen, da es die grundsätzliche Bedeutung seiner Entscheidung oder das Erfordernis der Fortbildung des Rechts durch den Bundesgerichtshof (BGH) abgelehnt hat. Abzuwarten bleibt insofern, ob der BGH ggf. eine Nichtzulassungsbeschwerde annimmt. Mit Spannung erwartet werden können zukünftig auch Entscheidungen des für die Bundesnetzagentur zuständigen OLG Düsseldorf. Weitere (höchstrichterliche) Entscheidungen werden hoffentlich die Voraussetzungen der Kundenanlage weiter ausfüllen und so ihre Abgrenzung von Energieversorgungsnetzen vereinfachen.

 

Grundsätzlich lässt sich aber sowohl aus der Gesetzesbegründung, der Spruchpraxis der Bundesnetzagentur und der Rechtsprechung die Prämisse ableiten, dass die Kundenanlage einen Ausnahmetatbestand darstellt und ihre Voraussetzungen daher eng auszulegen sind.

 

Fazit

In jedem Fall empfiehlt sich sowohl vonseiten des anschließenden Netzbetreibers als auch vonseiten des Betreibers einer potenziellen Kundenanlage eine detaillierte Prüfung, ob bei dem jeweiligen Objekt bzw. Areal die Voraussetzungen des § 3 Nr. 24a EnWG – bzw. § 3 Nr. 24b EnWG bei Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung – erfüllt sind. Ggf. kann die „fehlerhafte” Ausgestaltung von Versorgungskonzepten im Hinblick auf den Kundenanlagenbegriff noch durch Anpassungen z.B. der Preisgestaltung korrigiert werden.

  
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Joachim Held

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