Einschränkung sachgrundlos befristeter Vertragsabschlüsse

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​Entscheidung des Bundeverfassungsgerichts, Beschluss vom 6. Juni 2018, 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14

veröffentlicht am 28. Juni 2018
  

Befristete Arbeitsverträge können nach den Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) grundsätzlich nur bei Vorliegen sachlicher Gründe rechtlich wirksam vereinbart werden. Hat der Arbeitnehmer zuvor nicht beim selben Arbeitgeber gearbeitet (Zuvor-Beschäftigung) lässt § 14 Abs. 2 TzBfG auch den Abschluss befristeter Verträge mit einer Höchstdauer von max. 2 Jahren zu, ohne dass ein Sachgrund vorliegen muss. Bereits vor 7 Jahren, erstmals im Jahr 2011, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Bestimmung im TzBfG in Anlehnung an die gesetzliche 3-jährige Regelverjährung im Bürgerlichen Gesetzbuch dergestalt ausgelegt, dass im Falle einer Zuvor-Beschäftigung dieselben Arbeitsvertragsparteien nach einer Unterbrechung von 3 Jahren einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag wirksam abschließen könnten.
  


 
Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer erwarteten seit langem mit Spannung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), ob die Auslegung des BAG rechtens und § 14 Abs. 2 TzBfG mit unserem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Mit Beschluss vom 6. Juni 2018 stellte das BVerfG als Hüter des GG schlussendlich die Verfassungsmäßigkeit von § 14 Abs. 2 TzBfG fest. Zudem schiebt das BVerfG der Auslegung des BAG nun einen Riegel vor. Nach Ansicht des BVerfG löst sich die Auslegung „von der gesetzgeberischen Grundentscheidung und ersetzt diese durch ein eigenes Regelungsmodell, dass der Gesetzgeber erkennbar nicht wollte”. Es stellt fest, dass es dem Gesetzgeber v.a. darauf ankam, die Aneinanderreihung von immer wieder sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen (sog. Kettenbefristungen) aus Arbeitnehmerschutz­gesichtspunkten zu unterbinden. Zudem sollte die unbefristete Dauerbeschäftigung die Regel­beschäftigungs­form sein.
 

Das BVerfG erkennt zwar an, dass durch die strenge Regelung im TzBfG, die sachgrundlos befristete Vertragsabschlüsse bei bestehender Vorbeschäftigung ausschließt, und durch die Abkehr von der Auslegung der BAG-Richter sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen und beeinträchtigt sein können. So könnten Arbeitnehmer, die bereits in einem Zuvor-Beschäftigungsverhältnis standen und sich erneut bewerben, bei gleicher Eignung, gegenüber anderen Bewerben, die noch nicht beim Arbeitgeber beschäftigt waren, Nachteile erleiden. Zudem seien Flexibilisierungs­möglichkeiten bzw. -interessen der Arbeitgeber, die auf sich ändernde Marktsituationen immer wieder schnell reagieren müssten, betroffen. Jedoch sind nach Ansicht der Verfassungswächter diese Einschränkungen auf Grund der angestrebten Ziele des Gesetzgebers gerechtfertigt und damit hinzunehmen.
 

Das BVerfG stellt aber auch fest, dass nicht zu starr auf das Zuvor-Beschäftigungsverbot gepocht werden darf und sich eine schematische Lösung wie die 3-Jahres-Regel des BAG verbietet. In bestimmten Fällen ist es also durchaus noch denkbar und rechtlich möglich, dass trotz einer bestehenden Zuvor-Beschäftigung in der Vergangenheit ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag wirksam abgeschlossen werden kann. Die Arbeitsgerichte müssten durch Auslegung des TzBfG im Einzelfall prüfen – so die Verfassungsrichter – ob eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit des Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis zu sichern. Eine sachgrundlose Befristung soll nach Ansicht des BVerfG exemplarisch in solchen Fällen möglich sein, in denen die Zuvor-Beschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Als Beispiele werden in der BVerfG-Entscheidung geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit sowie Arbeitsverhältnisse von Werkstudenten und studentischen Mitarbeitern bei ihrer Berufsqualifizierung aufgeführt. Auch bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht, könne u.U. ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag wirksam geschlossen werden.
 

Klare Grenzen wie die Drei-Jahres-Regelung des BAG gibt es damit nicht mehr. Die Arbeitgeber werden im Einzelfall entscheiden müssen, ob bei einer bereits bestehenden Vorbeschäftigung noch ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag wirksam abgeschlossen werden kann. Wir empfehlen, sich hierzu fachkundig beraten lassen. Will der Arbeitgeber in solchen Konstellationen aktuell sicher gehen, dass eine Befristung wirksam zustande kommt, ist es – zumindest solange keine konkretere arbeitsgerichtliche Rechtsprechung vorliegt – zu empfehlen, befristete Verträge nur mit zusätzlichem Sachgrund abzuschließen.
 

Zudem müssen sich Arbeitgeber wohl künftig darauf einstellen, dass Arbeitnehmer, mit denen in der Vergangenheit ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag trotz bestehender Vorbeschäftigung geschlossen wurde, die Umstellung auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis fordern bzw. auch versuchen werden, das gerichtlich durchzusetzen.
 

 

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