Umkehr der Steuerschuldnerschaft seit April 2015

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  • Am 01. April 2015 sind weitere Teile der Regierungsverordnung Nr. 361/2014 Gbl., durch die das inländische Reverse-Charge-Verfahren erweitert wird, in Kraft getreten. In unserem Artikel möchten wir die Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens kurz zusammenfassen.

Umkehr der Steuerschuldnerschaft - Erweiterungen und Änderungen

 
Wie schon in unseren vorherigen Mandantenbriefen darauf hingewiesen, erweitert das Umsatzsteuer-Änderungsgesetz für eine effiziente Bekämpfung von Steuerhinterziehungen das Reverse-Charge-Ver-fahren auf weitere inländische Lieferungen und sonstige Leistungen.
 
Nunmehr wird zwischen zwei Umsätzen unterschieden – Leistungen, bei denen die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger durch das Umsatzsteuergesetz übertragen wird (dauerhafte Umkehr der Steuerschuldnerschaft) und Leistungen, bei denen die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger nach der Regierungsverordnung übertragen wird (vorübergehende Umkehr der Steuerschuldnerschaft).
 
Für das Jahr 2015 wird die vorübergehende Umkehr der Steuerschuldnerschaft durch die Regierungsverordnung Nr. 361/2014 Gbl. (nachfolgend nur „Regierungsverordnung”) geregelt.
 
Nach der Regierungsverordnung ist das Reverse-Charge-Verfahren auf die Überlassung der Emissionszertifikate nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz ab dem 01. Januar 2015 anzuwenden. Es handelt sich um keine sachliche Änderung. Es wurden nur die Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes in die Regierungsverordnung aufgenommen.
 
Des Weiteren gilt die Umkehr der Steuerschuldnerschaft für ausgewählte Gegenstände (nachfolgend nur „ausgewählte Gegenstände”), die in der Regierungsverordnung aufgezählt sind.
 
Die Gruppe ausgewählter Gegenstände unterscheidet sich dadurch, dass das Revers-Charge-Verfahren nur auf steuerpflichtige Umsätze angewandt wird, bei denen die ausgewählten Gegenstände die Lieferschwelle von CZK 100 000 (Nettoentgelt) überschreiten, d.h. bei denen die Summe des berech-neten Entgeltes für ausgewählte Gegenstände den Betrag von CZK 100 000 überschreitet. Bei solchen Lieferungen hat die Umsatzsteuer der Leistungsempfänger zu erklären und zu bezahlen. Unterschreitet das Entgelt für ausgewählte  Gegenstände im Rahmen eines steuerpflichtigen Umsatzes die Lieferschwelle von CZK 100 000, ist die Umsatzsteuer nach allgemeinen Grundsätzen zu erklären und zu bezahlen – als Steuerschuldner gilt der leistende Unternehmer. 
 

Nach der Regierungsverordnung gelten folgende Gegenstände als ausgewählte Gegenstände:

a, Getreide und Industriepflanzen, inkl. Ölsamen und Zuckerrübe, die im Zollkodex unter den folgen-den Zolltarifnummern angegeben sind: 1005, 1201, 1205, 1206 00, 1207 50, 1207 91, 1209 10 00 oder 1212 91; 

b, Metalle, inkl. Edelmetalle, die unter den einschlägigen Zolltarifnummern des Zollkodexes in Kap. 71 und Klasse XV angegeben sind, mit Ausnahme von Waren, Metalle, inkl. Edelmetalle, die unter den einschlägigen Zolltarifnummern des Zollkodexes in Kap. 71 und Klasse XV angegeben sind, mit Ausnahme von Waren,

  1. die unter den folgenden Zolltarifnummern angegeben sind: 7101 bis 7105, 7108 20 00, 7113 bis 7118, 7302, 7309 00 bis 7312 00 00, 7315 bis 7326, 7415 bis 7419, 7507, 7508, 7611 bis 7616, 7806 00, 7907 00 00, 8007 00 80, 8101 99 90, 8102 99 00, 8103 90 90, 8104 90 00, 8105 90 00, 8106 00 90, 8107 90 00, 8108 90 60, 8108 90 90, 8109 90 00, 8110 90 00, 8111 00 90, 8112 19 00, 8112 29 00, 8112 59 00, 8112 99, 8113 00 90,
  2. die Abfälle und Schrott aus Hafnium darstellen und unter der Zolltarifnummer 8112 92 10 angegeben sind
  3. die unter den einschlägigen Zolltarifnummern in Kap. 82 und 83 angegeben sind,
  4. auf welche die Differenzbesteuerung nach § 90 UStG anzuwenden ist,  
  5. auf welche die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 92c UStG anzuwenden ist;
c, Mobiltelefone, die unter den Zolltarifnummern 8517 12 00 oder 8517 18 00 angegeben sind;
c, integrierte Schaltungen wie Mikroprozessoren und zentrale Prozessoreinheiten mit der Zolltarif-nummer 8542 31 und mit diesen Schaltungen ausgestattete Flächenverbindungen, die zum Einbau in die Produkte für Endabnehmer bestimmt sind; 
e, tragbare Geräte für automatische Datenverarbeitung, die unter der Zolltarifnummer 8471 30 00 angegeben sind;

f, Videospielkonsolen, die unter der Zolltarifnummer 9504 angegeben sind.

