Tarifeinheitsgesetz: Bundesverfassungsgericht lehnt Eilanträge der Spartengewerkschaften ab – Bedeutung für Unternehmen

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Am 6. Oktober 2015 hat das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge der Spartengewerkschaften Marburger Bund, Vereinigung Cockpit sowie des deutschen Journalistenverbands, das Tarifeinheitsgesetz vom 03. Juli 2015 vorerst auszusetzen, abgelehnt. Das Tarifeinheitsgesetz hat daher zunächst weiterhin Geltung (Beschluss vom 06. Oktober 2015, Az.: 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1582/15 und 1 BvR 1588/15).
 
Für Unternehmen bedeutet die Entscheidung, dass die in „Tarifeinheitsgesetz – Chancen und Risiken für Unternehmen” aufgezeigten Gestaltungsoptionen und Handlungsmöglichkeiten weiterhin Geltung haben.
 

Begründung des Bundesverfassungsgerichts für die Ablehnung

Begründet hat das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung damit, dass durch das Tarifeinheitsgesetz keine schwerwiegenden oder dauerhaften Nachteile für die Antragssteller auftreten bzw. keine derart wichtigen Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt insbesondere bei der Aussetzung von Gesetzen, da hierbei unmittelbar in die Zuständigkeit des Gesetzgebers eingegriffen wird.
 
Das Bundesverfassungsgericht erkennt zwar grundsätzlich an, dass durch das Tarifeinheitsgesetz die Kleingewerkschaften in ihrer tarifpolitischen Verhandlungsmacht geschwächt werden, allerdings wird die in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete tarifpolitische Betätigung an sich nicht berührt. Auch Gewerkschaften, die in einem Betrieb weniger Beschäftigte als eine konkurrierende Gewerkschaft organisieren können, sind weiterhin grundsätzlich nicht gehindert, Verhandlungen zu führen, was wesentlicher Zweck des Art. 9 Abs. 3 GG ist. Auch können sich die Gewerkschaften in solchen Fällen mit Hilfe ihres Streikrechts ihre Interessen einfordern.
 
Ferner stellen laut Bundesverfassungsgericht auch bis zur Hauptsacheentscheidung möglicherweise eintretende Kollisionsfälle keine derart gravierenden Nachteile für die Beschwerdeführer dar, die eine einstweilige Anordnung unabdingbar erscheinen lassen. Und sollte in der Hauptsache die Nichtigkeit der Kollisionsregel festgestellt werden, könnten bis dahin verdrängte Tarifverträge der Spartengewerkschaften auch für die Vergangenheit Geltung beanspruchen.
 
Auch eine Existenzgefährdung durch einen möglichen Mitgliederverlust der Kleingewerkschaften ist nicht hinreichend konkret zu erwarten, da vielmehr anzunehmen ist, dass die Gewerkschaftsmitglieder die Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren abwarten. Schwerwiegende, irreversible Nachteile liegen für die Beschwerdeführer folglich nicht vor.
 

Rechtliche Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überzeugt. Natürlich ist die Argumentation formaljuristisch, was vielen missfällt, jedoch juristisch nicht zu beanstanden ist. Und natürlich hätten sich zahlreiche Prozessbeobachter einen klaren Hinweis auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren, d.h. eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des Tarifeinheitsgesetzes, erhofft. Es ist aber nicht Aufgabe und auch nicht opportun für das Bundesverfassungsgericht sich an Spekulationen zu beteiligen.
 
Es bleibt daher dabei: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache, die schon bis Ende 2016 vorliegen soll, bleibt abzuwarten. Erst danach wird Rechtsklarheit herrschen.
 
Zudem haben die Kleingewerkschaften bis dahin die Möglichkeit – sollte es zu einer erheblichen Änderung der tatsächlichen Umstände kommen – erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Dies erscheint jedoch als unwahrscheinlich. Ebenso ist es unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht von sich aus eine einstweilige Anordnung zur Außervollzugsetzung des Tarifeinheitsgesetzes erlässt, was rechtlich ebenfalls möglich wäre.
 

Und was bedeutet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für Unternehmen?

Unternehmen sollten die Möglichkeiten, die das Tarifeinheitsgesetz eröffnet, nutzen. Die Zeit bis Ende 2016 sollte verwendet werden, um denkbare betriebsorganisatorische Maßnahmen zu prüfen. Ebenfalls sollte die verbesserte Handlungsposition gegenüber Spartengewerkschaften genutzt werden. Auch eine Anpassung der Arbeitsverträge, die bisher dynamisch auf einen Tarifvertrag der Kleingewerkschaft verwiesen haben, ist in Erwägung zu ziehen.
 
Hierzu beraten wir Sie gerne.​
 

 zuletzt aktualisiert am 19.10.2015

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