Sieg der EU-Kommission – Niederlage für den effektiven Rechtsschutz? Beihilferechtsstreit über EEG-Entlastung vor einer Entscheidung

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Der Streit zwischen deutschen energieintensiven Industriebetrieben und der EU-Kommission um die EEG-Umlageentlastung nach dem EEG 2012 dürfte in naher Zeit ein Ende finden. Der zuständige Generalanwalt beim EuGH hat in seinen Schlussanträgen dargelegt, dass er die Klage gegen die beihilferechtlich geforderte Beendung der EEG-Umlageentlastung vor allem aus formaljuristischen Gründen für unzulässig hält. Noch ist keine Entscheidung des EuGH gefallen – oft folgen die Richter aber dem Gutachten des Generalanwalts.

 

Durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) wurde bereits im Jahr 2000 ein neuartiges Finanzierungssystem zur Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland eingeführt. Dabei werden regenerative Erzeugungsanlagen nicht durch Steuern unter Zwischenschaltung von Finanzbehörden, sondern durch ein von den Netzbetreibern verwaltetes privatwirtschaftliches System finanziert, welches sich letztendlich aus einem gesetzlich geregelten Aufschlag auf den Strompreis, der sog. „EEG-Umlage” speist. Um die die Wettbewerbsfähigkeit stromintensiver Unternehmen sicherzustellen und mithin deren Kosten zu senken, hat der Gesetzgeber eine Ausnahmevorschrift eingeführt, wonach der Umlagebetrag für Unternehmen mit hohem Stromverbrauch gesenkt wurde. Dabei wird die EEG-Umlagebegrenzung nach der sog. „Besondere Ausgleichsregelung” des EEG aber durch einen formellen Bescheid des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) umgesetzt.

 
Am 25. November 2014 entschied die Europäische Kommission, dass es sich bei den Ermäßigungen der EEG-Umlage zugunsten stromkostenintensiver Unternehmen um eine staatliche Beihilfe handele, die mit dem Binnenmarkt nur vereinbar sei, wenn sie bestimmten in Art. 3 des Beschlusses (EU) 2015/1585 genannte Voraussetzungen erfülle. Ermäßigungen der EEG-Umlage, die nicht diese Voraussetzungen erfüllten, wurden für mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt. Daraufhin verlangte das BAFA von einigen Unternehmen der Georgsmarienhütte-Gruppe, einem deutschen Stahlproduzenten, die sofortige Nachzahlung der EEG-Umlage. Die Unternehmen fochten den Bescheid des BAFA vor dem grundsätzlich für Bescheide des BAFA erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgericht Frankfurt am Main an, woraufhin das deutsche Gericht eine Vorabentscheidungsfrage bei dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte. Damit wollte das deutsche Verwaltungsgericht als Grundlage seiner eigenen Entscheidung geklärt wissen, ob der Beschluss der Europäischen Kommission vom 25. November 2014 gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoße, weil die Kommission die Ermäßigung als Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV qualifiziert.


Der Generalanwalt hat dazu in seinen Schlussvorträgen vom 27. Februar 2018 (abrufbar auf der curia-europa-Webseite) ausgeführt, dass er die Vorlage der Vorabentscheidungsfrage aus zweierlei Gesichtspunkten für unzulässig, darüber hinaus aber auch für unbegründet halte. Zwar müssen sich die Richter des EuGH diesen Ansichten nicht anschließen, tun dies in der Rechtsprechungspraxis aber fast immer.


Der Generalanwalt hält das Vorabentscheidungsersuchen aus verfahrensrechtlichen Gründen für unzulässig. Zum einen wäre eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV vor dem EuGH durch die Unternehmen vorrangig gewesen, sodass das falsche Gericht angerufen worden sei. Die Kläger hätten danach die Klage nicht beim Verwaltungsgericht Frankfurt a.M., sondern direkt beim Europäischen Gerichtshof in Straßburg einlegen müssen. Zum anderen sei das Vorabentscheidungsersuchen ohne eine eigene Begründung des Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M. auch als Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts schon formal mangelhaft und deshalb an sich ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung als unzulässig abzuweisen.


Der Generalanwalt hält das Vorabentscheidungsersuchen darüber hinaus auch für unbegründet. Die Einstufung der EEG-Umlage-Ermäßigung als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV sei rechtmäßig. Da die Bundesregierung bis zum Erlass des EEG 2014 noch die gegenteilige Rechtsauffassung vertrat, hatte sie kein Genehmigungsverfahren eingeleitet. Nachdem die direkte Klage vor dem EuGH inzwischen verfristet ist und über die Genehmigungsbedürftigkeit nur noch ein Klageverfahren zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission vor dem EuGH anhängig ist, bestünde für die betroffenen deutschen Unternehmen damit keine Rechtsschutzmöglichkeit mehr.

 

In letzter Zeit häufen sich die Probleme des deutschen Gesetzgebers mit dem EU-Beihilferecht. Sollte der EuGH die Auffassung des Generalanwalts bestätigen, müssten die vom EU-Beihilferecht betroffenen Bürger und Unternehmen in der Europäischen Union die EU-beihilferechtlichen Genehmigungsverfahren sehr sorgfältig verfolgen, um erforderlichenfalls innerhalb der relativ kurzen Klagefristen eigene Rechtsmittel vor dem EuGH einzulegen. Nachdem die beihilferechtlichen Genehmigungsverfahren für Verbraucher und Unternehmen häufig wenig transparent sind, Beschlüsse häufig nur in englischer Sprache getroffen werde und so komplex sind, dass nur beihilferechtliche Experten Inhalt und Reichweite beurteilen können, dürften Verbraucher ohnehin, aber auch viele mittelständischen Unternehmer mit dieser Prüfung überfordert sein. Es ist deshalb zweifelhaft, ob die Auffassung des Generalanwalts mit dem europäischen Grundrechtsschutz und dem darin verankerten Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist. Denn die Rechtszugangshürde einer Klage vor dem höchsten europäischen Gericht ist ungleich höher als die hier an sich vertretbare Klage vor einem erstinstanzlichen nationalen Verwaltungsgericht. Damit wäre die EU-Kommission einer effektiven gerichtlichen Überprüfung entzogen – dem effektiven Rechtsschutz, damit letztendlich dem Funktionieren der Europäischen Union und dem europäischen Gedanken wäre damit wohl kaum gedient.

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