Regierungsentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz – Was lange währt, wird endlich gut?!

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 2. August 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Am 27. Juli 2022 hat das Bundeskabinett den am 13. April 2022 vom Bundesminister der Justiz vorgelegten Referentenentwurfs eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (HinSchG), ohne größere Änderungen beschlossen.1 Damit bringt die Bundesregierung nun während der parlamentarischen Sommerpause ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg, das der – mittlerweile erheblich verspäteten – deutschen Umsetzung der Richtline (EU) 2019/1937 (sog. EU-Whistleblower-Richtlinie) dienen soll.



In der betreffenden Pressemitteilung2 erklärt Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann, das HinSchG schaf­fe ein Schutzsystem für Beschäftigte. Diese übernähmen Verantwortung für die Gesellschaft und verdienten daher Schutz vor Benachteiligungen, die ihnen wegen ihrer Meldung drohten oder sie davon abschrecken könnten. Ein effektiver Hinweisgeberschutz könne aber auch ein wesentlicher Baustein für ein gutes Compliance-System sein, da sich in Unternehmen hierdurch Haftungsansprüche und Reputationsschäden vermeiden ließen. 

Der Regierungsentwurf (RegE) ist noch kein fertiges Gesetz. Er bedarf noch der Mitwirkung des Bundesrates sowie der Abstimmung im Bundestag. Damit ist während der parlamentarischen Sommerpause zwar eher nicht mehr zu rechnen. Gleichwohl sollten Unternehmen die zukünftig aller Voraussicht nach geltenden gesetzlichen Vorgaben bereits jetzt in ihre Compliance-Systeme integrieren. Die Herausforderung dabei ist, ein effizientes Meldewesen mit dem Schutz von Whistleblowern zu vereinbaren.
 

Anwendungsbereich 

Der RegE legt zunächst fest, welche Personen und Hinweise überhaupt in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen sollen. Erfasst werden grundsätzlich alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Mit Verstößen sind insbesondere solche gemeint, die strafbewehrt sind, sowie bußgeldbewehrte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. 

Damit beschränkt der RegE – wie schon Vorgängerentwurf und im Gegensatz zu dessen frühen Vorläufer aus Dezember 2020 – den Anwendungsbereich zwar auf bestimmte Rechtsverstöße. Jedoch steht zu befürchten, dass hierdurch der Prüfungsaufwand für die den Hinweis aufnehmende Meldestelle (siehe sogleich) bedeutend erhöht. Schließlich muss die Meldestelle grundsätzlich kontrollieren, ob die verletzte Vorschrift „dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane“ dient. Dies kann – je nach Unternehmensgröße, personeller Kapazität und Meldeaufkommen – schnell zur Überlastung führen. Unternehmen sollten in ihre Meldekanäle daher in jedem Fall einen effizienten Filter integrieren, der seriöse von unseriösen Meldungen trennt.

Meldestellen

Als „Kernstück des Hinweisgeberschutzsystems“ werden in der Pressemitteilung die internen und externen Meldestellen bezeichnet. Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten müssen grundsätzlich bis zum 17.12.2023 eine interne Meldestelle einrichten, an die sich Beschäftigte wenden können. Daneben steht es den Beschäftigten frei, Hinweise an eine zentrale externe Meldestelle zu geben, die künftig beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden soll. Dies entbindet den Beschäftigungsgeber allerdings nicht von der Ein­richtung der internen Meldestelle. Vielmehr ist deren mangelnde oder mangelhafte Einrichtung bußgeld­bewehrt (siehe unten).

Hinsichtlich der Inanspruchnahme beider Meldestellen sieht der RegE, wie dessen Vorgänger, weder ein Rang­verhältnis noch eine zeitliche Abfolge mehr vor. Vielmehr steht es dem Meldenden frei, an welche Stelle er seinen Hinweis (zuerst) richtet. Ob allerdings ein Hinweis an die externe Meldestelle aus Sicht des Unterneh­mens in jedem Fall ein ebenso effizientes Einschreiten gegen den Verstoß ermöglicht, wie bei einem Hinweis an die unternehmenseigene interne Meldestelle, darf zumindest angezweifelt werden. Unternehmen sollten daher durch eine möglichst einfache und diskrete Gestaltung des eigenen Meldekanals oder sonstige Benefits An­reize zu dessen Nutzung schaffen. Nicht zuletzt können Unternehmen auf intern eigene Meldungen schlicht schneller, wirksamer und angemessener reagieren als auf überraschende Maßnahmen der zuständigen Be­hörden.

