Grunderwerbsteuerliche Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen

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Bei Grundstück- bzw. Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften ist besondere Vorsicht geboten, da solche Erwerbsvorgänge aufgrund der Komplexität der Gesetzesregelungen, die auch durch die derzeit beabsichtige Grunderwerbsteuerreform bei Share Deals, nicht selten eine Grunderwerbsteuer auslösen. Daher ist es begrüßenswert, dass der Gesetzgeber mit § 16 GrEStG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, grunderwerbsteuerschädliche Erwerbsvorgänge innerhalb von 2 Jahren wieder rückgängig zu machen. Aber auch bei einer solchen Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen bestehen Risiken, denn ein Anspruch auf Aufhebung, Nichtfestsetzung oder Änderung eines Grunderwerbsteuerbescheids besteht nur, wenn keine Verletzung der Anzeigepflichten nach §§ 18 und 19 GrEStG vorliegt. Gerade die rechtzeitige Anzeige einer Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG oder des Übergangs vereinigter Anteile oder die Vereinigung von Anteilen an einer Grundbesitzgesellschaft in einer Hand gemäß § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG durch den Steuerpflichtigen erfolgt in der Praxis oft nicht oder wird nicht an das zuständige Finanzamt adressiert. 
 
Die sich für den Steuerpflichtigen ergebenden Steuerrisiken werden in der aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Mai 2019 (Az. II R 24/16) anschaulich aufgezeigt. Wird ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG (Tatbestand der Anteilsvereinigung liegt vor) zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, wird der Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen.
 
Im Streitfall erwarb der Klä­ger am 8. Juli 2011 mit nota­ri­ell beur­kun­de­tem Ver­trag weitere Anteile an einer grund­be­sit­zen­den GmbH hinzu, an der er bereits betei­ligt war. Der beur­kun­dende Notar über­sandte jeweils eine Abschrift des beur­kun­de­ten Ver­tra­ges am 18. Juli 2011 einem im Bun­des­land X gele­ge­nen Finanz­amt A – Grun­d­er­werb­steu­er­s­telle – für die in des­sen Bezirk bele­ge­nen Grund­stü­cke der GmbH und einem im Bun­des­land Y gele­ge­nen Finanz­amt B – Grun­d­er­werb­steu­er­s­telle – für die in des­sen Bezirk bele­ge­nen Grund­stü­cke der GmbH.

Das Finanz­amt A wandte sich am 21. September 2011 an das beklagte Finanz­amt und bat um eine geson­derte Fest­stel­lung nach § 17 GrEStG für den in der Mit­tei­lung vom 18. Juli 2011 bezeich­ne­ten Grund­be­sitz. Nach einer Außen­prü­fung gelangte das beklagte Finanz­amt zu der Erkennt­nis, dass der Kläger durch den Zuerwerb der Anteile am 8.7.2011 den Grunderwerbsteuertat­be­stand der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) erfüllt hatte und es als sog. „Geschäftsleitungs-Finanzamt” allein für die Erstel­lung des Fest­stel­lungs­be­scheids zuständig sei (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG). Mit Bescheid vom 15. März 2013 stellte das Geschäftsleitungs-Finanzamt für den Erwerb der Grund­stü­cke auf­grund der Anteils­ve­r­ei­ni­gung vom 8. Juli 2011 die Besteue­rungs­grund­la­gen gem. § 17 GrEStG geson­dert fest.

Der Klä­ger hatte gegen den Grunderwerbsteuerbescheid bezüglich der Anteilsvereinigung Einspruch eingelegt. Er war der Ansicht, dass der mit nota­ri­ell beur­kun­de­tem Ver­trag vom 27. November 2012 erfolgte teilweise Rücker­werb von zuvor erworbenen Anteilen an der grundbesitzenden GmbH an den ursprünglichen Veräußerer der Tatbestand der Anteilsvereinigung nicht mehr erfüllt sei. Das Geschäftsleitungs-FA hatte mit Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2014 den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Rückgängigmachung des Erwerbvorgangs nach § 16 Abs. 5 GrEStG nicht erfolgen konnte, da der Notar mit den Anzeigen der Anteilsübertragungen bei den anderen, nicht zuständigen Finanzämtern, in deren Bezirk sich die Grundstücke der GmbH befunden hatten, der ordnungsgemäßen Anzeigepflicht gemäß § 16 GrEStG nicht nachgekommen war. 
 
Das Finanzgericht gab der hier­ge­gen gerich­te­ten Klage des Klägers statt. Das Finanzamt hat zu Unrecht die Auf­he­bung des Steuerbescheids aufgrund der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs ausgeschlossen.
 
Der BFH kommt im Rahmen der Revision zu dem Ergebnis, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG). Wird ein Erwerbs­vor­gang (hier: Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG) zwar inn­er­halb von zwei Jah­ren seit der Ent­ste­hung der Steuer rück­gän­gig gemacht, war er aber nicht ord­nungs­ge­mäß ange­zeigt wor­den, sch­ließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nicht­fest­set­zung der Steuer oder Auf­he­bung der Steu­er­fest­set­zung aus. Die Anzeigepflichten sind grundsätzlich innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu erfüllen (§ 19 Abs. 3 GrEStG). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl den Steuerschuldner (§ 18 GrEStG) als auch den Notar (§ 18 GrEStG) trifft, reicht es für eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs aus, wenn einer der Anzeigepflichtigen seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt. Im vorliegenden Streitfall sind die Anzeigen an das für die Besteuerung zuständige Finanzamt zu richten. Zudem muss die Anzeige grundsätzlich an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts übermittelt werden.
 
Weder der Klä­ger noch der Notar hat­ten dem für die geson­derte Fest­stel­lung zustän­di­gen Finanz­amt die Anteils­ve­r­ei­ni­gung recht­zei­tig ange­zeigt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG war das beklagte Finanz­amt für die geson­derte Fest­stel­lung zustän­dig, denn in des­sen für die Ver­wal­tung der Grun­d­er­werb­steuer maß­geb­li­chem Zustän­dig­keits­be­reich lag im Zeit­punkt der Anteils­ve­r­ei­ni­gung die Geschäfts­lei­tung der Gesell­schaft. Die Anzeige gegen­über den Finanz­äm­tern, in deren Bezirk die Grund­stü­cke bele­gen sind, reichte zur Erfül­lung der Anzei­gepf­licht nicht aus, denn diese waren nicht für die geson­derte Fest­stel­lung zustän­dig. 
 
Das BFH-Urteil unterstreicht zum einen die Bedeutung von ordnungsgemäßen Anzeigepflichten für die erfolgreiche Rückgängigmachung von schädlichen Erwerbsvorgängen. Zum anderen zeigt der Streitfall, dass sich der Steuerpflichtige nicht darauf verlassen kann, dass der beurkundende Notar seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt. Im Hinblick auf die nicht unerheblich hohen Grunderwerbsteuerbeträge sollte der Steuerpflichtige nachprüfen, ob die Anzeige korrekt erfolgte. Gerade bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen oder Organschaften kann die Feststellung des zuständigen Finanzamtes aufwendig sein.

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Frank Dißmann

Diplom-Kaufmann, Steuerberater

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