Bifacial PV ... und wer ist Albedo?

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​Doppelseitig photovoltaisch aktive Module bieten neben dem Potenzial zu geringeren Stromgestehungskosten auch neue Installations- und Vermarktungsmöglichkeiten. Zusätzliche Erträge und erhöhte Leistungsdichten sind die naheliegenden Vorteile. Zudem bieten vertikal aufgestellte bifaziale Module in Zeiten, in denen der Strom ohne EEG-Förderung vermarktet werden muss, durch das besondere Erzeugungsprofil Strompreisvorteile und können neue Flächen erschließbar machen.

 

Grundsätzliches

Vom Prinzip her sind bifaziale Photovoltaik (PV)-Module nichts anderes als PV-Module, deren vollflächiger Rückkontakt durch einen Fingerprint-Kontakt ersetzt wurde. Auf diese Weise ist es möglich, dass auch Einstrahlung, die auf der Rückseite eintrifft, zur Stromerzeugung beiträgt. Wie groß die Einstrahlung auf der Rückseite ist, hängt in erster Linie von dem Rückstrahlvermögen der Umgebung und der Installationsart der Module ab. Dieser sogenannte Albedo-Wert gibt an, welcher Anteil der einfallenden Strahlung reflektiert wird. Beispielsweise beträgt der Albedo ca. 10 Prozent bei hochstehender Sonne über tiefem Wasser, 10 bis 30 Prozent bei Wiesen und bis hin zu 75 bis 95 Prozent bei Neuschnee.1 Der Albedo der Umgebung ist eine wesentliche Einflussgröße auf den Mehrertrag (siehe Abbildung 2). Ein weiterer Faktor ist die sog. Bifazialität, die die Qualität der Rückseite hinsichtlich Stromerzeugung im Vergleich zur Vorderseite ausdrückt. Bifaziale Module haben heutzutage normalerweise eine Bifazialität zwischen 70 und 95 Prozent. Eine Bifazialität von 95 Prozent bedeutet beispielsweise, dass bei gleichen Bedingungen die Rückseite nur 95 Prozent der Vorderseitenleistung generiert. Worauf es letzten Endes ankommt, ist jedoch der Mehrertrag und hier sind grundsätzlich an guten Standorten unter idealen Installationsbedingungen (hoher Albedo bspw. Schnee oder heller Dachuntergrund, ideale Ausrichtung, keine Verschattung) pro Jahr zwischen 30 und 50 Prozent möglich.3 In Deutschland ist jedoch, je nach Systemdesign und Untergrund, eher mit jährlichen Mehrerträgen zwischen 5 und 15 Prozent zu rechnen.

 

Innovative System-Designs

Das Besondere an den bifazialen Modulen ist, neben den zusätzlichen Erträgen der Rückseite, dass
mit dieser Modulart auch weitere Installationsmöglichkeiten denkbar werden. Die mit Sicherheit radikalste Veränderung zum bisherigen Standard ist die vertikale Installation. Diese erfolgt oft in Ost-West-Orientierung der Modulflächen. Daraus ergeben sich zwei wesentliche Unterschiede zum herkömmlichen Layout.

Grafiken-Bifacial1.png

Abb. 1: Grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Mehrertrag und Albedo

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Abb. 2: Standard vs. vertikale Installation: Erzeugungsprofil und Sportmarktpreise am 26.5.2017; Quelle: Next2Sun

 

Zum einen verändert sich das Produktionsprofil. Anstatt eines einzigen Mittagsmaximums werden nun zwei Peaks erzeugt: einer am Vormittag und einer am Nachmittag, wobei die Produktion über Mittag trotzdem vergleichsweise hoch bleibt. Neben der Tatsache, dass in den wenigen Vergleichsanlagen Mehrerträge zwischen 5 und 10 Prozent erzielt werden, ist der eigentliche Vorzug, dass nun mehr Strom bei tendenziell höheren Spotmarktpreisen erzeugt wird. International und in Deutschland kann beobachtet werden, dass Anlagen zunehmend ohne EEG-Förderung geplant bzw. gebaut werden.4 Bei diesen Anlagen wird der zukünftige Börsenstrompreis eine wichtige Rolle bei den Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen spielen. Die Möglichkeit, dem sog. „Kannibalisierungseffekt” (sprich der Absenkung des Mittags-Peakpreises bis hin zu Negativpreisen) der PV-Anlagen zu entgehen, kann ein entscheidender Faktor werden. Die Analyse des spanischen Strommarktes führt die Brisanz dieser Strompreisproblematik nochmal deutlich vor Augen.5


