Lohnsteuer und Sozialversicherung als Dealbreaker

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zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten
von Dr. Dagmar Möller-Gosoge und Susanne Hierl

    

Lohnsteuer und Sozialversicherung bilden i.d.R. keinen Schwerpunkt einer Tax Due Dili­gence. Meist erfolgt nur eine Auswertung des Be­richts der letzten Lohnsteuer-Außenprüfung und der Prüfungs­berichte der Renten­ver­siche­rungs­träger bzw. der Krankenkassen. Im Einzelfall können aber erhebliche lohnsteuerliche und so­zial­versicherungsrechtliche Haftungsrisiken beim Zielunternehmen bestehen. Daher sollte dieser Bereich keines­falls gänzlich aus einer Tax Due Di­ligence ausgeklammert, sondern ggfs. – branchen­abhängig – sogar in den Fokus genommen werden.



Arbeitgeberhaftung

Der Arbeitgeber haftet für die vorschriftsmäßig ein­behaltene und abgeführte Lohnsteuer der Ar­beit­nehmer. Soweit Sozialversicherungspflicht besteht, hat der Arbeitgeber auch die Sozial­ver­si­che­rungs­beiträge ab­zu­führen. Aufgrund der langen Fristen, die über die für die steuerliche Ver­jährung geltenden Grenzen hinaus­gehen, können insb. Nachzahlungen von Sozialver­sicherungs­bei­trägen ein erhebliches Risikopotential darstellen.

Von der weitgehenden Haftung für Lohn­steuer und Sozialversicherungsbeiträge des Zielunternehmens bei einem Share Deal kann auch der Asset Deal nicht vollständig befreien. Die Haf­tung des Betriebs­übernehmers für betriebliche Steuern ist bei einem Asset Deal jedoch zeitlich auf nur zwei Jahre und der Höhe nach auf den Kauf­preis des Betriebs oder Teilbetriebs be­schränkt. Darüber hinaus kann nur eine Garan­tie oder Frei­stel­lungs­klau­sel im Kaufvertrag von einer Haftung für Lohnsteuer und Sozial­ver­sich­erungs­­­bei­­träge schützen.

 

Scheinselbstständigkeit

Freie Mitarbeiter oder in ähnlichen Verhältnissen tätige Personen, z.B. Subunternehmer, können auf­grund der gesetzlichen Regelungen zur Schein­selb­ständigkeit lohnsteuer- und sozialversiche­rungs­pflichtig sein. Wird das erst im Nachgang erkannt, muss der Arbeitgeber die Gesamtbeiträge (inkl. Arbeitnehmeranteil) für mind. die letz­ten vier Jahre der Dauer des Beschäftigungs­ver­hältnisses nach­zahlen. Bei Annahme von Vorsatz kann sich die Frist auf 30 Jahre erhöhen.

Nur wenn das Beschäftigungs- oder Auftrags­ver­hältnis noch fortbesteht, kann der Arbeitgeber An­sprüche gegen den Scheinselbständigen geltend machen. Das ist in der Praxis meist jedoch nur in sehr ein­ge­schränk­tem Umfang möglich. Eine Rück­forderungsmöglichkeit für die vom Arbeit­ge­ber zu über­nehmenden Arbeit­geber­bei­träge ist nicht gegeben.

Zweifelsfälle können in einem Anfra­ge­verfahren zur Statusklärung durch den Deutschen Renten­ver­sicherungs­bund geklärt werden. In einer Tax Due Diligence wird die Durchführung solcher Verfahren regelmäßig ab­ge­fragt.
 

Anteilsoptionen

(Leitenden) Mitarbeitern werden oftmals Optionen eingeräumt, die das Recht vermitteln, Aktien oder An­teile des Arbeitgebers zu einem im Vorhinein be­stimmten Preis zu erwerben. Hinsichtlich der steuer­lichen Be­hand­lung eines in der Gewährung von Anteilsoptionen liegenden geldwerten Vorteils des Arbeitnehmers gibt insb. die Frage des lohn­steu­erlichen Zuflusszeitpunkts immer wieder An­lass zu Rechtstreitigkeiten. Die Frage des Zufluss­zeit­punkts stellt sich für den Arbeitgeber, da die­ser im Zeit­punkt des Zuflusses des geldwerten Vor­teils Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen hat. Kommt der Arbeitgeber der Verpflichtung nicht ordnungs­gemäß nach, besteht für ihn das Ri­si­ko der Lohn­steuer­haftung.
  
Bei der Tax Due Diligence wird üblicherweise abgefragt, ob für solche Fälle eine An­­rufungs­aus­kunft beim Finanz­amt eingeholt wur­de.

 

Betriebsstätten

Auch ohne feste Geschäftseinrichtung können Un­ter­nehmen bereits aufgrund ihrer Tätigkeit im Aus­land eine steuerliche Betriebsstätte begründen. Das kann zum einen bei Bau- und Montage­pro­jek­ten, die eine gewisse Dauer überschreiten, der Fall sein. Zum anderen können sog. abhängige Ver­treter im Ausland für das deutsche Unternehmen eine steuerliche Betriebsstätte begründen.

