Transport von A nach B? Wie Chinas Investitionen das Gesicht der Logistikbranche verändern

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Alibaba in München oder Logicor-Kauf in Großbritannien: So sieht die neue Logistikwelt aus

 
veröffentlicht am 5. Juli 2018
 
​Chinesische Investoren übernehmen am laufenden Band deutsche Unternehmen und die Summen, die zum Teil fließen, lassen aufhorchen. In vielen Branchen – wie Transport und Logistik – herrscht Unruhe und Unsicherheit. Doch steht ein Ausverkauf der deutschen Wirtschaft wirklich bevor?
 

 

Rückblick

Die chinesischen M&A-Aktivitäten in Deutschland bewegten sich im vergangenen Jahr auf einem vergleichbar hohen Niveau wie 2016. Zwar hat sich die Anzahl der chinesischen Firmenkäufe und -beteiligungen reduziert, das Gesamtvolumen ist jedoch von 13 Mrd. Euro auf 13,7 Mrd. Euro leicht angestiegen. 2018 stehen die deutsch-chinesischen Investitionen am Scheideweg.
 
Beim Transaktionsvolumen von 2017 stechen 2 Mega-Deals hervor, die fast 2 Drittel der investierten Summe ausmachen: Die Übernahme des Essener Energiedienstleisters Ista durch die Cheung Kong Property Holding für 5,8 Mrd. Euro sowie der Einstieg der HNA Group bei der Deutschen Bank für circa 2,4 Mrd. Euro. Der nicht unumstrittene und verschuldete Investor HNA hat in Europa zahlreiche Übernahmen im Transport- und Logistikbereich gestemmt, darunter die volumenmäßig vergleichsweise kleine Akquisition des Flughafens Hahn für 15,1 Mio. Euro.

 
Hinter den Kulissen

Wie breit der Mischkonzern aufgestellt ist, zeigen die verschiedenen Unternehmensbereiche und Beteiligungen eindrucksvoll. Der Konzern ist in den Sektoren Luftfahrt, Infrastruktur, Immobilien, Finanzdienstleistungen, Tourismus, Logistik sowie bei der Schiffsfinanzierung tätig. Das Konglomerat beteiligt sich weltweit an 19 Fluggesellschaften. Alle internationalen Zukäufe passen also perfekt in das Portfolio. Welche konkrete Strategie das Unternehmen aus Hainan damit verfolgt, ist allerdings unklar. Ebenso bleibt im Verborgenen, inwieweit die Gruppe der „Belt and Road”-Initiative der chinesischen Regierung folgt. Sofern der Großinvestor seine Liquiditätsprobleme in den Griff bekommt, fährt er mit seiner Investitionsstrategie definitiv auf Erfolgskurs.
 
Ein weiteres Beispiel dafür, wie chinesische Unternehmen die Logistikbranche aufmischen, ist der Einstieg des chinesischen Staatsfonds China Investment Corporation (CIC) beim britischen Lagerhaus Logicor. In Großbritannien hatte sich CIC durch die 10-Prozent-Beteiligung am Flughafen Heathrow Ende 2012 einen Namen gemacht, bevor es im vergangenen Jahr für 12,25 Mrd. Euro vom US-Finanzinvestor Blackstone dessen europäische Warehouse-Tochter kaufte. Logicor ist der größte Eigentümer europäischer Logistik- und Verteilzentren mit einer Größe von 13,6 Mio. m2. Zu seinen Kunden gehört Amazon. 
 
Auch bei der Investmentstrategie von CIC lässt sich kein klares Muster erkennen. Der Staatsfonds hat im großen Stil Immobilien in Deutschland erworben und nahm einst erfolglos am Bieterverfahren um den deutschen Autobahndienstleister Tank & Rast teil. Jüngst kündigte Chef-Investor Qi Bin an, dass CIC nun auf der Suche nach passenden Unternehmen im Bereich Automatisierung und Industrie 4.0 sei. Die erfolgreiche Investmenthistorie lässt nicht daran zweifeln, dass CIC auch in diesem Segment zum Zug kommen wird.
 

Heimische Logistiksparte im Fokus

Der Trend, dass chinesische Investoren die Logistik- und Lieferkompetenz im Reich der Mitte ausbauen, zeigt sich immer stärker. Ende vorigen Jahres baute bspw. der Online-Händler Alibaba seine Position auf dem Heimatmarkt durch eine Beteiligung an dem chinesischen Logistikdienstleister Cainiao Smart Logistics Network aus. Laut eigenen Angaben nahm der Konzern dafür über 800 Mio. US-Dollar in die Hand. In den kommenden 5 Jahren sollen 15 Mrd. US-Dollar in die internationale Logistikkompetenz fließen. Zwar dominiert Alibaba im Ausland aktuell erst andere asiatische Länder, der Durchbruch in Europa wird allerdings nur eine Frage der Zeit sein. Unlängst eröffnete der E-Commerce-Riese die 1. deutsche Niederlassung in München. Und Alibaba treibt nicht nur die Expansion im Ausland voran, sondern investiert auch in revolutionäre Technologie wie die Paketauslieferung durch Drohnen.
 

Synergien und Wandel: Was der Umbruch für deutsche Unternehmen bedeutet

Doch was bedeuten all die Investitionen und Entwicklungen für deutsche Unternehmen? Die Antwort ist einfach: Synergien und Veränderung. Denn die deutsche Wirtschaft kann sich von China einiges abschauen. Die chinesische Wirtschaft ist extrem schnelllebig und flexibel, zudem digital affiner als andere Länder. Im Reich der Mitte ist ein sog. „Leapfrogging” zu beobachten: Einzelne Stufen in der technologischen Entwicklung werden übersprungen. So ist es in China z.B. gängiger, das Smartphone anstelle des Laptops zu benutzen. Was keinen QR-Code hat oder sich nicht mit Ali- oder WeChat-Pay bezahlen lässt läuft in China nicht (mehr). Das stellt traditionelle deutsche Unternehmen vor große Herausforderungen. Gemeinsam mit einem chinesischen Partner besteht jedoch die Chance, innovative Produkte und Lösungen zu entwickeln, um einen vielversprechenden Markt bedienen zu können.
 
Bei der Frage, wie sich die chinesischen M&A-Aktivitäten in Deutschland und Europa weiterentwickeln, gehen die Meinungen auseinander. Einerseits werden regulatorische Hürden immer höher, andererseits steigt der Bedarf nach ausländischer Technologie in China. 2018 wird sich zeigen, wer sich durchsetzt – die Wirtschaft oder die Regierung. Auch wenn beim Nationalen Volkskongress im März noch deutlicher wurde, dass die Grenzen immer stärker verwischen, ist es zu früh, Auswirkungen auf die deutsch-chinesischen M&A-Aktivitäten vorherzusagen. Fest steht, dass Chinas Hunger auf westliche Unternehmen noch lange nicht gestillt ist. Zudem könnten sich Firmenübernahmen in den USA künftig als noch schwieriger erweisen.
 
Chinesische Investoren vertrauen auf die deutsche Geschäftskultur, belassen das Management meist unverändert und mischen sich wenig in das Tagesgeschäft ein. Mittelständlern, die einen Investor suchen, fehlt nicht unbedingt das Kapital, sondern der richtige Zugang zum chinesischen Absatzmarkt. In vielen Fällen ist daher ein chinesischer Investor in Verbindung mit der entsprechenden Finanzkraft genau der richtige Partner auf dem Weg zum Global Player.
 

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