Neue Rolle der gesicherten Gläubiger im Insolvenzverfahren

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Das neue tschechische Insolvenzgesetz ist gegenüber dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Handelsgesellschaftsgesetz etwas im Schatten der allgemeinen Aufmerksamkeit geblieben. Diese neue Vorschrift brachte mit Wirksamkeit zum 01.04.2014 unter anderem eine neue Regelung der Vorgehensweise bei der Verwaltung von Vermögen, mit dem Forderungen eines bzw. mehrerer Gläubiger besichert werden sollen (z.B. mit einem Pfandrecht belastete Immobilien).

​Bis Ende des Jahres 2013 galt, dass sog. gesicherte Gläubiger dem Insolvenzverwalter bezüglich der Verwaltung einer Sache, die zur Insolvenzmasse eines Gemeinschuldners gehörte und die einen Gegenstand der Besicherung ihrer Forderungen darstellte, Anweisungen erteilen konnten. Sofern mehrere Gläubiger mittels derselben Sache besichert waren, konnten sie solche Anweisungen nur gemeinsam erteilen. Wurden keine Anweisungen erteilt, konnte der Insolvenzverwalter in der Regel selbständig, nach eigenem Ermessen vorgehen. In der Praxis bedeutete dies, dass die Gläubiger auf eine aktive Teilnahme an der Verwaltung dieser Sache in den meisten Fällen verzichteten und der Insolvenzverwalter über deren Schicksal entschied. Die neue Regelung enthält diesbezüglich zwei wesentliche Punkte: Es wird einerseits davon ausgegangen, dass unter bestimmten Umständen auch der Schuldner über die Insolvenzmasse verfügen kann, und zwar als „Person mit Verfügungsberechtigungen” (insbesondere imZeitraum ab der Erklärung der Insolvenz bis zum Ergehen einer Entscheidung über die Regelung derselben und über die Ernennung des Insolvenzverwalters). Ferner wird darin festgelegt, dass die Anweisungen bezüglich der Verwaltung einer Sache nicht alle Gläubiger gemeinsam erteilen – sofern mehrere Gläubiger vorhanden sind, sondern nur der erste Gläubiger in der Rangfolge. Darunter ist zum Beispiel ein Gläubiger zu verstehen, für den bezüglich einer Immobilie ein Pfandrecht im Immobilienkataster an erster Stelle eingetragen wurde. Sofern dieser Gläubiger von seiner Weisungsberechtigung nicht innerhalb der durch das Insolvenzgericht festgelegten Frist Gebrauch macht, geht diese Berechtigung auf den Gläubiger über, dessen Forderung als nächste zu befriedigen gilt. Sofern im Zuge dieser Vorgehensweise von keinem der beteiligten Gläubiger Anweisungen erteilt werden, wird hierzu ein Insolvenzgericht berufen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein Gläubiger, der beschließt, eine Anweisung zu erteilen, eine schriftliche Zustimmung der übrigen gesicherten Gläubiger einholen sollte. Anderenfalls wird das Insolvenzgericht ein Verfahren anordnen, in dem es zu entscheiden gilt, ob die Anweisungen des Gläubigers, dem es nicht gelungen ist, die Zustimmung der übrigen gesicherten Gläubiger einzuholen, genehmigt werden. Die Gläubiger, die mit den Anweisungen des ersten Gläubigers nicht einverstanden sind, haben ihre Einwände innerhalb von 7 Tagen nach der Veröffentlichung der Anweisungen im Insolvenzregister schriftlich vorzubringen. Dabei ist zu beachten, dass nach dem oben skizzierten Schema nicht automatisch jeder Gläubiger, dessen Forderungen auf eine zulässige Art (typischerweise durch ein Pfandrecht) gesichert werden, als gesicherter Gläubiger gilt; als gesicherte Gläubiger gelten nur jene Gläubiger, deren Forderungen von dem Wert der gegenständlichen Sache aufgrund eines für diesen Zweck erstellten Sachverständigengutachtens befriedigt werden können.
 
Die oben angeführte Situation mag etwas unübersichtlich erscheinen, daher lässt sie sich am besten an folgendem Beispiel veranschaulichen: Der Gemeinschuldner, die Gesellschaft ALFA s.r.o., ist Eigentümer einer Immobilie, die als Gegenstand einer Verpfändung zur Besicherung der Forderungen von drei Gläubigern dient. Der Gläubiger 1 ist der erste Gläubiger in der Rangfolge und verfügt über eine Forderung in Höhe von 10 Mio. CZK, der Gläubiger 2 verfügt als zweiter Gläubiger in der Rangfolge über eine Forderung in Höhe von 8 Mio. CZK, und der letzte Gläubiger 3 verfügt über eine Forderung in Höhe von 5 Mio. CZK. Der Insolvenzverwalter hat ein Sachverständigengutachten erstellen lassen, durch welches der Wert der Immobilie mit 15 Mio. CZK beziffert wurde.
Gläubiger 3 dürfte unter den gegebenen Umständen von dem Erlös bei der Verwertung der Immobilie nicht befriedigt werden können und wird daher nicht als gesicherter Gläubiger erachtet werden. Durch das Gericht wird Gläubiger 1 eine Frist zur Erteilung von Anweisungen bezüglich der Verwaltung der Immobilie auferlegt. Etwaige schriftlich erteilte Anweisungen werden im Insolvenzregister veröffentlicht werden. Sofern parallel hierzu der Gläubiger 1 keine schriftliche Zustimmung des Gläubigers 2 zu diesen Anweisungen vorlegt, wird der Insolvenzverwalter diese Tatsache dem Gericht unverzüglich mitteilen, welches binnen 30 Tagen ein Verfahren ansetzen wird, zu dem die Gläubiger 1 und 2, der Insolvenzverwalter und der Schuldner  vorgeladen werden. In der Verhandlung wird das Gericht entscheiden, ob die Anweisungen genehmigt werden oder nicht. Sollte jedoch der Gläubiger binnen der vorgenannten Frist keine Anweisungen erteilt haben, geht dieses Recht (mit einer neuen Frist) auf Gläubiger 2 über. Auch dieser wird eine Zustimmung des Gläubigers 1 benötigen. Sollte auch er keine Anweisungen erteilen, werden sie durch das Gericht selbst erteilt.
 
Die Novelle bezieht sich gemäß den Übergangsbestimmungen auch auf bereits eingeleitete Insolvenzverfahren und Sachen, die Gegenstand der Besicherung von Forderungen einiger Gläubiger darstellen, unter der Voraussetzung, dass diese bis Ende 2013 nicht verwertet wurden.
 
Obwohl die Gründe für diese neue Regelung in dem Bestreben liegen, die Gläubiger intensiver einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, stärker auf das Schicksal des besicherten Gegenstandes Einfluss zu nehmen, könnte diese Regelung im Endeffekt zu einer weiteren Verlängerung des Insolvenzverfahrens führen. Nichtsdestotrotz stellt diese Neuerung erhöhte Ansprüche an die aktive Mitwirkung der Gläubiger und an ihre Kommunikation unter einander. Nicht zuletzt wirft diese Regelung viele unbeantwortete Fragen auf, beispielsweise ob und wie sich Gläubiger 3 aus unserem Beispiel gegen die Schlussfolgerung des Sachverständigen wehren kann, sollte er der Auffassung sein, dass der Wert der Immobilie mit einem höheren Betrag hätte beziffert werden sollen und er demnach auch als ein gesicherter Gläubiger gelten sollte.

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JUDr. Petra Budíková, LL.M.

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