DBA und Multilaterales Instrument – Zukunft des Internationalen Steuerrechts

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Die OECD hat ihre im Rahmen des BEPS-Projekts begonnenen Überlegungen zu einem mehrseitigen Steuerabkommen (dem sog. „Multilateralen Instrument”, kurz: MLI) weiter ausgearbeitet und am 24. November 2016 einen konkreten Entwurf vorgelegt. Das Abkommen soll im Juni 2017 in Paris von über 100 Staaten unterzeichnet werden und potenziell ca. 2.000 der weltweit aktiven Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf einen Schlag ändern. Für Deutschland geht man von ca. 40 bis 50 DBA aus, die in zentralen Punkten geändert werden sollen. 
 

 

M​it dem MLI verbindet die OECD die Idee, die abkommensbezogenen Maßnahmen des Aktionsplans gegen „Base Erosion and Profit Shifting” (BEPS) – also gegen internationale Gewinnverlagerungen – ohne langwierige Nachverhandlungen von DBA möglichst flächendeckend in den bestehenden DBA umzusetzen. Bei den abkommensbezogenen Maßnahmen handelt es sich um:
  • Hybride Gestaltungen (Maßnahme Nr. 2),
  • Abkommensmissbrauch (Maßnahme Nr. 6),
  • Künstliche Vermeidung von Betriebsstätten (Maßnahme Nr. 7),
  • Verbesserte Streitbeilegung (Maßnahme Nr. 14) und
  • Verständigungsverfahren.

 
Das MLI ist ein verbindliches, mehrseitiges Steuerabkommen zwischen allen oder jedenfalls möglichst vielen Mitgliedstaaten der OECD, durch das die zwischen den verschiedenen Staaten bestehenden DBA unmittelbar geändert werden sollen.
 

Opting-out-Lösung

Bei der Ausgestaltung des MLI hat sich die OECD viel Flexibilität vorbehalten. So sollen die Staaten zunächst ausdrücklich wählen, welche ihrer DBA sie anpassen möchten. Zudem ist es möglich, die Wirkung bestimmter Vorschriften oder sogar einzelne Absätze innerhalb der Vorschriften abzuwählen. Die OECD hat sich damit nicht (wie zu Beginn angekündigt) für ein modulares Modell, sondern für eine Opting-out-Lösung entschieden: Mit der Unterzeichnung wird das gesamte MLI wirksam, es sei denn, die Staaten haben bei den genannten Punkten Vorbehalte. Manche Vorschriften des MLI enthalten zudem Optionsmöglichkeiten mit alternativen Formulierungen.
 
Die Änderung eines bestehenden DBA zwischen Staat A und B soll insofern erfolgen, als dass beide Staaten dieselben Bestimmungen für sich als bindend anerkannt haben. Im Übrigen (d.h. bei fehlender Deckungsgleichheit) würde das MLI keine Anpassung des DBA bewirken. Ausnahmen gelten nur bei den Vorschriften, die den sog. BEPS-Minimum-Standard spiegeln – sie sind bindend und können nicht abgewählt werden. Bei ihnen handelt es sich um die BEPS-Aktionspunkte 5 (Schädlicher Steuerwettbewerb), 6 (Abkommensmissbrauch), 13 (Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting) sowie 14 (Verbesserte Streitbeilegung). Ihnen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Möglichkeit eines vollständigen Opting-outs die Zielsetzung des BEPS-Projekts vollständig konterkarieren und das MLI so zu einem „zahnlosen Tiger” würde.
 
Änderungen, die nicht im Kontext des MLI unterschrieben werden, können jedoch auch bei bilateralen DBA-Verhandlungen aufgenommen werden. Regelungen müssen dann in eigenständigen Revisionsprotokollen zu aktuellen DBA umgesetzt werden, also im Verhandlungsweg. Insoweit unterscheidet sich die Vorgehensweise nicht von der bisherigen bei Neuverhandlungen oder Neuabschlüssen eines DBA.
 

Erhöhter Prüfungsaufwand

So sehr ein echtes internationales DBA zwischen möglichst vielen Staaten auch wünschenswert wäre: Das MLI wird die Lösung internationalsteuerlicher Sachverhalte erheblich verkomplizieren. Künftig müssen neben dem nationalen Recht der beiden (oder mehrerer) betreffenden Staaten nicht nur das individuelle DBA und die dazu ergangenen Protokolle, Denkschriften oder sonstigen ergänzenden Vereinbarungen, sondern auch die einzelnen Module des MLI miteinander abgeglichen werden. Wenn man bedenkt, dass es mitunter heute schon schwierig ist, aus verlässlichen Quellen einen Hinweis auf die Ratifikation oder das Inkrafttreten eines neuen DBA zu erhalten, wird der zeitliche Aufwand für internationale Steuerfälle erheblich steigen. Viele Steuerabteilungen und kleine Beratungspraxen werden das nicht mehr leisten können.
 

Ungelöste Fragen

Da auch das MLI in der Zukunft geändert werden kann und weiter bilaterale DBA-Neuverhandlungen möglich sind, müssten sowohl auf dieser Ebene als auch bei den DBA Änderungen nachverfolgt werden. Zudem ist teilweise ungeklärt, wie eine rechtssichere Umsetzung des MLI in das nationale Recht erfolgen kann. In Deutschland bspw. wird vermutlich ein Umsetzungsgesetz für jedes einzelne DBA vonnöten sein, das durch das MLI geändert wird, da das Bundesjustizministerium verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine „schlanke Lösung” geltend gemacht hatte.
 

Außerdem bleibt zu erwähnen, dass auch die OECD selbst allerlei Klärungs- und Präzisierungsbedarf zu sehen scheint. Allein die „Explanatory Notes” zum Multilateralen Instrument finden auf knapp 90 Seiten Platz und dem Vernehmen nach soll ähnlich dem OECD-Musterkommentar ein eigener Kommentarteil zum MLI erstellt werden. Ob darin „nur” die BEPS-Ergebnisse Eingang finden oder sie noch freischaffend fortentwickelt werden, bleibt abzuwarten.
 

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