Der zweite wesentliche Unterschied ist die Änderung der Flächennutzung. Vertikal aufgestellte bifaziale Module benötigen zur Vermeidung von unverhältnismäßigen Selbstverschattungen einen deutlich größeren Reihenabstand im Vergleich zur herkömmlichen Aufstellungsart. Dies hat zum einen geringere Flächennutzungsgrade zur Folge, zum anderen bedingt sich genau durch den größeren Reihenabstand, dass die Flächen zumindest mit gewissen Einschränkungen landwirtschaftlich nutzbar bleiben. Schlussendlich bedeutet das Erhalten der landwirtschaftlichen Ertragsfähigkeit die Möglichkeit, die Pachtkosten im Vergleich zu einer konventionellen Anlage zu senken und somit der anschwellenden Frage zum Flächenverbrauch ein innovatives Kooperationsmodell entgegenzusetzen. Da Projektentwickler normalerweise eher auf die maximal installierte Leistung im Sinne einer Margenoptimierung bei Verkauf der Anlagen abzielen, wird dieses Konzept vor allem für Energieversorger interessant sein. Auf diese Weise können bestehende Vorbehalte hinsichtlich Flächenverbrauch aus der Bevölkerung ausgeräumt werden. Interessant erscheint hier das Konzept mit landwirtschaftlichen Betrieben zu kooperieren, die z.B. im Osten Deutschlands über große zusammenhängende Flächen verfügen.

 

Ein weiterer Vorteil der vertikalen Aufstellung ist, dass Verluste durch Schnee auf den Modulflächen minimiert
werden. Zudem sind – ersten Studien nach zu urteilen– die Verluste durch Verschmutzung deutlich geringer (in Wüstengegenden relevant).6 Die Eignung der bifazialen Module für gewisse Anlagentypen ist neben der Doppelseitigkeit auch bedingt durch die Transparenz der Glas-Glas-Konstruktion. Somit eignen sie sich insbesondere für die Installation in Car-Ports, Lärmschutzwänden, als Gebäudeelemente, Floating-PV 7 und die oben genannte Agro-PV.

 

Kosten- und Erlösstruktur

Zwecks der Vergleichbarkeit wird nun zur Analyse der Kosten- und Erlösstruktur das Standarddesign von optimal geneigten, südausgerichteten PV-Anlagen herangezogen. Hierbei wird der aufmerksame Leser schon geschlussfolgert haben, dass bei Installation von bifazialen Modulen durch den höheren spezifischen Ertrag weniger Module installiert werden müssen. Das wirkt sich senkend auf die Installations-, auf die Unterkonstruktions- (BoS) und die Pachtkosten aus. Dagegen stehen höhere Modulpreise von aktuell ca. 10 Prozent, die sich aber auch langfristig angleichen könnten. Grund dafür ist, dass der Herstellungsprozess sehr ähnlich zu dem der herkömmlichen Module ist. Aktuell sind die globalen Produktionskapazitäten lediglich eher auf monofaziale Module ausgelegt. Daher hat sich bei den bifazialen Modulen die Preissenkung durch Skaleneffekte noch nicht so stark ausgewirkt.

 

Parameter, Vergleich ausgehend von Standard-Installation8

​gleiche installierte Leistung​gleiche erzeugte Energiemenge
​installierte Leistung (STC, Vorderseite)​=
​installierte Module​=
​Modulpreis​↑ ca. 10 %​

​=

​Kosten Wechselrichter, Absicherung

​=
​Kosten Unterkonstruktion​=
​Kosten DC-Installation​=
​Pachtkosten​=
​Jahresertrag​↑ ca. 5 % - 15 %​=

 

Die Prüfung jedoch, welcher Modultyp bzw. welche Installationsart gewählt werden sollte, muss im Einzelfall erfolgen. Wird der Strom außerhalb des EEG vermarktet, ist zusätzlich zur Ermittlung der Stromgestehungskosten eine langfristige Strompreisprognose zur Wertermittlung des erzeugten Stroms sinnvoll.

