Verrechnungspreise: Dokumentationspflicht verstößt nicht gegen Europarecht

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  • BFH sieht § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) als mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar an.
An Dokumentationspflichten besteht im Steuerrecht wahrlich kein Mangel; bei internationalen Verrechnungspreisen wird das Maß schon lange überstrapaziert. Nach § 90 Abs. 3 AO haben Steuerpflichtige bei Sachverhalten mit Auslandsbezug über die Art und den Inhalt ihrer Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen. Dadurch entsteht für die Steuerpflichtigen – anders als bei Sachverhalten mit reinem Inlandsbezug – ein erheblicher Tätigkeits- und Kostenaufwand. Der BFH hat nun bestätigt, dass dies nicht gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten verstößt (Urteil vom 10. April 2013, Az.: I R 45 / 11).
 
Klägerin war eine deutsche GmbH, die mit einer ihr nahestehenden luxemburgischen AG ein Service Agreement geschlossen hatte. Gegenstand der Vereinbarung war die Erbringung von bestimmten Dienstleistungen durch die luxemburgische AG gegen Entgelt. Die GmbH wurde im Rahmen einer Außenprüfung vom Finanzamt aufgefordert, eine Verrechnungspreisdokumentation einschließlich eines Angemessenheitsteils vorzulegen. Die Dokumentation des Unternehmens enthielt aber keine Darstellung der Angemessenheit. Stattdessen stellte sich die GmbH auf den Standpunkt, dass der Fremdvergleichsgrundsatz beachtet sei und dass sich die Angemessenheit der Verrechnungspreise bereits daraus ergebe, dass zwischen den Parteien der Dienstleistungsvereinbarung ein Interessengegensatz bestehe. 
 
Der BFH hat nun entschieden, dass die Anforderung der Verrechnungspreisdokumentation durch das Finanzamt rechtmäßig war: § 90 Abs. 3 AO greife zwar in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit ein, da sich die Regelung ausschließlich bei Leistungsbeziehungen mit Auslandsbezug nachteilig auswirke. Der daraus resultierende Mehraufwand könne dazu führen, dass der Steuerpflichtige davon abgehalten wird, die betreffende Dienstleistung grenzüberschreitend in Anspruch zu nehmen. 
 

Mitwirkungspflicht der Unternehmen laut BFH verhältnismäßig

Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu rein innerstaatlichen Sachverhalten sei aber durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, die erhöhte Mitwirkungspflicht in ihrer Ausgestaltung verhältnismäßig. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH seien die Mitgliedstaaten befugt, Maßnahmen anzuwenden, um die Besteuerungsgrundlagen klar und eindeutig feststellen zu können. Dies schließe insbesondere auch gesteigerte Mitwirkungspflichten zulasten des Steuerpflichtigen bei Auslandssachverhalten ein, selbst wenn derartige Maßnahmen faktisch zu Mehrbelastungen führen. Die Bejahung von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses sei nicht davon abhängig, ob eine Missbrauchskonstellation die Ungleichbehandlung zwischen Auslands- und rein innerstaatlichen Sachverhalten rechtfertige. 
 
Die erhöhte Mitwirkungspflicht sei auch verhältnismäßig, da die Finanzverwaltung alleine, d. h. ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen, nicht in gleich effektiver Weise Fremdvergleichspreise ermitteln könne. Dies sei insbesondere dadurch bedingt, dass die zur Vornahme eines Fremdvergleichs erforderlichen Informationen vornehmlich aus der Sphäre des Steuerpflichtigen stammen. 
 
Während der BFH die Bestimmungen der sogenannten Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung offensichtlich ebenfalls als grundsätzlich verhältnismäßig ansieht, lassen die Richter ausdrücklich offen, ob die Anforderungen an die Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation in den Verwaltungsgrundsätzen- Verfahren nicht doch teilweise überzogen sind. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze konkretisieren die gesetzlich normierten Dokumentationspflichten und verlangen dabei von den Steuerpflichtigen eine aufwändige Mitwirkung. 
 
Das BFH-Urteil steht in einer Reihe mit weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen, die sich mit dem Verhältnis zwischen nationalem Steuerrecht und Gemeinschaftsrecht, insbesondere den Grundfreiheiten, befasst haben. Im Hinblick auf die rasant zunehmende Bedeutung des Themas Verrechnungspreise in der deutschen steuerlichen Praxis, aber auch auf europäischer und OECD-Ebene, vermag die Rechtsauffassung des BFH indes kaum zu überraschen. Die Mehrzahl der nationalen Steuerrechtsordnungen sieht inzwischen Dokumentationspflichten vor, die in ihren Grundzügen vergleichbar ausgestaltet sind. Möglicherweise hat sich das oberste deutsche Finanzgericht darüber hinaus auch der aktuellen politischen Debatte nicht vollständig verschließen können. In der Pressemitteilung des BFH wird die Entscheidung in den Zusammenhang mit „der derzeitigen Diskussion […] über die «Steuerflucht» in sogenannten Steueroasen” gestellt. 
 
Praxiserfahrungen zeigen jedoch, dass – ungeachtet der rigiden gesetzlichen Dokumentationsvorschriften – durchaus Spielräume und Gestaltungsformen bestehen, um den mit der Dokumentationserstellung verbundenen Kosten- und Zeitaufwand zu reduzieren. ​

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Dr. Kai-Uwe Bandtel

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