International besteht weitgehend Kon­sens, dass der Betriebsstättenbegriff den heutigen Geschäfts­modellen nicht stets gerecht wird. Denn in vielen Fällen kann eine Besteuerung mangels physischer Präsenz im Quellenstaat vermieden wer­den, obwohl ein wesentlicher Teil der Wert­schöp­fung dort statt­findet. Vor dem Hinter­grund hat die OECD in 2015 u.a. eine Aus­weitung des Betriebsstättenbegriff vorge­schla­gen. So soll es bspw. künftig für die steuerliche Betriebsstättenbegründung aus­reichen, wenn Vertreter mit faktischer Abschluss­voll­macht handeln oder Personen eine wesen­tliche Rolle beim Ab­schluss von Verträgen spielen.

Deutschland übt noch Zurückhaltung hin­sichtlich der Umsetzung dieses neuen Begriffs­verständnisses im deutschen Recht und in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen. Inter­na­tional besteht aber eine deutliche Tendenz, zunehmend an die lokale Präsenz, die auch bereits durch einzelne Mitarbeiter aufgrund ihrer Ge­schäfts­tätigkeit vor Ort gegeben sein kann, eine Steuerpflicht bspw. bei Dienst­lei­stungs­betriebsstätten zu knüpfen.

Das bedeutet für grenzüberschreitend eingesetzte Mitarbeiter, dass ihre Tätigkeit u.U. eine steuerliche Be­triebs­stätte für den Arbeitgeber begründet. Verbunden damit ist auto­ma­tisch auch die lokale Steuer- und ggf. Sozial­ab­ga­benpflicht des Mitarbeiters. Die Sozial­ver­si­che­rungspflicht im Ausland sollte in jedem Einzelfall geprüft werden und kann nur durch entsprechende Beantragung im Vorfeld der grenzüber­schrei­ten­den Tätigkeit vermieden werden. Nur in Einzel­fällen kann noch rückwirkend eine Bescheinigung erlangt werden.    

Bei der Tax Due Diligence wird daher analysiert, ob der grenzüberschreitende Mit­arbeitereinsatz mö­glich­er­weise zu ausländi­schen Betriebsstätten führt, in deren Folge nicht nur aus­ländische Unter­nehmens­steuern, sondern auch Steuern und Abgaben für die Mit­arbeiter anfallen.

Wird die Steuer- und Abgabenpflicht der Mitarbeiter im Ausland erst bei einer Tax Due Diligence oder ausländischen Betriebs­prüfung erkannt, so droht im Regelfall sogar eine Doppel­besteuerung, wenn der Lohn weiterhin auch in Deutschland dem Lohnsteuer- und Sozial­versi­cherungseinbehalt unterlag.

 

Grenzüberschreitender Mitarbeitereinsatz

Beim grenzüberschreitenden Mitarbei­ter­einsatz in Betriebsstättenstrukturen kommt regelmäßig die sog. 183 Tage Regelung nicht mehr zum Einsatz. Üblicherweise unterliegen Mitar­bei­ter im Tätigkeitsstaat nur dann der Besteuerung, wenn 

  • sie sich insg. länger als 183 Tage innerhalb eines Kalender- oder Steuerjahres im Tätig­keits­staat aufgehalten haben oder
  • der Arbeitgeber, der die Vergütung zahlt oder für den die Vergütung gezahlt wird, im Tätig­keits­staat ansässig ist oder
  • der Arbeitslohn nicht von einer Betriebsstätte, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat, getra­gen wird.

 
Da eine steuerliche Betriebsstätte nach inter­na­tio­nalen Grundsätzen i.d.R. nicht Arbeitgeber sein kann, werden „Mitarbeiter der Betriebsstätte” ab ihrem ersten Tätigkeitstag im Sitzstaat des Stammhauses steuer- und ggf. sozial­ver­si­che­rungs­pflichtig. Auch dabei sollte in jedem Fall eine Prü­fung und Antrag­stellung vorgenommen wer­den. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass „Mitarbeiter des Stamm­hauses” im Betriebs­stät­tenstaat tätig werden; auch sie sind ab dem ersten Tätigkeitstag ungeachtet der sog. 183 Tage Re­gelung im Betriebs­stät­ten­staat steuerpflichtig. Da der Arbeitgeber für die zutreffende Abführung der Lohnsteuer haftet, bestehen in den Fällen nicht unerhebliche Steuer- und Abgabenrisiken sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Unternehmen.

 

Fazit

Der Arbeitgeber haftet für die Erfüllung von Lohn­steuer- und Sozialabgabepflichten der Arbeit­nehmer. In der Praxis können etwaige Mehr­be­las­tungen regelmäßig nicht gegenüber Schein­selb­ständigen bzw. Sub­unter­nehmern geltend ge­macht werden. Mehrbelastungen von Mitarbeitern werden vom Arbeitgeber meist über einen Nach­teilsausgleich vom Arbeitgeber getragen. 

 
Nachträglich identifizierte Lohnsteuer- und Abga­be­pflichten führen daher immer zu erhöhten Lohn­kosten und Compliance Aufwendungen. Im Idealfall können bei der Tax Due Diligence bereits erste Ansatzpunkte für einer steuerliche Optimierung identifiziert werden.

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