Betreiberverantwortung – allen ein Begriff, nur nicht immer der Gleiche …

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veröffentlicht am 03. Februar 2014        
Mit der Veröffentlichung der GEFMA Richtlinie 190 – Betreiberverantwortung im FM hat sich eine Vision in der Facility Management Branche etabliert. Die Vision besteht darin, einen Überblick über die vielfältigen Anforderungen an den Betrieb einer Immobilie zu erhalten und die daraus resultierenden Pflichten systematisch und nachweisbar zu erfüllen. Ziel ist es dabei, die bestehenden Gefahren zu minimieren sowie möglichst wenige Schäden zu verursachen und so einen wesentlichen Beitrag zu einem sicheren Gebäudebetrieb zu leisten. Bei der Bewältigung dieser komplexen Aufgabe konnten zwischenzeitlich enorme Fortschritte gemacht und wesentliche Hilfen zur Beherrschung dieses „Dschungels” auf dem Markt angeboten werden. Je mehr das Thema Betreiberverantwortung allerdings in der Branche etabliert ist, desto eindeutiger sollte das Begriffsverständnis sein, um Missverständnisse – etwa im Rahmen von Vertragsgestaltungen oder internen Organisationsvorgaben – zu vermeiden.

Betreiberverantwortung: gesetzliche Definition? Fehlanzeige!

Dass etwa 2.000 Gesetze und Regelwerke immobilienbezogene Pflichten enthalten, die unter dem Stichwort Betreiberverantwortung zusammengefasst werden können, ist zwischenzeitlich hinlänglich bekannt. Ebenfalls dürfte sich inzwischen weitgehend die Einschätzung etabliert haben, dass irrationale Ängste „ohnehin mit einem Bein im Gefängnis” zu stehen, weder sachgerecht noch zielführend sind. Immer mehr Branchenteilnehmer haben das Verständnis, dass nur ein systematisches Vorgehen mit hoher Verlässlichkeit zum Ziel führt und setzen dies in konkreten Projekten im eigenen Unternehmen um. Und trotzdem bleibt eine gewisse Unschärfe für alle, die sich vornehmen, die Betreiberverantwortung in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich konkret zu erfassen. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass der Gesetzgeber keine Definition der Betreiberverantwortung anbietet, an der sich Literatur und Rechtsprechung entwickeln und für konkrete ausfüllende Erkenntnisse sorgen können. Gelegenheit dazu hätte der Gesetzgeber immer wieder. Der Begriff „Betreiber” oder „betreiben” wird an mehreren Stellen in verschiedenen Gesetzen und Regelwerken mit Immobilienbezug verwendet.
  
Hier wird sichtbar, dass wir es mit einem Thema zu tun haben, das sich zwischen verschiedenen fachlichen Welten abspielt. Das führt regelmäßig zu gewissen Unschärfen bei der Definition von Begriffen. Ein Beispiel dafür ist die Interpretation des Begriffs „Norm” in der Welt der Ingenieure und der Welt der Juristen. Gleiches gilt für die Betreiberverantwortung. Juristen würden sich für die Interpretation des Begriffs in erster Linie dem Wortsinn zuwenden und fragen, was alles „betrieben” wird oder wer im Gesetz als „Betreiber” angesprochen wird und die unmittelbar damit einhergehenden Aufgaben und Kompetenzen unter die Betreiberverantwortung fassen. Arbeitsmittel etwa werden aber in aller Regel nicht „betrieben”, sondern „benutzt” und auch die Sicherung von Verkehrsflächen (Schneeräumen, etc.) ist mit dem Begriff des Betreibens vermutlich nur schwer zu beschreiben.
   
Wenn also von Betreiberverantwortung gesprochen wird, sollen dann Pflichten aus dem Arbeitsschutz und klassische Verkehrssicherungspflichten nicht mit umfasst sein?
 
Nachdem es keine gesetzliche Vorgabe dazu gibt und auch in der Praxis die Konkretisierung alles andere als trivial ist, werden Juristen wohl zunächst keine abschließende Antwort auf diese Frage finden. Umgekehrt hingegen scheint die Rechtsprechung bei der Verwendung des Begriffs „Verkehrssicherungspflicht” eine sehr weite Interpretation vorzunehmen und durchaus Verpflichtungen, die sich aus Vorschriften zu einem sicheren Betrieb von Anlagen ergeben, unter diesem Stichwort zu behandeln. Mit § 823 BGB als gesetzgeberische Ausgangsvorschrift ist das nur folgerichtig.
 
Praktiker der FM-Branche, regelmäßig eher mit technischem Ausbildungshintergrund, würden Verkehrssicherungspflichten wohl eher in der Kategorie „rutschen, stolpern, fallen” suchen und weniger im Bereich eines sicheren Anlagenbetriebs im Sinne von Aufzugsanlagen oder Druckbehältern. Ob der Arbeitsschutz noch unter die Betreiberverantwortung fallen soll, dürften verschiedene Fachleute in unterschiedlicher Art und Weise beantworten.
 

Nur wer hat Recht? Alle und keiner!

Es gibt soweit ersichtlich bislang keine klare Definition von Betreiberverantwortung. Ein einheitliches Begriffsverständnis wird aber immer dann wichtig, wenn Aufgaben delegiert werden. Überträgt der ursprünglich Verpflichtete, also in der Regel der Eigentümer einer Immobilie oder der Arbeitgeber seine Aufgaben und Kompetenzen auf Dritte, wird zunehmend der Begriff der Betreiberverantwortung genutzt. Für den Verpflichteten spielt es also durchaus eine Rolle, wenn klar begrenzte Aufgaben möglichst pauschal übertragen werden sollen.
 
