Multilaterales Instrument zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch

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Der Aktionspunkt 15 des BEPS-Berichtes (Base Erosion and Profit Shifting, kurz BEPS) beinhaltet ein multilaterales Instrument („Multilateral Convention to implement tax treaty related measures to pre­vent base erosion and profit shifting“ – auch „multilaterales Instrument“), das der Umsetzung der BEPS-Aktions­punkte in die Doppelbesteuerungsabkommen dient. Da die Umsetzung des BEPS-Ak­tionsplanes in mehr als 2 000 DBA kompliziert und zeitaufwendig wäre, sollten die wichtigsten BEPS-Maßnahmen in die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen auf multilateraler Ebene implemen­tiert werden. Die Fassung der bestehenden DBA ist nicht abzuändern, da das multilaterale In­stru­ment selbst als wirksame Rechtsgrundlage fungiert.
​Das multilaterale Instrument hat nicht zum Ziel, die bestehenden DBA zu ersetzen, sondern sie abzu­ändern, um die BEPS-Empfehlungen umzusetzen. Bis auf Mindeststandards, die den Abkom­mens­missbrauch bekämpfen (BEPS-Aktionspunkt 6) und die Streitbeilegungsmechanismen (BEPS-Aktions­punkt 14) verbessern sollen, ist es den Landesregierungen überlassen, für welche DBA und welche Bestim­mungen dieser DBA das multilaterale Instrument gelten wird. Sollten die BEPS-Maßnahmen in die je­weiligen Doppel­besteuerungsabkommen umgesetzt werden, müssen sie von beiden Vertrags­staaten angewandt werden.


Das multilaterale Instrument berücksichtigt die folgenden BEPS-Aktionspunkte:

  • Neutralisierung der Effekte von Hybrid Mismatch Arrangements (BEPS-Aktionspunkt 2)
  • Verhinderung von Abkommensmissbrauch (BEPS-Aktionspunkt 6)
  • Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte (BEPS-Aktionspunkt 7)
  • Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen (BEPS-Aktionspunkt 14)

Neutralisierung der Effekte von Hybrid Mismatch Arrangements

Bei hybriden Gestaltungen wird die unterschiedliche steuerliche Behandlung der meistens in meh­­reren Ländern tätigen Konzernunternehmen ausgenutzt, um eine doppelte Nichtbesteuerung oder eine nachhaltige Verschiebung der Steuerschuld zu erreichen. Konkret handelt es sich dabei um hybride Rechtsträger, die in einem Staat als transparent und im anderen Staat als nicht trans­parent betrachtet werden, sowie um hybride Finanzierungsinstrumente und konzerninterne Ge­schäfte. Auch eine doppelte Ansässigkeit kann ermöglichen, dass die Einkünfte in keinem Staat versteuert werden.

Beispiel – Hybride Finanzierungsinstrumente 

Die im Staat A unbeschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft gewährt ihrer Tochtergesellschaft, die im Staat B ansässig ist, ein Darlehen zu marktüblichen Bedingungen. Im Staat B gelten die an die Muttergesellschaft bezahlten Darlehenszinsen als Betriebsausgabe. Im Staat A liegen jedoch steuer­freie Beteiligungserträge – Dividenden – vor. Die Unterschiede bei der rechtlichen Einordnung  des Finanzinstrumentes führen zu Besteuerungsinkongruenzen (hier „Deduction/No inclusion) – zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen beim Zahlenden und zur Nichtbesteuerung der Einnahmen beim Empfänger. 

Das multilaterale Instrument zielt im Bereich der hybriden Gestaltungen vor allem auf Unternehmen, die als transparent gelten, und deren Steuervorteile, die durch die doppelte Ansässigkeit entstehen, ver­mieden werden sollten.

Unrechtmäßige Inanspruchnahme von DBA-Vorteilen 

Um klarzustellen, dass die Doppelbesteuerungsabkommen nicht zur Herbeiführung einer doppelten Nichtbesteuerung genutzt werden dürfen, soll die Präambel der bestehenden DBA neu formuliert werden. Die missbräuchliche Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, die zur vollständigen Nichtbesteuerung von Einkünften oder zur Minderung der Steuergewinne führt, ist untersagt – z.B. in Form der  Steuer­verkürzung, Steuerhinterziehung oder des sog. treaty shopping. Das treaty shopping sind Strategien, mit denen ein in einem Staat nicht ansässiges Subjekt versucht, die Ver­günstigungen nach einem von diesem Staat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch zu nehmen.

Beispiel – Treaty shopping

An die im Staat A unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft fließen Einkünfte aus dem Staat B. Zwischen beiden Staaten wurde kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Das Doppelbe­steuerungsabkommen besteht jedoch zwischen dem Staat B und dem Staat C. Werden die Geschäfte über den Staat C abgewickelt, um so die Vorteile aus dem DBA zwischen dem Staat C und Staat B in Anspruch zu nehmen, liegt das treaty shopping vor. Durch das multilaterale Instrument sollen diese unberechtigt beanspruchten Abkommensvorteile unterlassen werden.

Principle Purpose Test

Neben der Ergänzung der Präambel enthält das multilaterale Instrument konkrete Formulierungen, die Abkommensvergünstigungen versagen, sofern das Ziel einer steuerlichen Gestaltung das Her­beiführen einer Abkommensvergünstigung ist (principle purpose test). Diese Regel entspricht dem BEPS-Mindeststandard. Ihre Nichtimplementierung ist nur dann möglich, wenn das bestehende Ab­kommen bereits Grundsätze für die Gewährung der Abkommensvorteile enthält (z.B. DBA zwischen Tschechien und den USA Artikel 17 – Beschränkung der Vorteile/Limitation on benefits).

Kapitalertragsteuer aus Dividenden 

Durch das multilaterale Instrument wird des Weiteren die Spekulationsfrist für die ermäßigte Kapital­ertragsteuer aus Dividenden eingeführt.

Beispiel – Ermäßigung der Kapitalertragsteuer

Nach der aktuellen Fassung des deutsch-slowakischen DBA darf die Kapitalertragsteuer auf  5 Prozent der Brutto-Dividende ermäßigt werden, falls die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft minde­stens 10 Prozent beträgt. Nach dem multilateralen Instrument sollte diese Ermäßigung erst nach Ablauf der Spekulationsfrist von 365 Tagen möglich sein.


Das multilaterale Instrument ermöglicht die Besteuerung der Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, deren Vermögen vorwiegend im Grundvermögen besteht. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Tschechischen Republik und den USA gelten z.B. die Anteile an Körperschaften, deren Vermögen zu mehr als 50 Prozent auf dem im anderen Ver­trags­staat liegenden Grundvermögen beruht, als Grundstücke und Bauten. Ist diese Voraussetzung inner­halb von 365 Tagen erfüllt, können die Erträge aus der Veräußerung von Anteilen im anderen Vertragsstaat besteuert werden.

Verhinderung der Betriebsstätte 

Um die künstliche Umgehung der Betriebsstätte zu bekämpfen, zielt das MLI darauf, den Betriebs­stät­tenbegriff breiter zu definieren. Da diese Regeln nicht Gegenstand von Mindeststandards sind, ist deren Implementierung in die entsprechenden bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen und ins nationale Recht freiwillig.


 

Abhängiger Vertreter

Für die Beurteilung, ob eine Betriebsstätte entsteht oder nicht, galt bisher ein Vertreter als abhängig, wenn er berechtigt war, die Verträge im Namen der Gesellschaft abzuschließen. Die neue Definition geht nun weiter – nach dem neuen Ansatz der OECD ist der Vertreter abhängig, wenn er beim Ver­trags­abschluss die Schlüsselrolle spielt.


Unabhängiger Vertreter

Der unabhängige Vertreter ist im Vergleich zum abhängigen Vertreter ein Ausnahmefall – die Be­triebsstätte wird nicht begründet, wenn für das Unternehmen im anderen Vertragsstaat ein unab­hängiger Vertreter tätig ist. Durch das multilaterale Instrument wird der Begriff des unabhängigen Vertreters verengt. Ein Vertreter, der ausschließlich oder fast ausschließlich für ein Unternehmen oder für mehrere Unternehmen tätig ist, mit dem/denen er verbunden ist (ihm oder ihnen nahesteht), ist kein unabhängiger Vertreter – dies hat die Betriebsstättenbegründung zur Folge.
 

Ausnahmekatalog – Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten

Nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen entsteht keine Betriebsstätte, wenn ein Unter­nehmen aus einem Vertragsstaat die im Ausnahmeka­talog definierten Tätigkeiten im anderen Ver­tragsstaat ausübt. