Landeskartellbehörde Nordrhein-Westfalen veröffentlicht Sektoruntersuchung zum Thema Fremdwasserbezug

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​veröffentlicht am 27. November 2020


Die Landeskartellbehörde Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LKartB) hat Anfang November die Ergebnisse ihrer Sektoruntersuchung1 im Bereich des Fremdwasserbezuges2 der nordrhein-westfälischen Wasserversorgungsunternehmen veröffentlicht und damit eine Grundlage für mögliche Preisprüfungsverfahren geschaffen. Für den Moment hat die Untersuchung weder eindeutige Hinweise auf eine Marktmacht ergeben, noch zeigten sich einzelne Unternehmen, die einen konkreten Preismissbrauch gegenüber ihren Weiterverteilern aufweisen.

In der Vergangenheit wurden infolge kartellrechtlicher Wasserpreisprüfungen hohe Fremdbezugskosten vermehrt als Grund für überdurchschnittlich hohe Wasserpreise angebracht. Insbesondere Wasserversorger ohne Eigenförderungskapazitäten hätten demnach kaum Einfluss auf die Fremdbezugskosten und die Verhandlungsmacht sei an dieser Stelle ungleich verteilt. Entweder geografische, technische oder wirtschaftliche Gegebenheiten würden nur einen Vorlieferanten infrage kommen lassen oder aber ein Lieferantenwechsel wäre nur mit sehr hohem Aufwand möglich. Auch lange Vertragslaufzeiten binden die Versorger an ihre Vorlieferanten.3 Daher hat die LKartB im Jahr 2017 eine Marktuntersuchung zu den Marktverhältnissen und -akteuren sowie der Wettbewerbsintensität beim Fremdbezug von Trinkwasser in Nordrhein-Westfalen gestartet.

Die Befragung beinhaltete eine Datenerhebung für die Jahre 2014 bis 2016 sowohl der Vorlieferanten als auch der Abnehmer (im Folgenden: Weiterverteiler), sodass letztlich Daten von insgesamt 2774 Marktteilnehmern vorlagen, von denen 252 Lieferbeziehungen ausgewertet werden konnten. Im Rahmen der Untersuchung konnten so 103 Unternehmen ermittelt werden, die Fremdwasser liefern. Neben Stadtwerken, die etwa die Hälfte der Vorlieferanten ausmachen, gibt es in Nordrhein-Westfalen Eigenbetriebe, Kooperationen, Wasser- und Bodenverbände, Wasserwerke und sondergesetzliche Verbände, die ihren Abnehmern Fremdwasser zur Verfügung stellen.5

Der Fremdwasserbezug hat für die belieferten Unternehmen unterschiedliche Bedeutung. So decken die Weiterverteiler entweder ihren gesamten Wasserbedarf mit der fremdbezogenen Menge ab, oder – sofern Eigenförderungskapazitäten bestehen – auch nur einen Teil des Bedarfs. Der Fremdwasserbezugsanteil6 lag bei den untersuchten Weiterverteilern im Jahr 2016 bei durchschnittlich 60,7 Prozent. 58 der 124 Weiterverteiler weisen einen hundertprozentigen Fremdwasserbezug auf.7 Die Fremdbezugskosten haben zudem einen zum Teil deutlichen Einfluss auf das Preisniveau am Endkundenmarkt. Während der Fremdbezugsanteil an den Gesamtkosten bei den untersuchten Weiterverteilern bei durchschnittlich 22,5 Prozent im Jahr 2016 lag, zeigt sich bei den Weiterverteilern mit ausschließlichem Wasserbezug sogar ein Anteil von 36,5 Prozent.8

Mithilfe der Untersuchung hat die LKartB die Belieferung von Fremdwassermengen als einen eigenständigen sachlich relevanten Markt abgegrenzt. Der Vorlieferantenmarkt ist demnach der öffentlichen Trinkwasserversorgung vorgelagert.9 Zudem sieht die LKartB den Markt in räumlicher Hinsicht als regionalen Markt an, in dem die Abnehmer die relevanten Wassermengen innerhalb ortsnaher oder regionaler Gebiete beziehen. Da innerhalb dieser regionalen Gebiete teilweise völlig unterschiedliche Wettbewerbsverhältnisse vorherrschen, stellt sich eine Bewertung der Marktmachtverhältnisse auf dem Vorlieferantenmarkt als schwierig dar.10 Dennoch kommt die LKartB zu dem Schluss, dass, auch trotz regionaler Unterschiede, der betrachtete Markt marktbeherrschende Verhältnisse systemimmanent begünstigt. Durch die Besonderheiten in der Wasserwirtschaft ist ein Wechsel des Vorlieferanten für den Weiterverteiler wirtschaftlich oft nur schwer realisierbar, wodurch Wettbewerb kaum zustande kommt.11

Sollte in Zukunft im Rahmen einer Wasserpreisprüfung der Fremdbezugspreis als Grund für hohe Entgelte angebracht werden und eine Untersuchung einen hinreichenden Anfangsverdacht auf überhöhte Fremdbezugspreise ergeben, so behält sich die LKartB vor, die Preise im Rahmen der Missbrauchsaufsicht zu prüfen. Hierfür ist jedoch eine Einzelfallprüfung notwendig.12 Die Sektoruntersuchung dient dabei als Hilfestellung und bietet nunmehr eine belastbare Datengrundlage, welche wiederum einen konzeptionellen Prüfungskatalog ermöglicht. 


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1 Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (2020): Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug. Abschlussbericht gemäß § 32e GWB. November 2020.
2 Unter dem Begriff „Fremdwasserbezug“ versteht die Landeskartellbehörde diejenigen Wassermengen, die ein (Wasserversorgungs-) Unternehmen gegen ein Entgelt von einem Vorlieferanten bezieht.
3 Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (2020): Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug. Abschlussbericht gemäß § 32e GWB. November 2020, S. 10.
4 Hierunter sind 58 Unternehmen, die sowohl als Vorlieferant als auch als Weiterverteiler befragt worden sind. Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (2020): Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug. Abschlussbericht gemäß § 32e GWB. November 2020, S. 15.
5 Vgl. S. 20.
6 Prozentualer Anteil der Netzabgabe, den der Weiterverteiler nicht über die Eigenförderung decken kann.
7 Vgl. Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (2020): Sektoruntersuchung Fremdwasserbezug. Abschlussbericht gemäß § 32e GWB. November 2020, S. 18.
8 Vgl. S. 11.

9 Vgl. S. 31.
10 Vgl. S. 33-36.
11 Vgl. S. 36-53.
12 Vgl. S. 63-70.

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Tina Wiedebusch

M.Sc. Economics

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