 
Ausgewählte Gegenstände sind nach dem Revers-Charge-Verfahren ab 01. April 2015 zu besteuern. Ausgenommen hiervon ist die Zuckerrübe, auf die die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ab 01. September 2015 Anwendung findet.

 

Unklarheiten bei der Anwendung des Revers-Charge-Verfahrens für ausgewählte Gegenstände

Da die gesetzlichen Vorschriften, durch die die Umkehr der Steuerschuldnerschaft für ausgewählte Gegenstände geregelt wird, lückenhaft sind, ist eine unklare Auslegung nicht ausgeschlossen. Die Generalfinanzdirektion (nachfolgend auch „GFD”) hat auf der Webseite der Finanzverwaltung das Schreiben (nachfolgend nur „Schreiben der GFD”) veröffentlicht, in dem einige Unklarheiten erläutert werden und die zu treffenden Maßnahmen dargestellt sind.    
 
Es ist unklar, wie das Entgelt und der darauf entfallende Steuerbetrag für ausgewählte Gegenstände, deren Lieferzeitpunkt vor dem 01. April 2015 liegt, zu berichtigen sind, wenn die Berichtigung nach diesem Tag erfolgt. Findet die Regierungsverordnung auf solche Lieferungen Anwendung? Dies wird im Schreiben der GFD nicht ausdrücklich erläutert. Nach der Begriffsbestimmung der steuerpflichtigen Umsätze und der Berichtigung des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrages sollte unserer Ansicht nach das Entgelt und der darauf entfallende Steuerbetrag für steuerpflichtige Umsätze, die vor dem 01. April 2015 durchgeführt wurden, nach den gesetzlichen Vorschriften für den ursprünglichen steuerpflichtigen Umsatz berichtigt werden. Sollte die Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf die ursprüngliche, vor dem 01. April 2015 durchgeführte Lieferung nicht angewandt werden, kann das Revers-Charge-Verfahren auf die nach diesem Tag vorgenommene Berichtigung des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrages auch nicht angewandt werden.
 
Für die vor dem 01. April 2015 geleisteten Vorauszahlungen auf ausgewählte Gegenstände, deren Lieferzeitpunkt erst nach diesem Tag liegt, ist nach dem Schreiben der GFD § 92 Abs. 7 UStG anwendbar. Nach dieser Bestimmung bleibt die Besteuerung der Vorauszahlungen unverändert, die Übertragung der Steuerschuldnerschaft erfolgt erst bei der Nachzahlung. Aus dem Schreiben der GFD ergibt sich nicht, ob das Revers-Charge-Verfahren auch auf eventuelle Überzahlungen Anwendung findet. 
 
Die Beurteilung, ob die für das Revers-Charge-Verfahren maßgebende Lieferschwelle von CZK 100 000 überschritten wurde, hängt von dem Begriff und der Auslegung der steuerpflichtigen Umsätze ab. Dabei muss auch der Umfang des steuerpflichtigen Umsatzes beachtet werden. Ist definiert, welche Lieferungen unter den steuerpflichtigen Umsatz fallen, kann die Rechnung ausgestellt werden. Sollte das Entgelt für ausgewählte Gegenstände (Nettoentgelt) in dieser Rechnung die Lieferschwelle von CZK 100 000 überschreiten, ist für einzelne steuerpflichtige Umsätze das Revers-Charge-Verfahren anzuwenden. Wenn diverse ausgewählte Gegenstände in Rechnung gestellt werden, werden die einzelnen Beträge für die Ermittlung der Lieferschwelle addiert. Der jeweilige steuerpflichtige Umsatz kann nicht eindeutig definiert werden, wenn z.B. der Leistungsempfänger an einem Tag mit ausgewählten Gegenständen beliefert wird, wobei sie einzeln die Lieferschwelle von CZK 100 000 unterschreiten, aber insgesamt mehr als CZK 100 000 betragen. Im Schreiben der GFD wird darauf hingewiesen, dass die Lieferungen von ausgewählten Gegenständen, die zur Vermeidung des Revers-Charge-Verfahrens gezielt auf mehrere Teillieferungen aufgeteilt werden, vom Finanzamt angefochten werden können, wobei der Vorsteuerabzug  des Leistungsempfängers abgewiesen werden kann.
 
