Videoüberwachung in der Mietwohnung

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veröffentlicht am 01. August 2019

 

Überwachungskameraausschnitt von obenMit Kameraüberwachung auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Gebäuden rechnet man zunehmend, aber auch im eigenen Mietshaus oder gar in den eigenen vier Wänden? In Großstädten wird die Videoüberwachung in Mietshäusern immer beliebter. Vandalismus und Einbruchkriminalität sollen dadurch verhindert oder jedenfalls eingedämmt werden. Gerade im Hinblick auf die gesteigerte Datenschutzempfindlichkeit findet es nicht jeder spannend, wenn er bis vor seine Wohnungstür gefilmt wird.

 

Die DSGVO selbst enthält keine spezifische Regelung zur Videoüberwachung. Der ab dem 25. Mai 2018 ebenfalls in Kraft getretene § 4 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) enthält lediglich eine Regelung zur Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume. Damit dürfte davon auszugehen sein, dass für die Datensammlung per Videoüberwachung die allgemeinen Regelungen der DSGVO aufgrund des Anwendungsvorranges zur Anwendung kommen.

 

Man muss hierzu unterscheiden: 

  1. Videoaufnahmen im ausschließlich privaten Bereich der betroffenen Person selbst unterfallen dem sog. Haushaltsprivileg Art 2 Abs. 2 lit. c DSGVO und sind nicht justiziabel.
  2. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der (Daten-)Verarbeitung durch nicht öffentliche Stellen (= private Vermieter) ist auf die Generalklausel in Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO abzustellen. Danach ist die Verarbeitung rechtmäßig, soweit sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Die durchzuführende Prüfung erfolgt dabei nach folgenden Kriterien: Wahrung berechtigter Interessen, Erforderlichkeit, Interessenabwägung. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zu fragen, ob die konkrete Videoüberwachung zur Zweckerreichung geeignet ist und ob alternative Maßnahmen, die nicht oder weniger tief in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten eingreifen, im konkreten Einzelfall vorzuziehen sind. Dabei wird man insbesondere im Mietverhältnis einen strengeren Maßstab anzulegen haben, als wenn der Betroffene als Kunde, Gast oder Passant von einer Videoüberwachung erfasst wird. In der Regel nicht zu erwarten und in diesem Zusammenhang daher nicht akzeptiert ist die Videoüberwachung z. B. im Nachbarschaftskontext sowie in Individualbereichen wie Wohnen, Sportausübung/Fitness oder ärztlichen Behandlungs- und Warteräumen. Ausnahmslos nicht zu akzeptieren ist die Videoüberwachung in Sanitär- und Saunabereichen.
  3. Für rein öffentliche Stellen kann in bestimmten Fällen Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO in Verbindung mit einem nationalen Gesetz als Rechtsgrundlage in Betracht kommen.

 

Nicht zu vergessen: 

Neben der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung fordert die DSGVO in Art. 5 Abs. 1 lit. a ferner, dass die personenbezogenen Daten in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden müssen. Mit dieser Regelung sowie den sich aus Art. 12 ff. DSGVO ergebenden Anforderungen sind die Transparenzpflichten stark angestiegen. Jede Kamera muss mit einem Piktogramm (Kamerasymbol) ausgestattet werden. Zudem müssen folgende Informationen gut leserlich an der Kamera angebracht sein: Name des für die Videoüberwachung Verantwortlichen, Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten, Angabe des Zweckes der Verarbeitung, Angabe des berechtigten Interesses, Angabe der Dauer der Speicherung und natürlich der Hinweis auf Zugang zu weiteren Pflichtinformationen.

 

Deshalb scheidet der Versuch, die Kameraüberwachung per Rechtfertigungstatbestand der Einwilligung darzustellen in jedem Fall aus. Das Betreten auch des DSGVO-konform gekennzeichneten Erfassungsbereichs einer Videokamera ist nicht als eindeutig bestätigende Handlung zu werten.

 

Aktueller Fall am AG München:

Das Amtsgericht München (Urteil vom 28. Mai 2019, Az.: 432 C 2881/19) hat hierzu nun kürzlich entschieden, dass die permanente Videoüberwachung eines WG-Flures, der unter anderem auch den Zugang zum Badezimmereingang umfasst, zu einer fristlosen Kündigung durch den Mieter berechtigt.

 

Im zugrunde liegenden Fall betrieb der Vermieter selbst nur noch ein Büro in der Wohnung, die er ansonsten zimmerweise vollständig untervermietet hatte. Der Mieter war zur Mitnutzung von Bad/Dusche/WC und Küche berechtigt. Im Mietvertrag befanden sich u. a. die Klauseln: „Vor der Haustür ist zum Schutz der Gemeinschaft eine Kamera angebracht” und „Ein Bündnis der WG-Mitglieder mit der Absicht anderen WG-Mitgliedern oder dem Vermieter zu schaden, führt zu fristloser Kündigung und zu einem Schadensersatz.” „Die Flure werden videoüberwacht!”

 

Das Amtsgericht München gab dem Mieter Recht. Seine fristlose Kündigung könne jedenfalls auf den unstreitigen Vorwurf der Anbringung, des Betriebs und der unterlassenen Entfernung einer Überwachungskamera im Flur der verfahrensgegenständlichen Wohngemeinschaft gestützt werden. Unbehelflich sei insoweit die Bezugnahme auf die Klauseln zur Anbringung einer Kamera. Ein Einverständnis des Mieters könne per se nicht angenommen werden. Es könne insoweit nicht angehen, dass im Bereich des zur gemeinschaftlichen Nutzung überlassenen Flurs, der das Zimmer des Beklagten u.a. mit der Küche und dem Badezimmer verbindet, eine permanente Videoüberwachung stattfinde, zumal die dabei erstellten Aufnahmen durch den Vermieter auch noch (unstreitig) regelmäßig ausgewertet wurden. Soweit durch die Kamera etwaige mietrechtliche Pflichtverstöße, wie z. B. das unterlassene Schließen der Haustür und/oder die Ordnungsmäßigkeit der Mülltrennung aufgeklärt bzw. überprüft werden sollten, stelle dies freilich keinerlei Rechtfertigungsgrund für die permanente Überwachung dieses gemeinschaftlichen Bereichs der Wohngemeinschaft dar.

 

Fazit:

Damit dürfte sich herauskristallisieren, dass vertragliche Belange weder nach Art. 6 Abs. 1 lit b) noch nach Art 6 Abs. 1 lit f) einen Rechtfertigungsgrund für das Anbringen von Kameras in der Wohnung darstellen. Für die Videoüberwachung im Außenbereich gilt das jedoch nicht. Wenn man ein konkretes Sicherungsbedürfnis im Innenbereich hat – etwa weil nur ein Mitbewohner als Täter eines in der Vergangenheit liegenden Diebstahls bei fortbestehender Gefährdungslage in Betracht kommt – bleibt wohl nur der Weg über eine Einwilligung mit den Betroffenen außerhalb des Mietvertrages.

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Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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