Spin-off & Co: Der Bundesfinanzhof entscheidet für Anleger

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veröffentlicht am 16. November 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Lesen Sie zu dem Thema auch unseren Artikel vom 10. Januar 2022: Spin-off & Co: Erneut positives Urteil des BFH »

 

Erneut hat der Bundesfinanzhof (BFH) für Anleger in ausländische Aktien eine steuerliche Lanze gebrochen. Ausländische Spin-offs müssen nicht zu steuer­pflichtigen Sachausschüttungen führen – steuerneutrale Abspaltungen liegen viel öfter vor, als das Bundesfinanzministerium (BMF) es wahrhaben will.



In zwei parallel veröffentlichen Urteilen legt der BFH entgegen der Auffassung des BMF fest, unter welchen Voraussetzungen eine ausländische Kapitalmaßnahme von Unternehmen in einem Drittstaat als steuerneutrale Abspaltung bewertet werden kann.
 
Das Urteil vom 1. Juli 2021, VIII R 9/19, betrifft einen Anleger, der in die Hewlett-Packard Company (HPC), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware, investiert hatte. Nachdem die HPC in Hewlett-Packard Inc. (HPI) umbenannt und das Unternehmenskundengeschäft der HPI auf ihre Tochter­gesellschaft Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE) übertragen worden war, erhielten die Aktionäre im Rahmen eines sog. „Spin-off” Aktien der HPE. Diese buchte die Bank des Klägers in sein Depot ein. Der Kläger war nunmehr im selben Verhältnis an beiden Gesellschaften beteiligt.
 
Das zweite Urteil des BFH vom 1. Juli 2021, VIII R 15 /20, betrifft eine Kapitalmaßnahme der eBay Inc. (eBay), einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Im Streitjahr übertrug eBay Vermögen auf die PayPal Holdings Inc. (PayPal), einer Tochtergesellschaft und ebenfalls Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware. Sodann teilte eBay ihre bereits gehaltenen Anteile an PayPal ihren Aktionären zu, sodass sie fortan im selben Verhältnis an den beiden Gesellschaften (eBay und PayPal) beteiligt waren.
 
Zunächst stellt der BFH fest, dass die Einlieferung von Aktien durchaus als steuerpflichtige Sachausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG gelte. Er prüfte sodann die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG, nach der bei Vorliegen einer Abspaltung die Zuteilung der neuen Aktien beim Anleger steuerneutral zu behandeln ist.
 
Voraussetzung sei, dass die „wesentlichen Strukturmerkmale” einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes erfüllt seien. Die Kapitalverkehrsfreiheit gebiete eine Erstreckung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG auf ausländische Vorgänge. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich (entgegen des BMF-Scheibens vom 18. Januar 2016, BStBl I 2016, 85, Rz 115 i.V.m. BMF-Schreiben vom 11. November 2011, BStBl I 2011, 1314, Rz 01.36). Entscheidend bei einer „Abspaltung” i.S. des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang” mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt. Der BFH spricht – jedenfalls in Drittstaatenfällen – von einer typusorientierten Auslegung der „Abspaltung”.
Die vom BMF vertretene sehr enge Anlehnung an die deutschen Regelungen einer Abspaltung führe von vornherein – und in mit der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV unvereinbarer Weise – zur Nicht­anwendung des § 20 Abs. 4a S. 7 EStG bei Anlegern in ausländische Gesellschaften, deren Rechtssystem einen Vermögensübergang kraft Gesetzes im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge nicht kennt.
 
Erst im Zeitpunkt einer späteren Veräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2 Satz 2) EStG sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern. Dabei ist zu beachten, dass die eingelieferten Aktien aufgrund der Abspaltung steuerlich (anteilig) an die Stelle der bereits gehaltenen Aktien treten (vgl. BTDrucks 17/10000, S. 54) und deren Anschaffungskosten (anteilig) übernehmen.
 
Die aufgeführten Urteile sind für Anleger jedoch keine Selbstläufer. Zu beachten ist, dass die Nachweispflicht einer steuerneutralen Abspaltung noch immer auf Seiten des Anlegers liegt. Von Depotbanken als steuer­pflichtige Sachausschüttungen behandelte Aktieneinlieferungen sind vom Anleger auf Steuerneutralität zu prüfen und über die Steuererklärung zu korrigieren.
 
Der Gesetzgeber hat zuletzt bei dem Streitpunkt in die Trickkiste gegriffen. Gem. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG führen die eingelieferten ausländischen Aktien – wenn keine Gegenleistung des Anlegers zu erbringen ist – weder zu einem Ertrag, noch erhalten die Aktien eine Zuteilung von Anschaffungskosten. Das führt zu einer vollen Versteuerung des Gewinns im Zeitpunkt der Veräußerung. Die Regelung gilt für die Zuteilung von Aktien, die ab 2021 erfolgt und bei denen die die Zuteilung begründenden Aktien unter dem Regime der Abgeltungsteuer angeschafft wurden.
 
Damit verlagert sich die steuerliche Problematik weg von der steuerlichen Sachausschüttung hin zum Thema Entstehung von Aktienverlusten und Aktiengewinnen. Während die Alt-Aktien zum Teil erheblichen Verluste nach einem Spin-off erfahren, führt die Versagung von Anschaffungskosten im Gegenzug zur einer ent­sprechenden Steigerung der Gewinne bei den eingelieferten Aktien. Das sollten Anleger bei steuerlich motivierten Veräußerungen nach einem Spin-off berücksichtigen. Der Nachweis einer Abspaltung führt in diesen Fällen nicht zu einer Steuervermeidung – bezogen auf die betroffenen Aktien – sondern nur zu einer Verlagerung von Anschaffungskosten von Alt-Aktien auf Neu-Aktien, und somit zu einer anteiligen Verlagerung der steuerlich relevanten Gewinne und Verluste.
 
Ein Anleger muss jedoch in den Fällen aufpassen, in denen die die Zuteilung begründenden Aktien durch Erwerb vor 2009 dem Bestandsschutz unterliegen. In solchen Fällen muss der Anleger auf jeden Fall bei Auslandssachverhalten, v.a. bei Aktien aus Drittstaaten, das Vorliegen einer Abspaltung nachweisen, um eine Aufteilung der Anschaffungskosten zu bewirken – ansonsten versteuert er in voller Höhe entweder die Sach­ausschüttung oder zu einem späteren Zeitpunkt den vollen Veräußerungsgewinn. Der Verlust aus den Alt-Aktien geht dann aufgrund vom Bestandsschutz steuerlich ins Leere.
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