Für die Beurteilung der Lieferschwelle sind die für ausgewählte Gegenstände geleisteten Vorauszahlungen allein nicht entscheidend. Relevant ist immer der Gesamtbetrag, der für die Lieferung berechnet wird. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: nach vertraglicher Vereinbarung sollen Mobiltelefone zum Preis von CZK 150 000 geliefert werden, wobei die Vorauszahlung i.H.v. CZK 50 000 zu leisten ist. Da der steuerpflichtige Umsatz (Verkauf von Mobiltelefonen) die Lieferschwelle von CZK 100 000 überschreitet, wird auf die Vorauszahlung weder vom leistenden Unternehmer (auch wenn sie nur CZK 50 000 beträgt) noch vom Leistungsempfänger das Reverse-Charge-Verfahren angewandt, da die Umsatzsteuer für Lieferungen von ausgewählten Gegenständen erst zum Lieferzeitpunkt zu erklären und zu bezahlen ist. Das Schreiben der GFD informiert des Weiteren über Umstände, die bei der Bezahlung und Abrechnung von Vorauszahlungen auftreten können, und über die Änderung des Entgelts nach der Vereinnahmung der Vorauszahlung.
 
Das Schreiben der GFD befasst sich auch mit Umständen, die durch das Umsatzsteuergesetz nicht geregelt werden oder bei denen das Besteuerungsverfahren nicht eindeutig ist. Es wird z.B. eine Be-richtigung des Entgeltes und des darauf entfallenden Steuerbetrages erläutert, durch die die Lieferschwelle von CZK 100 000 unterschritten bzw. überschritten wird. Des Weiteren hat die GFD zur Berichtigung des Entgeltes nur für einige steuerpflichtige Umsätze (z.B. Boni oder andere Preisermäßigungen) Stellung genommen; die Berichtigung hat zur Folge, dass einige Lieferungen dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen und einige Lieferungen nach allgemeinen Grundsätzen besteuert werden.
 
Die Beurteilung, ob die Lieferungen als Lieferungen von ausgewählten Gegenständen gelten, kann in einigen Fällen kompliziert sein. In diesen Fällen kann bei der GFD die Erteilung der verbindlichen Auskunft über das Revers-Charge-Verfahren beantragt werden. Nach dem Umsatzsteuergesetz ist eine gesetzliche Fiktion zulässig, dass Umstände vorliegen, die das Revers-Charge-Verfahren ermöglichen. Diese Fiktion wird angewandt, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger unwiderlegbar vermuten, dass das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist.
 
Die Risiken aus einer unrichtigen Anwendung des Revers-Charge-Verfahrens auf Lieferungen von ausgewählten Gegenständen werden sowohl vom Leistungsempfänger als auch vom leistenden Unternehmer getragen. Die Risiken drohen dem leistenden Unternehmer, wenn das Finanzamt feststellt, dass er das Revers-Charge-Verfahren gesetzwidrig angewandt hat; in diesem Fall wird der leistende Unternehmer angefordert, die Umsatzsteuer und die Nachzahlungszinsen zu bezahlen. Dem Leistungsempfänger drohen die Risiken, wenn der leistende Unternehmer das Reverse-Charge-Verfahren nicht angewandt hat, obwohl er hierzu verpflichtet war. Folglich wird der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers abgelehnt, der Leistungsempfänger wird aufgefordert, die Vorsteuer zu erstatten und steuerliche Nebenleistungen zu zahlen.
 
Die Lieferschwelle von CZK 100 000 erfordert, dass der steuerpflichtige Umsatz, dessen Umfang und eventuelle Vorauszahlungen exakt definiert werden. Die Verträge zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger sollten diese Umstände sorgfältig regeln. Werden Lieferungen vereinbart, sollten die Vertragsparteien sorgfältig prüfen, ob die Umkehr der Steuerschuldnerschaft angewandt wird oder nicht.
 
Da für die Lieferschwelle von CZK 100 000 viele Faktoren maßgebend sind, die durch das Umsatzsteuergesetz nicht geregelt werden, und die Anwendung der gesetzlichen Vorschrift äußerst schwierig ist, sollte vom Gesetzgeber geprüft werden, ob das Gesetz nicht um eine Option erweitert werden sollte, nach der die Unternehmer selbst entscheiden könnten, auch die Lieferungen von ausgewählten Gegenständen bis CZK 100 000 nach dem Revers-Charge-Verfahren zu besteuern.

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Ing. Václav Olšanský

Tax Consultant (Tschechische Republik)

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