Das Lieferkettengesetz – wie sich Unternehmen nun vorbereiten können

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veröffentlicht am 29. Oktober 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

von José A. Campos Nave und Clemens Bauer

   
Am 11. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ verabschiedet, besser bekannt als „Lieferkettengesetz“. Unternehmen stehen nun in der Pflicht, Menschenrechts­verletzungen und Nachhaltigkeitsrisiken in der Wertschöpfungskette zu verhindern. Das betrifft auch kleine und mittlere Unternehmen. Die Ansätze in der Praxis sind vielfältig.

  

 

 

Herausforderung Lieferkette

Lieferketten stellen Unternehmen aktuell vor viele Herausforderungen. Lieferengpässe bei Rohstoffen, Materialverteuerung und Lieferverzögerungen auf dem Weltmarkt treffen alle Unternehmen, insbesondere in der stark von globaler Arbeitsteilung geprägten deutschen Industrie. Daneben droht das Lieferkettengesetz zu einer massiven Belastung für Unternehmen zu werden. Das Gesetz soll ab dem Jahr 2023 Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen und Nachhaltigkeitsrisiken in der Wertschöpfungskette verhindern.

Ausruhen geht nicht – auch Unternehmen, die unter die vorgesehene Schwelle an Arbeitnehmern fallen, müssen sich damit beschäftigen, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihr Kerngeschäft zu integrieren. Zwar sieht der Gesetzgeber vor, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes nur Unternehmen mit mehr als 3.000 (2023) bzw. 1.000 Mitarbeiter (2024) unmittelbar verpflichtet werden. Allerdings verlangen Kunden und Zulieferer zunehmend, dass auch nachgelagerte kleine und mittlere (Zulieferer-)Betriebe Risiken in ihrer Lieferkette identifizieren und reduzieren. Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit wird zu einem wesentlichen Bestandteil der Vertrags- und Geschäftsbedingungen.
  

Anknüpfung an das Compliance Management

Während große Unternehmen Umwelt- und Sozialthemen häufig bereits in bestehende Compliancesysteme integriert haben, stellt sich für alle übrigen die Frage, wie die Anforderungen des Gesetzes in die Unternehmensprozesse integriert werden können. Der deutsche Gesetzgeber hat die Kernpunkte des neuen Gesetzes festgelegt, eine „Best Practice“ zur Sicherstellung der Standards fehlt bislang.
 
Vorreiter bei Lieferkettengesetzen in Europa sind u.a. die Franzosen mit dem „Loi relative au devoir de Vigilance” aus dem Jahr 2017. Insbesondere die geplante Einführung eines einheitlichen Europäischen Lieferkettengesetzes und die damit verbundene Harmonisierung des Rechts erlaubt einen Seitenblick, wie die Komplexität der Durchsetzung von Menschenrechten in anderen Staaten bislang geregelt wurde.
  
Übersicht zu den Vorgaben des französischen Verbands der Privatunternehmen (AFEP):
  

Identifikation der tatsächlichen oder potenziellen Risiken

  • Identifizierung und Bewertung der Risiken
  • Priorisierung der Risiken
  • Einbeziehung der Betroffenen in die Risikoermittlung und -bewertung

 

Einrichtung eines Systems zur Vorbeugung und Abmilderung negativer Auswirkungen

  • Schaffung einer angemessenen Corporate Governance
  • Einsatz von internen Instrumenten und Verfahren
  • Einsatz von externen Instrumenten und Verfahren

   

Umgang mit negativen Auswirkungen

  • Vorbereitung von Abhilfemaßnahmen
  • Festlegung geeigneter Abhilfeprozesse
  • Festlegung geeigneter Abhilfemaßnahmen

 

Bericht über durchgeführte Sorgfaltspflichtmassnahmen

   
Alle diese Aspekte bilden Anknüpfungspunkte für die Frage, wie effektiver Menschenrechtsschutz im Einzelfall gewährleistet werden kann. In der Praxis müssen Unternehmen die entsprechenden Strukturen schaffen und Nachhaltigkeitsziele systematisch in den Unternehmensalltag integrieren. Die Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf die Einführung des Lieferkettengesetzes sind entsprechend vielfältig. Das Engagement der Unternehmen findet neben dem Bereich Zulieferketten und Produktentwicklung dabei wesentliche Präferenz auf der Ebene der Rohstoffe und der Einbindung der Angestellten und Geschäftspartner.
 