Wer sich das Ziel der Diskussion über Betreiberverantwortung vor Augen führt, kann wohl nur zu einer Auslegung des Begriffs kommen: Betreiberverantwortung umfasst alle Aufgaben und Kompetenzen, die erforderlich sind, um Gefahren und Schäden aus dem Betrieb einer Immobilie als Ganzes zu vermeiden.
  

Tools helfen, müssen aber individuell ergänzt werden

Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass es verschiedene Perspektiven zur Konkretisierung von Betreiberverantwortung gibt. Geht man nach der Funktion des Verpflichteten, kann zwischen „Betreiberpflichten” und „Unternehmerpflichten” unterschieden werden. Beide zusammen ergeben dann den Aufgabenkatalog, dessen Umsetzung gleichzusetzen ist mit der Wahrnehmung der Betreiberverantwortung für eine Immobilie.
 
Der erste Pflichtenkreis, die „Betreiberpflichten”, wird dabei aus der Eigentümerstellung, d.h. aus Art. 14 GG („Eigentum verpflichtet“) abgeleitet, der zweite Pflichtenkreis, die „Unternehmerpflichten”, aus der ebenfalls grundgesetzlich verankerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Angestellten. Um das Verständnis für diese Perspektive zu fördern und damit der gelebten Praxis in den Unternehmen mit regelmäßig gut etablierten Arbeitsschutzorganisationen Rechnung zu tragen, hat Rödl & Partner den Masterplan „Unternehmer- und Betreiberverantwortung im FM wahrnehmen” etabliert.
  
Wichtig erscheint allerdings festzustellen, dass die schlichte Gleichung, Betreiberpflichten + Unternehmerpflichten ergibt den Aufgabenkatalog zur Wahrnehmung der Betreiberverantwortung nicht zutreffend ist. Nicht alle Unternehmerpflichten können als Bestandteil der Betreiberverantwortung qualifiziert werden.
 
Praktische Relevanz gewinnt diese Unterscheidung, wenn man sich dem Thema Betreiberverantwortung aus einer anderen Perspektive nähert. Der Perspektive der Rechtsquellen und der darin benannten Adressaten. Diese ist immer dann wichtig, wenn Betreiberverantwortung etwa im Rahmen von FM-Verträgen delegiert werden soll.
 
Zu den Rechtsquellen, die für die Konkretisierung der Betreiberverantwortung in Frage kommen, gehören Gesetze, Regelwerke und die sie auslegende Rechtsprechung, aber auch Verträge und sicherheitsrelevante Herstellervorschriften. Diese Perspektive erscheint sinnvoll, weil darauf konkrete Auswertungen, Regelwerksverfolgungen und Leistungsnachweise abgestimmt werden können. Insbesondere auf diese Perspektive hat Rödl & Partner mit der Entwicklung des Regelwerks-Informationssystems REG-IS reagiert, das einen wesentlichen Teil, nämlich Gesetze und Regelwerke, strukturiert und auswertbar macht.
  
Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass der Begriff „Betreiberverantwortung” sowohl Anforderungen der Anlagen und Gebäudesicherheit, z. B. im Bereich der TGA als auch die klassische Verkehrssicherung im Sinne der Räum- und Streupflicht, Absturzsicherung, etc. umfasst, aber auch Teile der Anforderungen aus der Arbeitssicherheit. Für die Konkretisierung und nachfolgend die Beherrschung dieser Anforderungen eignen sich im Einzelfall verschiedene Perspektiven, die vielfach miteinander kombiniert werden sollten.
 
Insbesondere im Bereich der Anlagensicherheit sollten dabei allerdings nicht nur die Anforderungen aus dem Gesetz und dem konkretisierenden Regelwerk in die Überlegungen einbezogen werden, sondern auch sicherheitsrelevante Anforderungen von Herstellern. Besonders bei komplexen und älteren Anlagen stellt dies regelmäßig eine Herausforderung dar, weil die notwendigen Unterlagen oft unauffindbar sind.
 
Und schließlich kommt der Vertragsgestaltung insoweit besondere Bedeutung zu, weil dabei den individuellen Vorstellungen der beteiligten Parteien – zugeschnitten auf den Einzelfall – Rechnung getragen werden kann.
  
Je häufiger in Delegationsketten der Begriff der Betreiberverantwortung bzw. der in Praxis und Rechtsprechung nach wie vor gängigere Begriff der Verkehrssicherungspflichten eingesetzt wird, desto wichtiger wird ein konkretes und einheitliches Verständnis, was darunter zu verstehen ist. Da wir uns insoweit in einem technisch geprägten Umfeld bewegen, wäre es wünschenswert, dass bei der juristischen Diskussion der Fragestellung immer die praktische Bedeutung und die Tatsache berücksichtigt werden, dass das Begriffsverständnis in diesen Fragen je nach fachlichem Schwerpunkt sehr unterschiedlich sein kann. Wenn der praktischen Umsetzung und damit dem ursprünglichen Ziel der Diskussion über die Wahrnehmung der Betreiberverantwortung gedient sein soll, muss dieser Blick über den Tellerrand immer gewährleistet bleiben.
 

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zuletzt aktualisiert am 31.05.2019
 

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