Windenergie und das Dilemma der Akzeptanz

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veröffentlicht am 01. September 2020

 

Vor dem Hintergrund signifikant gesunkener Zubauzahlen von Windenergieanlagen an Land in den Jahren 2018 und 2019, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in dem neue Instrumente zur Verbesserung der Akzeptanz von Windenergieanlagen durch eine finanzielle Beteiligung von Kommunen und Bürgern vorgestellt werden. Windparkbetreiber sollen demnach für jede neue Windenergieanlage ab 2021 insbesondere eine Pflichtabgabe an Standortkommunen in Höhe von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde entrichten.


„Onshore-Windkraft weiter unter Plan, Solar überzeichnet“ – „Negativrekord beim Bau neuer Windräder“ – „Wind an Land: Unterzeichnung wird zum Dauerzustand“. Diese Schlagzeilen sind nur ein kleiner Ausschnitt von Meldungen aus der jüngeren Vergangenheit über die schleppende Entwicklung der Windenergie an Land. Fast zeitgleich mit der Einführung des EEG-Ausschreibungsverfahrens für Windenergie an Land kam es im Jahr 2018 zu einem signifikanten Einbruch der Brutto-Zubauzahlen von 5.333 MW im Jahr 2017 auf 2.402 MW. Das vergangene Jahr 2019 war mit einem Bruttozubau von lediglich 1.078 MW das mit Abstand zubauschwächste Jahr seit Einführung des EEGs. Mit Blick auf die Erreichung der klimapolitischen Ziele müsste jedoch ein Nettozubau – also bereits unter Berücksichtigung des Rückbaus bestehender Anlagen – von mindestens 3.800 MW pro Jahr bzw. nach heutigen Maßstäben etwa 2,5 Windenergieanlagen pro Tag realisiert werden.

 

 

   

 

 

Verfolgt man die Situation der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) durchgeführten Ausschreibungen für Erneuerbare Energien, so ist im Bereich Windenergie an Land schnell ein deutliches Missverhältnis zwischen ausgeschriebener und angebotener Leistung erkennbar. In den vergangenen 14 Ausschreibungsrunden wurde die ausgeschriebene Leistung lediglich in 3 Runden überzeichnet. In den restlichen 11 Ausschreibungen lag größtenteils eine deutliche Unterzeichnung vor.

 

 

Abbildung 2: Ergebnis Onshore-Ausschreibungen

 

 

Ungeachtet der 3 Ausreißer im Februar und August 2018 sowie Dezember 2019 wurden im Durchschnitt lediglich rund 56 Prozent der ausgeschriebenen Leistung durch Gebote gedeckt. Zugleich zeigen die Ausschreibungsergebnisse, dass – bis auf wenige Ausnahmen – nahezu alle Gebote einen Zuschlag erhielten. Als logische Konsequenz folgte, dass sich der mengengewichtete Angebotswert in Cent pro kWh an dem von der BNetzA festgeschriebenen maximal zulässigen Angebotswert orientiert und insbesondere seit Ende 2018 nahezu konstant ist.
 
Doch wie kommt es zu dieser Entwicklung? Als einer der wesentlichen Gründe wurde die fehlende Akzeptanz von Teilen der Bevölkerung in Standortkommunen ausgemacht, die selbstverständlich auch an politischen Entscheidungsträgern nicht spurlos vorbeigehen kann. Sowohl gesundheitliche Bedenken aufgrund von Schatten- oder Schallemissionen, als auch ungewollte Veränderungen des Landschaftsbildes oder befürchtete negative Auswirkungen auf Flora und Fauna sind die Hauptgründe für die Ablehnung von Windkraftgegnern. Vor diesem Hintergrund wurde bereits mit der Einführung sog. Bürgerenergiegesellschaften (BEG) im Rahmen des EEG-Ausschreibungsverfahrens der Bevölkerung und auch Kommunen eine Beteiligung an regionalen Windprojekten ermöglicht. Die Privilegien von BEG waren bekanntermaßen eine Fehlkonstruktion und wurden mittlerweile wieder abgeschafft.

 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlichte nunmehr im Mai ein Eckpunktepapier mit dem Titel „Finanzielle Beteiligung von Kommunen und Bürgern am Betrieb von Windenergieanlagen“. In dem Papier werden 2 Instrumente, namentlich das kommunale Beteiligungsinstrument und das Bürgerbeteiligungsinstrument vorgestellt. Beide Instrumente sollen in der kommenden Novelle des EEGs umgesetzt werden. Ziel sei es, „die Akzeptanz von Windenergieanlagen vor Ort zu erhöhen“.