Nachhaltigkeit als Bestandteil der Unternehmenskultur

Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem „Tone from the Top“ zu, mithin dem Bekenntnis der Geschäftsleitung zu globalen Lieferketten ohne negative Menschenrechts- und Umweltauswirkungen. Die interne Verantwortlichkeit für das Nachhaltigkeitsmanagement muss klar definiert und strategisch in der Geschäftsführung verankert werden. Denkbar ist die Gründung eines Nachhaltigkeitsrates oder von Beratergremien im Bereich Umwelt und Soziales.

Die Praxis zeigt, dass Nachhaltigkeit immer häufiger auch als Wachstumstreiber verstanden wird. So spielen Nachhaltigkeitskonzepte eine Rolle bei der Vergütung von Mitarbeitern. Vorreiter dieses Systems finden sich beispielsweise bei DAX-Unternehmen oder in der Finanzbranche.
  

Transparenz wird zum Geschäftsmodell

Am Beginn von Lieferketten steht in der Regel die Rohstoffproduktion. Für Unternehmen, deren Produkte zentral von Rohstoffen abhängig sind, kommt folglich die Begrenzung von Risikofaktoren auf dieser Ebene besondere Bedeutung zu. So veröffentlicht beispielsweise ein schwedisches Modelabel relevante Informationen und Umweltkennzahlen öffentlich. Auf diese Weise wird u.a. versucht, die Herkunft der Baumwolle nachzuverfolgen und Kinder- und Zwangsarbeit auszuschließen, die für viele Konsumenten ein täglicher Begleiter sind. Da der Rohstoff Baumwolle häufig über Baumwollauktionen und nicht nach dem Single-Origin-Prinzip verkauft wird, stellt die Initiative ein beachtliches, aber auch komplexes Vorhaben dar.

Ein führender Schweizer Hersteller von Schokoladen- und Kakaoprodukten hat sich ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt und alle mit dem Unternehmen verbundene Kakaoproduzenten vor Ort besucht. Erzeuger, die unter Mithilfe von Kindern die Plantage bewirtschaftet haben, wurden in Folge für den Schulbesuch bezahlt. Diese mitunter kreativen Ansätze stoßen in der Praxis durch die hohe Anzahl an Zulieferer häufig an ihre Grenzen – ein Umstand, den insbesondere die großen Industrieverbände kritisieren, denn die Tiefe der Lieferkette bei großen Unternehmen kann uferlos sein. Ferner stellt die Kontrolle der Produktionsbedingungen in Drittländern für kleine und mittlere Unternehmen ein praktisch nicht umsetzbarer Aufwand dar.

Der Gesetzgeber hat diesen Umstand berücksichtigt, indem er die Sorgfaltspflichten primär auf den eigenen Geschäftsbereich und direkte Zulieferer erstreckt und sie im Übrigen nach der Risikowahrscheinlichkeit abgestuft hat. Entscheidend ist jedoch, dass Unternehmen nicht nur bei Kenntnis über mögliche Rechtsverletzungen tätig werden müssen. Ihnen wurde vielmehr generell eine Bemühenspflicht zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und Nachhaltigkeitsrisiken in der Wertschöpfungskette auferlegt, die in der Praxis nur durch ein umfassendes Compliance Management System erfüllt werden kann.

Umfassendes und systematisches Risikomanagement muss sich vor diesem Hintergrund an allgemein anerkannten Standards orientieren. Hilfe bieten formelle Nachhaltigkeitsmanagementsysteme wie ISO-Zertifikate und Scorings oder Softwarelösungen für das digitale Supply Chain Management. Rödl & Partner unterstützt Sie gerne bei der Einrichtung eines effektiven Lieferketten-Compliance-Management-Systems in Deutschland und mit über 106 eigenen Niederlassungen in 48 Ländern.

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