 

Bei der vertikalen Aufstellung der bifazialen Modulen ergeben sich ca. 10 bis 20 Prozent höhere spezifische Investitionskosten sowie in etwa doppelt so hohe spezifische Pachtkosten aufgrund des höheren Flächenbedarfs. Bei den Pachtkosten sind je nach landwirtschaftlicher Eignung bzw. Weiternutzbarkeit Kostensenkungen möglich. Dagegen stehen die erhöhten Erträge von ca. 5 bis 10 Prozent sowie die höheren Erlöse durch Stromverkauf zu Zeiten höherer Strompreise. Zudem ist durch die Verwendung von Glas-Glas-Modulen von einer höheren Lebensdauer auszugehen.9

 

Positive Prognose für bifazialen Marktanteil 

Es wird davon ausgegangen, dass bifaziale Module global immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Prognosen reichen von 20 Prozent in 2022 10 bis 40 Prozent bis 2025.11 Neben der Preisdifferenz birgt die Tatsache, dass die standard testing conditions (STC)-Frage noch nicht final gelöst wurde, Schwierigkeiten. Weitere Fragestellungen betreffen unter anderem die Reinigung der Rückseite und Hotspots durch die Unterkonstruktion. Positiv zu sehen ist, dass sich die Lieferzeiten für bifaziale Module normalisiert haben und die Ertragssimulation auch verlässliche Werte liefert.


Fazit: Bifaziale PV-Anlagen mit neuen Anlagedesigns und Business-Cases

Doppelseitige PV-Module erzeugen über eine photovoltaisch aktive Rückseite, durch das Rückstrahlvermögen der Umgebung auf derselben Modulfläche, mehr Energie. Das führt bei gleichbleibenden Installations- und Unterkonstruktionskosten zu einem erhöhten Ertrag, der in der Regel die Mehrkosten der bifazialen Module übersteigt. Zusätzlich sind bifaziale Module prädestiniert für den Einsatz in Lärmschutzwänden, Floating-PV-Anlagen und vertikal installierten PV-Anlagen. Da man bei vertikal installierten Anlagen die Fläche weiterhin landwirtschaftlich nutzen kann, umgeht man so die Kontroverse um Flächenverbrauch12 und verbessert die Chancen auf eine Genehmigung. Gleichzeitig verspricht das Produktionsprofil dieses Anlagentyps erhöhte Erlöse an der Strombörse, was speziell bei Anlagen außerhalb der EEG-Förderung interessant ist. Grundsätzlich ist daher in jedem Fall zu empfehlen, bifaziale PV-Module und die vertikale Aufstellung ebendieser bei zukünftigen Projekten in Betracht zu ziehen.

 

 

1 Dobos, E. (1996) ‘Albedo’, Engineering (London), 237(7), p. 21. doi: 10.1081/E-ESS
2 Dupeyrat et al., 2014; Investigations on albedo dependency of bifacial PV yield
3 Guo, S., Walsh, T. M. and Peters, M. (2013) ‘Vertically mounted bifacial photovoltaic modules: A global analysis’, Energy, 61, pp. 447–454. doi: 10.1016/j.energy.2013.08.040 Yusufoglu, U. A., Pletzer, T. M., Koduvelikulathu, L. J., Comparotto, C., Kopecek, R. and Kurz, H. (2015a) ‘Analysis of the annual performance of bifacial modules and optimization methods’, IEEE Journal of Photovoltaics, 5(1), pp. 320–328. doi: 10.1109/JPHOTOV.2014.2364406 Shoukry, I. (2015) Bifacial Modules – Simulation and Experiment. University of Stuttgart

4 https://www.pv-magazine.de/2019/03/04/enbw-plant-photovoltaik-anlagen-mit-400-megawatt-ohne-foerderung-in-deutschland/
5 https://www.pv-magazine.de/2019/03/01/

6 Rabanal-Arabach, J., Mrcarica, M., Schneider, A., Kopecek, R. and Heckmann, M. (2016) ‘The Need of Frameless Mounting Structures for Vertical Mounting of Bifacial PV Modules’, in 32nd EU PVSEC
7 „Floating PV– Schwimmende Photovoltaikanlagen als neuer Trend” (EnEws: Ausgabe Februar 2019)
8 Angelehnt an PV Magazin Webinar am 25.10.2018; Slides abrufbar unter: https://www.pv-magazine.com/
9 Next2Sun
10 International Technology Roadmap for Photovoltaic (ITRPV), March 2019 [Daten für “true bifacial”]
11 https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-05-17/watch-out-for-double-sided-solar-panels-taking-off-in-china

12 https://www.pv-magazine.de/2019/03/04/fdp-politiker-photovoltaik-anlagen-in-unseren-regionen-sind-verbrechen-an-der-menschheit/

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Michael Rogoll

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