 

Im Kontext des kommunalen Beteiligungsinstruments ist vorgesehen, eine verpflichtende Zahlung an die Standortkommunen von Windenergieanlagen einzuführen. Diese Verpflichtung soll insbesondere solche Windenergieanlagen betreffen, die ab dem Jahr 2021 einen Zuschlag bei einer Ausschreibung erhalten. Darüber hinaus werden Pilotwindanlagen in die Pflicht einbezogen, die ab 2021 in Betrieb genommen werden. Die Dauer der Zahlungsverpflichtung wird an den Vergütungsanspruch gemäß EEG geknüpft. Die Höhe der Zahlung soll sich an dem erzeugten Stromertrag der Windenergieanlagen orientieren. Dabei wird beabsichtigt, eine feste Pflichtabgabe in Höhe von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde festzulegen. Beim heutigen Stand der Technik kommen so schnell Zahlungen von 30.000 Euro pro Windenergieanlage und Jahr zusammen. Aufwendungen in dieser Höhe würden nach Pacht- und Wartungskosten voraussichtlich die drittgrößte Betriebskostenposition darstellen. Die Pflichtabgabe soll als einseitige Zuwendung ohne Gegenleistung entrichtet werden – also keiner Zweckbindung für z. B. akzeptanzfördernde Maßnahmen unterliegen und muss vom Anlagenbetreiber gegenüber dem zuständigen Netzbetreiber nachgewiesen werden. Die Höhe der Zahlung wird vermutlich auf Basis der gemessenen Einspeisung am Netzverknüpfungspunkt ermittelt. Sofern der Auszahlungsverpflichtung seitens des Windparkbetreibers nicht nachgekommen wird, erfolgt eine Sanktionierung des EEG-Vergütungsanspruchs um 0,25 Cent pro Kilowattstunde.

 

Das Bürgerbeteiligungsinstrument sieht ferner vor, dass Windparkbetreiber den Bewohnern der Standortkommunen darüber hinaus optional einen Bürgerstromtarif anbieten können, der maximal 90 Prozent des örtlichen Grundversorgertarifs betragen darf. Ähnliche Regelungen sind bereits aus dem Mieterstromgesetz bekannt. Zugleich wird ein Mechanismus vorgesehen, der bei einer Abschlussquote von mindestens 80 vergünstigten Stromtarifen eine Reduzierung der verpflichteten Mindestzahlung an die Standortkommune auf 0,1 Cent pro eingespeister kWh vorsieht. Dies soll den Anreiz schaffen, ein möglichst attraktives Stromprodukt in der Region eines Windparkstandortes zu integrieren.

 

Grundsätzlich sind Instrumente zur Erhöhung der Akzeptanz von Windenergieanlagen in Anbetracht des sehr schwachen Zubaus der letzten Jahre zu begrüßen. Eine risikolose Einnahme – in nicht unwesentlicher Höhe – dürfte auch die ein oder andere Kommune überzeugen oder ggf. umstimmen. Aus vielen von uns begleiteten, erfolgreichen Kooperationen zwischen Anlagenbetreibern und Kommunen wissen wir jedoch, dass auch heute schon sehr gute Möglichkeiten zur kommunalen Teilhabe an Windprojekten mit noch deutlich höherer Wertschöpfung gegeben sind. Eine Pflichtabgabe dürfte für diese weitergehenden Angebote von Anlagenbetreibern an Kommunen eher kontraproduktiv sein.

 

Wesentlich unattraktiver erscheint doch für alle Seiten das geplante Bürgerbeteiligungsinstrument. Kaum ein passionierter Windkraftgegner wird sich durch einen etwas vergünstigten Stromtarif – höhere Einsparungen als 50 bis 100 Euro pro Jahr und Haushalt dürften kaum zu erwarten sein – oder gar eine kommunale Pflichtzahlung von seinen Idealen abbringen lassen. Auch freiwillig eingeräumte Beteiligungsmöglichkeiten wurden in der Vergangenheit von Windkraftgegnern meist nicht in Anspruch genommen. Einen entsprechend bescheidenen Beitrag zur Zielerreichung der Akzeptanzerhöhung wird dieses geplante Instrument bringen.

 

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