Anonymität

Im Zentrum bei der Ausgestaltung der internen Meldestelle steht die Frage nach der Anonymität des Mel­den­den. Denn häufig werden Beschäftigte aus Angst vor Anfeindung oder Repressalien bei ihrer Meldung uner­kannt bleiben wollen. Der RegE führt, wie bereits auch der Vorgänger, die Schaffung anonymer Meldekanäle an. Zu deren Schaffung soll allerdings keine Verpflichtung bestehen. Hintergrund sei laut der Pressemitteilung die Gefahr der Überlastung der Meldestellen. Gegenüber dem Vorgänger neu ist im RegE nun zudem die Regelung vorgesehen, dass sowohl die interne als auch die externe Meldestelle anonym eingehende Meldungen nur bearbeiten sollen, „soweit dadurch die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet wird“. 

Da die Hemmschwelle zur Abgabe eines anonymen Hinweises wohl regelmäßig niedriger liegt, bringen die Ent­wurfsverfasser hierdurch zum Ausdruck, dass nichtanonyme Meldungen automatisch von größerem Gewicht bzw. seriöser seien. Dies wird jedoch Verstößen nicht gerecht, an denen die meldende Person selbst beteiligt ist und allein deshalb anonym bleiben will. Auch sind rein nichtanonyme Meldekanäle kein Garant zur Vermeidung von querulatorischen Hinweisen. Anonyme Meldekanäle sollten zudem bereits deshalb zur Verfügung gestellt werden, weil nach dem RegE dem Hinweisgeber erhebliche Sanktionen drohen, die ihn von einer nichtano­nymen Meldung abhalten könnten (siehe sogleich).

Sanktionen

Zur Absicherung der vorgenannten Pflichten des HinSchG sieht der RegE eine Reihe von Bußgeldvorschriften vor. Ordnungswidrig handelt danach insbesondere der Beschäftigungsgeber, also das Unternehmen, das eine interne Meldestelle nicht ordnungsgemäß einrichtet oder betreibt. Der Verstoß kann durch eine Geldbuße von in Höhe von bis zu 20.000 Euro geahndet werden.

Aber nicht nur Fehlverhalten des Beschäftigungsgebers kann sanktioniert werden. Der RegE hat eine Bußgeld­vorschrift seines Vorgängers übernommen, die explizit den Hinweisgebenden betrifft. Danach handelt der Hinweisgebende ordnungswidrig, wenn er wissentlich unrichtige Informationen über Verstöße offenlegt. Auch in diesem Fall droht eine Geldbuße von bis zu 20.000 Euro. Dies führt dazu, dass ein Hinweisgeber im Zwei­felsfall wohl eher den anonymen Meldekanal bemühen – soweit dieser vom Beschäftigungsgeber freiwillig geschaffen wurde. 

Fazit und Ausblick

Mi dem RegE zum HinSchG zeichnet sich weiter deutlich ab: Unternehmen sollten zeitnah die erforderlichen Schritte einleiten und ein wirksames sowie angemessenes Hinweisgeber- bzw. Whistleblowing-System imple­mentieren. Auch wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung anonymer Meldekanäle vorgesehen ist, sind diese vor dem Hintergrund einer abgesenkten Hemmschwelle sowie der Haftungsvermeidung des Hin­weisgebers durchaus empfehlenswert. Vor diesem Hintergrund sollten zudem die Schnittstellen der Thematik mit dem Datenschutz- sowie dem Arbeitsrecht gleichermaßen überprüft werden, wie eine etwaige Unter­stützung durch digitale Tools. 


Deutschland Weltweit Search Menu