Matrixstrukturen und Arbeitnehmerüberlassung: Antwort auf eine komplexer werdende Arbeitswelt

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Ein charakteristisches Phänomen unserer Zeit ist die Spezialisierung und Präzisierung der Arbeitswelt. Es reicht heute nicht mehr aus, einen Konzern in Mutter-, Tochter- und Schwestergesellschaften zu gliedern; vielmehr rückt oft die organisatorische Komponente – im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen – in den Vordergrund. Das führt zur Bildung von Matrixstrukturen.

 
Grundsätzlich sind Matrixstrukturen gesetzlich nicht definiert. Man spricht im arbeitsrechtlichen Sinne von einer Matrixstruktur, wenn die Beziehungen zwischen Vorgesetzten sowie die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und deren untergeordneten Mitarbeitern innerhalb eines Konzerns unabhängig vom Vertragsarbeitgeber organisiert sind, d.h. Organisationsstrukturen über die Grenzen der Rechtsträger hinweg bestehen.
 

Matrixstruktur und Arbeitnehmerüberlassung: Praxisbeispiel

In der Praxis gestaltet sich die Matrixstruktur bspw. wie folgt:
Mitarbeiter A wird bei der deutschen Muttergesellschaft angestellt. Seine Gehaltsverhandlung hat er mit einem Geschäftsführer des deutschen Unternehmens geführt. Mitarbeiter A soll allerdings für den Kundendienst im asiatischen Raum tätig sein. Das wird in einer Zusatzvereinbarung zum deutschen Arbeitsvertrag geregelt. Der Konzern hat in einigen asiatischen Ländern, wie bspw. in China, Tochterfirmen. Die Aufgabe des Mitarbeiters wird sein, den Bereichsleiter in Shanghai zu unterstützen. Fachlich unterliegt er daher den Weisungen des Bereichsleiters in Shanghai.
 
Bei Mitarbeiter B erfolgt die Gestaltung wie folgt:
Auch B wird bei der Muttergesellschaft in Deutschland angestellt. Ebenso wie A führt B seine Gehaltsverhandlungen mit einem Geschäftsführer in Deutschland. Es ist geplant, dass auch B im Kundendienst im asiatischen Raum tätig sein und dabei vorübergehend den Bereichsleiter in Shanghai unterstützen soll. Die Kosten für diesen Mitarbeitereinsatz werden der Tochtergesellschaft in Rechnung gestellt. Fachlich unterliegt auch B den Weisungen des Bereichsleiters in Shanghai.

Im Gegensatz zu A erhält B zusätzlich seine disziplinarischen Weisungen vor Ort in Shanghai. Bei der Vertragsgestaltung von B handelt es sich um eine klassische Arbeitnehmerüberlassung. Da B eingestellt worden ist, um überlassen zu werden, ist nach deutschem Recht eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis § 1 I 1 AÜG für ihn zu beantragen, d.h. das Konzernprivileg ist nicht anwendbar. Es ist der Equal Pay- und der Equal Treatment-Grundsatz zu beachten und in einem Überlassungsvertrag zu verankern. Zudem ist zu prüfen, ob auch das chinesische Recht ein Erlaubnisverfahren vorsieht.
 

Abgrenzungsschwierigkeiten

Es stellt sich die Frage, wie sehr Arbeitnehmerüberlassungen und Matrixstrukturen tatsächlich voneinander abgrenzbar sind. Inwieweit ist es in der Praxis möglich, die fachliche von der disziplinarischen Weisungsbefugnis zu trennen? In welchem Maß hat ein deutsches Unternehmen Kenntnis von den Arbeitsabläufen bei der Tochtergesellschaft, um disziplinarisch gerechte Entscheidungen zu treffen?

In dem Fall ist es wichtig zu klären, wessen Betriebszwecke der Vertragsarbeitnehmer fördert. Will der Vertragsarbeitnehmer nicht nur fremde Zwecke, sondern auch eigene Betriebszwecke fördern, ist nicht von einer Arbeitnehmerüberlassung, sondern von einer Matrixstruktur auszugehen. Oft ist das Ziel einer Matrixstruktur, den Gesamterfolg des Konzerns zu fördern. Der Zweck einer Matrixkonstruktion ist nicht die Überlassung, sondern die Erbringung der operativen Aufgaben im Konzern.
 

Arbeitgeberstellung

Sowohl bei einer Matrixstruktur als auch einer Arbeitnehmerüberlassung wird deutlich, dass man sich von dem klassischen Arbeitgeberbegriff lösen muss. Es ist stets zu prüfen, wer die Arbeitgeberstellung innehat.

Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es bei einer Matrixstruktur der Vertragsarbeitgeber. Dennoch ist zu klären, ob trotz des fehlenden Rechtsbindungswillens zusätzlich ein faktisches Arbeitsverhältnis mit dem Tochterunternehmen besteht.

Bei einer Arbeitnehmerüberlassung existiert grundsätzlich kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer. Wenn allerdings keine Erlaubnis vorliegt, wird bei der Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis fingiert.

Entsteht bei einer Arbeitnehmerüberlassung oder bei einer Matrixstruktur ein faktisches Arbeitsverhältnis oder will ein Unternehmen in jedem Fall aus Vorsicht die Rechtsfolgen einer Matrixstruktur oder einer nicht genehmigten Arbeitnehmerüberlassung vermeiden, gilt es eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Themen zu beachten. Zu nennen ist hier das Kündigungsrecht, die betriebliche Mitbestimmung, Compliance und viele weitere rechtliche Themen.
 

Empfehlung: Einen Blick über den arbeitsrechtlichen Tellerrand werfen

Soll nun bewusst eine Arbeitnehmerüberlassung oder eine Matrixstruktur gewählt werden, darf die Gestaltung selbstverständlich nicht ohne die steuerlichen Folgen geplant werden: Es gilt neben der Mitarbeiterbesteuerung auch die Faktoren Verrechnungspreise sowie Betriebsstätten zu beachten (vgl. hierzu „Matrixstrukturen im internationalen Kontext: Steuerrechtliche Fragestellungen”.
 

Fazit

Im Ergebnis wird deutlich, dass sich Matrixstrukturen sowie Arbeitnehmerüberlassungen sehr ähneln und Unternehmen bei beiden Gestaltungsalternativen mit den gleichen Fragen und Problem zu kämpfen haben. Oft ist eine Abgrenzung anhand des Willens des Vertragsarbeitgebers nur sehr schwer möglich.

Es ist daher in jedem Fall wichtig, die jeweilige Gestaltung bewusst zu wählen, um nicht unbewusst unerwünschte Rechtsfolgen zu kreieren. Möglicherweise ist im Einzelfall auch die Vermeidung beider Gestaltungsmöglichkeiten zu empfehlen.

zuletzt aktualisiert am 10.02.2016

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Jessika Gruber

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