Neukonzeption der Investmentbesteuerung: Aktuelle Entwicklungen für Anleger in Publikumsfonds

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Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat mit dem am 21. Juli 2015 veröffentlichten Diskussionsentwurf einen neuen Versuch zur Reform der Investmentbesteuerung unternommen. Das Reformkonzept zielt auf eine einfachere, weniger komplexere und gestaltungssichere Besteuerung von Erträgen aus Investmentfonds ab. Die geplante Neufassung der Investmentbesteuerung ist mit einem grundlegenden Wechsel des bisherigen Besteuerungsregimes verbunden. Durch die Einführung eines intransparenten Besteuerungssystems mit einer getrennten Besteuerung von Investmentvermögen und Anlegern erfolgt die Abschaffung der bisherigen transparenten Besteuerung für Publikums-Investmentfonds.

 

Mit Datum vom 16. Dezember 2015 hat das BMF einen Referentenentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung veröffentlicht, der im Vergleich zum bisherigen Diskussionsentwurf einige wesentliche Verbesserungen für private und betriebliche Anleger enthält. Im Folgenden gehen wir auf Eckpunkte des jüngsten Entwurfs für Anleger in Publikumsfonds ein.

 

 

Neues Besteuerungsregime für Publikumsfonds

Nach aktuellem Recht soll ein Anleger eines Investmentfonds grundsätzlich genauso steuerlich behandelt werden, als wäre er unmittelbar ohne die Zwischenschaltung des Investmentfonds an den einzelnen, vom Fonds gehaltenen Vermögensgegenständen beteiligt. Der aktuelle Referentenentwurf wirft dieses sog. Transparenzprinzip über Bord. Er enthält die Einführung eines intransparenten Besteuerungsregimes für Publikumsfonds, das in einer getrennten Besteuerung sowohl auf Ebene des Investmentfonds als auch auf Ebene des Anlegers mündet.

 

Ebene des Investmentfonds

Dabei soll der Investmentfonds künftig mit bestimmten Einkünften aus inländischen Beteiligungseinnahmen (v.a. deutsche Dividenden), deutschen Immobilienerträgen oder sonstigen inländischen Einkünften der Körperschaftsteuer unterliegen. Beachte: Die Körperschaftsteuer beträgt bei inländischen Dividenden aufgrund der abgeltenden Abzugsteuer 15 Prozent inkl. Solidaritätszuschlag, bei inländischen Mieteinkünften hingegen 15 Prozent zzgl. Solidaritätszuschlag, also 15,825 Prozent.

 

Große Kritik dürfte die Absicht des BMF hervorrufen, künftig sämtliche Gewinne aus der Veräußerung von inländischen Immobilien unabhängig von ihrer Haltedauer einer Besteuerung innerhalb des Investmentvermögens zu unterwerfen. Im Vergleich zu einem Direktinvestment käme es zu einer steuerlichen Verschlechterung des Anlegers, denn derzeit unterliegen nur Immobilienveräußerungen innerhalb einer 10-jährigen Haltedauer als private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG) der Besteuerung.

Diese Vorschrift hält die Finanzverwaltung für Publikumsfonds für nicht schutzwürdig. Es ist lediglich ein Bestandsschutz der Wertsteigerungen bis zur Verkündigung des Gesetzes vorgesehen, wenn in diesem Zeitpunkt die gesetzlich vorgesehene 10-jährige Haltedauer bereits erfüllt ist.
 

Doch selbst der Anteil an bestandsgeschützten Wertsteigerungen unterliegt spätestens dann der Besteuerung, wenn auf Seiten des Anlegers Ausschüttungen, Vorabpauschalen oder Veräußerungen der Fondsanteile erfolgen (siehe dazu weiter unten Ebene des Anlegers).
 

Die Einkünfte auf Fondsebene sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln. Der Abzug von Werbungskosten wird zum geltenden Recht erheblich eingeschränkt, als nur unmittelbar mit den Einnahmen (hier insbesondere inländische Mieteinnahmen und Immobilien-Veräußerungsgewinne) zusammenhängende Kosten als Werbungskosten abziehbar. Bei inländischen Beteiligungseinnahmen, v.a. inländischen Dividenden, ist ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen, ebenso für nur mittelbar mit Einnahmen zusammenhängenden Kosten wie Verwaltungsgebühren der Kapitalverwaltungsgesellschaften. Diese steuerliche Nichtabziehbarkeit wesentlicher Gebühren der Kapitalverwaltungsgesellschaften wird zu einer höheren Besteuerung der Publikums-Investmentfonds und mithin der Anleger führen.

 

Der Referentenentwurf sieht vor, Publikums-Investmentfonds auf Antrag von einer Besteuerung zu befreien, wenn an ihnen Pensionskassen und Unterstützungskassen oder andere steuerbegünstigte Körperschaften im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG oder vergleichbare ausländische Körperschaften beteiligt sind. Darüber hinaus setzt die Steuerbefreiung für begünstigte Anleger bei inländischen Beteiligungseinkünften zusätzlich voraus, dass der Investmentfonds die Anforderungen des neuen § 36 Abs. 2a EStG an die Anrechenbarkeit von Kapitalertragsteuer auf Fondsebene erfüllt. Bisherige Steuerumgehungen (sog. „cum-ex-Geschäfte”) sollen dadurch vermieden werden, dass der Investmentfonds betroffene Aktien als zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümer für einen Mindestzeitraum von 45 Tagen um den Dividendenstichtag halten muss und dabei ein Wertverlustrisiko zu tragen hat (sog. „45-Tage-Regelung”). Diese Regelung soll bereits rückwirkend ab dem 1. Januar 2016 gelten.

 

Ebene des Anlegers

Anstelle der bisherigen Besteuerung von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen beim Anleger (Transparenzprinzip) sieht die geplante Neukonzeption eine Vereinfachung der Anlegerbesteuerung vor. Künftig sollen Ausschüttungen als tatsächliche Zuflüsse an den Anleger von diesem versteuert werden, unabhängig davon, dass diese Ausschüttungen ggf. Substanzauskehrungen sind. Für Investmentfonds, die sich in der Abwicklungsphase befinden, besteht ausnahmsweise die Möglichkeit, steuerneutrale Substanzrückzahlungen vorzunehmen. Ansonsten werden steuerfreie Kapitalrückzahlungen – im Vergleich zur bisherigen Rechtslage – nicht anerkannt. Das soll insbesondere für die laufende Nutzungsphase gelten.

Ebenso führen insbesondere Veräußerungen und Anteilsrückgaben zur Besteuerung des Veräußerungsgewinns.

Auf die Erträge, die im Fonds verbleiben (Thesaurierungen), soll es künftig keinen direkten Besteuerungszugriff mehr geben.

 

Bei dieser reinen Cashflow-Besteuerung befürchtet der Gesetzgeber jedoch ein erhebliches Steuerstundungspotenzial. Es wird als verwerflich angesehen, dass Investmentfonds möglicherweise künftig keine Ausschüttungen mehr vornehmen und der Anleger deshalb gezielt durch Veräußerungen selbst den Besteuerungszeitpunkt bestimmen kann: „Eine solche Abschirmwirkung könne zeitlich unbegrenzt und generationenübergreifend genutzt werden.” Da nicht sein kann, was nicht sein darf, ist geplant, anstelle der aktuell noch steuerpflichtigen ausschüttungsgleichen Erträge eine sog. Vorabpauschale einzuführen, die Ende des jeweiligen Veranlagungsjahres fiktiv als zugeflossen gilt.

 

Diese Vorabpauschale berechnet sich aus dem Rücknahmepreis zu Beginn des Kalenderjahrs multipliziert mit dem jährlich neu festgelegten Basiszinssatz im Sinne des § 203 Abs. 2 BewG. Der Basiszins ist mit 70 Prozent anzusetzen.

 

Beispiel: 
Rücknahmepreis zum Anfang des Jahres: 40 Euro/Anteil
Aktueller Basiszins 2016: 1,1 Prozent
Basisertrag = 40 Euro * 1,1 Prozent * 70 Prozent = 0,31 Euro je Anteil

 

Die tatsächlichen Ausschüttungen des jeweiligen Jahres mindern diesen Basisertrag bis auf höchstens 0 Euro. Begrenzt wird der Basisertrag zudem auf die tatsächliche Wertsteigerung des betreffenden Jahres. Kommt es folglich zu keiner Wertsteigerung, zu einem Wertverlust oder übersteigen die Ausschüttungen die Wertsteigerung, wird keine Vorabpauschale angesetzt.

Es ist eine Befreiung von der Besteuerung der Vorabpauschale für Einrichtungen der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge vorgesehen.

 

Im Falle der Veräußerung der Investmentfondsanteile verringert die Vorabpauschale in voller Höhe den Veräußerungsgewinn und kann somit auch zu einem Veräußerungsverlust führen.

 

Zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung der Anleger gewährt der aktuelle Referentenentwurf sowohl auf Ausschüttungen und Veräußerungs-/Rückabgabegewinne als auch auf Vorabpauschalen Teilfreistellungsbeträge, die sich nach Anlageschwerpunkten der jeweiligen Investmentfonds richten. Ziel ist es, den Anleger auf diese Weise für die steuerliche Vorbelastung auf Fondsebene (teilweise) zu entlasten.

 

Die Teilfreistellung bei Aktienfonds beträgt bei natürlichen Personen, die ihre Investmentanteile im Privatvermögen halten, nunmehr 30 Prozent. Natürliche Personen, die Investmentanteile im Betriebsvermögen halten, erhalten eine Aktienteilfreistellung von 60 Prozent und bestimmte Körperschaften in Höhe von 80 Prozent. Demgegenüber gilt bei Mischfonds lediglich die Hälfte der für Aktienfonds geltenden Aktienteilfreistellungsquoten. Immobilienfonds wird eine Immobilienteilfreistellungsquote von 60 Prozent (bzw. 80 Prozent bei Anlage in ausländische Immobilien) gewährt. Maßgebend sind dabei die Anlagebedingungen, nach denen fortlaufend mindestens 51 Prozent des Wertes in Aktien (Aktienteilfreistellung) oder in Immobilien (Immobilienteilfreistellung) angelegt werden muss. Dabei kann der Anleger auch im Rahmen der Veranlagung selbst das Erreichen dieser Quoten durch den Fonds nachweisen.

 

Hinweis: Die Ausschüttungen, Veräußerungsgewinne und Vorabpauschalen unterliegen bei inländischen Zahlstellen dem Kapitalertragsteuerabzug. Gerade für die Vorabpauschale, bei der keine Liquidität zugunsten des Anlegers fließt, muss dieser die erforderlichen Geldbeträge zur Verfügung stellen – ggf. werden nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend Investmentfondsanteile zur Deckung des Geldbedarfs veräußert. Das gilt es jeweils zum Jahresende, wenn die Vorabpauschalen fiktiv zufließen und zu einer Steuerlast führen, durch den Anleger zu bedenken.

 

Belastungsvergleiche zum geltenden Recht

Im Vergleich zum aktuellen Besteuerungsregime lässt sich feststellen, dass es bereits auf Fondsebene durch die stark eingeschränkte Abzugsfähigkeit von Werbungskosten zu einer Höherbesteuerung kommt.

Die Teilfreistellungsquoten entlasten den Anleger nicht in voller Höhe von der Körperschafsteuer, die bereits im Fonds anfällt, so dass es bei inländischen Dividenden und inländischen Immobilieneinkünften regelmäßig zu einer Höherbelastung als im aktuellen Recht. Hinzu kommt, dass durch den Wegfall der Haltefrist bei Immobilienveräußerungen innerhalb der Fonds im Gegensatz zu direkt gehaltenen Immobilien eine wesentliche höhere Besteuerung für den Anleger greifen soll. Da die DBA-Privilegien (Freistellung von z. B. ausländischen Immobilien-Einkünften) künftig bei Publikums-Fonds nicht mehr greifen, führt die nur 60 prozentige Teilfreistellung nicht zu einer vollständigen Neutralisierung der Doppelbesteuerung im In- und Ausland.

 

Letzten Endes entscheidet faktisch die Anlagepolitik des Fonds über die Höhe der endgültigen Belastung des Anlegers durch die geplanten Änderungen.

 

Ärgerlich ist, dass die Vorabpauschale zu einer (ggf. zeitweisen) Substanzbesteuerung führen kann. Die Wertsteigerungen des Investmentfonds können auf nicht realisierten Vermögenszuwächsen beruhen. Diese werden durch die Vorabpauschale steuerlich erfasst, ohne dass es zu einer Realisierung von Gewinnen oder Erträgen seitens des Fonds oder des Anlegers gekommen sein muss.

  

Anwendungsvorschriften

Das neue Investmentsteuergesetz soll unabhängig vom Geschäftsjahr grundsätzlich ab dem 1. Januar 2018 anwendbar sein. Somit müssen sämtliche Investmentfonds mit einem abweichenden Geschäftsjahr zwingend für investmentsteuerliche Zwecke ein zum 31. Dezember 2017 endendes Rumpfwirtschaftsjahr erklären. Anteile an Investmentfonds, an Kapital-Investitionsgesellschaften gemäß derzeitiger Rechtslage oder andere Investmentvehikel, die zum 1. Januar 2018 erstmals in den Anwendungsbereich des neuen Investmentsteuergesetzes fallen (sog. „Altanteile”), gelten mit Ablauf des 31. Dezembers 2017 als veräußert und mit Beginn des Inkrafttretens des Gesetzes als neu angeschafft. Allerdings wird der aufgrund dieser fiktiven Veräußerung der Altanteile ermittelte Gewinn bzw. Verlust erst zu dem Zeitpunkt steuerlich berücksichtigt, zu dem der jeweilige Altanteil tatsächlich veräußert wird.

 

Beachte: Durch die geplanten Regelungen entfällt künftig der Bestandsschutz für vor 2009 erworbene Investmentfondsanteile im Privatvermögen! Um der aktuellen Rechtsprechung zum Bestandsschutz Rechnung zu tragen, sind Wertveränderungen von solchen Anteilen, die zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem 31. Dezember 2017 eingetreten sind, steuerfrei. Die ab dem 1. Januar 2018 eintretenden Wertveränderungen sind hingegen steuerpflichtig, soweit der Gewinn aus der Veräußerung der Altanteile einen Freibetrag von 100.000 Euro übersteigt.

 

Je nachdem, wann der Anleger die Investmentfonds-Anteile tatsächlich veräußert (und der Gewinn den Freibetrag übersteigt), kann der zum 31. Dezember 2017 ermittelte fiktive Gewinn zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung führen, da sich insbesondere die Höhe des Steuersatzes nach den Regelungen im Veräußerungszeitpunkt richtet. Immer wieder steht die Abgeltungsteuer zur Diskussion, von Abschaffung derselben und Steuererhöhungen ist die Rede.

Zudem führen bereits bestehende Regelungen bei der Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns zu erheblichen Mehrbelastungen beim Kapitalertragsteuerabzug. So ist bei fehlenden Einstandsdaten oder Rücknahmepreisen die sog. Ersatzbemessungsgrundlage anzuwenden (30 Prozent von Veräußerungserlösen bzw. dem Einstandswert). Auch sind die sog. akkumulierten thesaurierten Erträge für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs zu berücksichtigen, so dass es im Zeitpunkt der Veräußerung zu einer erheblichen Liquiditätsbelastung des Veräußerungserlöses kommen kann.

  

Fazit

Es ist festzuhalten, dass die geplante Besteuerungssystematik auf den ersten Blick durchaus einfacher erscheint. Das Ziel, die Besteuerung von Investmentfonds zu vereinfachen, wird jedoch nicht durchgängig erreicht. Allein schon das Recht des Anlegers, das Vorliegen von Teilfreistellungsquoten im Rahmen der Veranlagung nachweisen zu können, kann zu einem erheblichen Veranlagungsaufwand führen. Steuerliche Nachteile ergeben sich zudem aus der möglichen Substanzbesteuerung durch die Vorabpauschale, den Wegfall des Bestandsschutzes für Altanteile, Besteuerung von Immobilienwertsteigerungen ohne Haltefrist und einige weitere steuerliche Mehrbelastungen auf Seiten des Anlegers. Zudem bemängeln die Fachverbände, dass die derzeit vorgesehenen Steuerbefreiungen beim Publikums-Investmentfonds nicht ausreichend die private und betriebliche Altersvorsorge (z.B. im Rahmen von Lebensversicherungen oder Zusagen der betrieblichen Altersversorgung) berücksichtigen.

 

Gerade auch die Besteuerung fiktiver Gewinne bei Systemübergang Ende 2017 kann Jahre später zu erheblichen Steuerzahlungen und Korrekturen über die Veranlagung führen.

 

Wir werden Sie über die weitere Entwicklung der Reformpläne unterrichten.
 

zuletzt aktualisiert am 11.04.2016

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