Polen: Wenn ein Schuldner mit seinem Vermögen davonläuft

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veröffentlicht am 11. Oktober 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

In unserer Berufspraxis stoßen wir häufig auf Fragen oder Ängste von Unternehmern –kleine, mittlere, große – wie: „Was bringt es, diesen Prozess zu gewinnen, wenn ich weiß, dass der Schuldner bereits alles verkauft und umgeschrieben hat – es also keine Vermögenswerte gibt, in die man vollstrecken kann." Als Rechtsanwältin habe ich vollstes Verständnis für die Sorgen von Unternehmern – der sog. „Einfallsreichtum” von Schuldnern ist groß. Oftmals vergeht viel Zeit zwischen einem Urteil oder sogar noch früher – von dem Moment an, in dem der Schuldner weiß, dass er seine Schulden begleichen muss, bis zur tatsächlichen endgültigen Begleichung der Schulden. Meistens handelt es sich um einen längeren Zeitraum, in dem der Schuldner, der nicht zahlen will, nicht untätig ist und oft Vermögensübertragungen vornimmt, die dazu führen, dass das endgültige Urteil nicht mehr als eine schriftliche Aufzeichnung der Gedanken des Richters ist.

 

 

Wirksamen Maßnahmen, die ein Gläubiger in einer solchen Situation ergreifen kann:

Das polnische Zivilrecht gibt uns ein wirksames Instrument an die Hand, wie wir an dieses „vorgeschriebene" Eigentum herankommen und uns daraus befriedigen können, auch wenn es sich bereits in den Händen eines Dritten befindet. Das ist die sog. „Paulianische Anfechtungsklage” (Art. 527 des polnischen Bürgerlichen Gesetzbuches).

Eine solche Klage kann bei einem zuständigen Gericht eingereicht werden, wenn ein Schuldner sein Vermögen zugunsten eines Dritten in einer Weise veräußert hat, die ihn zahlungsunfähig gemacht oder seine bestehende Notlage verschlimmert hat und diese Handlung zum Nachteil der Gläubiger erfolgt ist.

Wenn man die Paulianische Anfechtungsklage auf die ersten Faktoren herunterbricht, stellt man fest, dass das Zivilgesetzbuch fünf Grundvoraussetzungen nennt, die erfüllt sein müssen, damit ein Gläubiger tatsächlich Befriedigung aus dem vom Schuldner an einen Dritten übertragenen Vermögen erlangen kann.

Erstens muss die Forderung bestehen und dem Gläubiger vom Schuldner geschuldet sein (d.h. es muss sich um eine Geldforderung handeln, die nicht verjährt ist).

Zweitens: Diese Verfügung über Eigentum oder ein Recht erfolgt durch ein Rechtsgeschäft.
 
Eine solche Rechtshandlung im Sinne der Klage des Schuldners ist bspw. eine Vereinbarung über die Schenkung eines Grundstücks an die Tochter des Schuldners oder eine Vereinbarung über den Verkauf eines Autos, das das einzige Vermögen des Schuldners darstellt. Ein solcher Akt ist auch ein Ehevertrag, durch den einer der Ehegatten die Gesamtheit des zuvor gemeinsamen Vermögens erhält, oder ein gerichtlicher Vergleich, bei dem unser Schuldner bewusst (zum Nachteil der Gläubiger) einer für ihn nachteiligen Lösung zustimmt, nur damit der betreffende Vermögenswert außerhalb seines Nachlasses liegt und nicht vollstreckt werden kann. 

Drittens: Die Handlung des Schuldners hat eine Verschlechterung der Situation des Gläubigers zur Folge, d.h. die fehlende Möglichkeit der Befriedigung oder ein geringerer Grad der Befriedigung infolge der Handlung des Schuldners. 
 
Was bedeutet es, wenn die Handlung eines Schuldners einem Gläubiger Schaden zufügt? Eine Klage auf Unterlassung soll ein Versäumnis verhindern. Ein „Unrecht" ist nicht dasselbe wie ein Schaden und tritt bereits im Stadium der Möglichkeit eines Schadens auf. Dieses Unrecht ist mit anderen Worten eine schlechte Prognose" hinsichtlich der Möglichkeit, dass der Schuldner die Leistung erbringt. 
 
Der Begriff „Unrecht" wird weit gefasst. Wie die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestätigt, umfasst er negative Auswirkungen, die sich aus einer bestimmten Handlung in der Vermögenssphäre des Gläubigers ergeben oder ergeben können. Ein Beispiel: Die Handlung eines Schuldners, die in der Veräußerung von Vermögenswerten (z.B. Immobilien) gegen Geld besteht, ist i.d.R. eine insolvenzverschärfende Handlung. Die Handlung muss eine notwendige Voraussetzung (wenn auch nicht die einzige Ursache) für die Entstehung oder Verschlimmerung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sein. Eine Paulianische Anfechtungsklage ist nicht wirksam, wenn die Insolvenz auch ohne die angefochtene Handlung eingetreten wäre. Mit anderen Worten: Es muss festgestellt werden, ob der Gläubiger tatsächlich befriedigt worden wäre, wenn die Handlung nicht vorgenommen worden wäre.

Die vierte Voraussetzung ist, dass der Dritte durch die Handlungen des Schuldners einen Vermögensvorteil erlangt (d.h., dass sich das Vermögen des Dritten erhöht oder seine Verbindlichkeiten verringert). Bei dieser Bedingung geht es um die sog. „Gleichwertigkeit”. Selbstverständlich wird nicht jede Handlung des Schuldners als gläubigerschädigend angesehen – denn wenn der Schuldner für seine Leistung an den Dritten einen Gegenwert erhalten hat, der sich noch in seinem Vermögen befindet, ist die actio pauliana nicht gerechtfertigt. Tritt jedoch eine Situation ein, in der der Schuldner infolge des Verkaufs z.B. einer Immobilie eine Zahlung von einem Dritten erhält, die jedoch nicht die Befriedigung der Forderung gewährleistet (d.h. er hat einen wesentlich niedrigeren Betrag erhalten), oder mit anderen Worten, wenn der Schuldner einen Gegenwert erhalten hat, über den der Gläubiger im Zuge der Vollstreckung nicht verfügen kann (was in den meisten Fällen das vom Schuldner erhaltene Geld betrifft), kann es sich dennoch um eine Schädigung des Gläubigers handeln.
 
Der Gläubiger muss auch die fünfte Voraussetzung, die Bösgläubigkeit des Dritten, beweisen, d.h. er muss nachweisen, dass der Dritte eine Rechtshandlung mit dem Schuldner vorgenommen hat, damit die Gläubigerklage wirksam ist. Der Dritte muss nachweisen, dass der Dritte, der den Schuldner bei einem Rechtsgeschäft begleitet, von den Handlungen des Schuldners wusste oder mit hinreichender Sicherheit hätte wissen können. Das ist wahrscheinlich die am schwierigsten zu beweisende der fünf Voraussetzungen, denn der Gläubiger wird fast nie beweisen können, dass der Dritte von einem Fehlverhalten des Gläubigers weiß. Beim Nachweis des Vorliegens dieser Bedingung werden wir von Beweismitteln unterstützt, die als Vermutungen bezeichnet werden. So wird vermutet, dass der Dritte in einer engen Beziehung zum Schuldner stand (Artikel 527 § 3 des polnischen Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder mit dem Schuldner in einer ständigen Geschäftsbeziehung stand (Artikel 527 § 4 des polnischen Bürgerlichen Gesetzbuchs) – wenn der Dritte in einer engen Beziehung zum Schuldner stand. 
 
Mit anderen Worten: Wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der betrügerischen Handlung familiäre Bindungen, stabile elterliche Beziehungen, eheliche Beziehungen oder dauerhafte Beziehungen hatte, kann diese Voraussetzung als erfüllt angesehen werden. Natürlich ist zu beachten, dass das Gericht in jedem Einzelfall beurteilt, ob die Beziehung als dauerhaft angesehen werden kann, basierend auf den Tatsachen des Einzelfalls. Allerdings haben z.B. Leasing, Vermietung, Verkauf, Lieferung von Waren oder Dienstleistungen die Eigenschaft der Dauerhaftigkeit.
 

Die Zeit läuft gegen den Erfolg

Es ist zu betonen, dass die Beschwerde nicht verzögert werden sollte. Der Gläubiger kann innerhalb von fünf Jahren nach der den Gläubiger schädigenden Handlung eine Beschwerde einreichen. Der Zeitablauf in Gerichtsverfahren ist auch von entscheidender Bedeutung für das Erinnerungsvermögen von Zeugen und die Möglichkeit, Dokumente zu beschaffen. Interessant ist, dass der Beklagte nicht der Schuldner selbst ist, sondern ein Dritter, der von der betrügerischen Handlung des Schuldners profitiert hat. 
 
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine positive Gerichtsentscheidung für einen Gläubiger die Möglichkeit bietet, sich aus Rechten oder Gegenständen zu befriedigen, die nach den betrügerischen Handlungen des Schuldners nun einem Dritten gehören. Damit erhält ein Gläubiger die Möglichkeit, die Vollstreckung des Gerichtsvollziehers auf diese Rechte oder Vermögenswerte zu lenken, die sich nach den betrügerischen Handlungen des Schuldners nun im Besitz eines Dritten befinden.
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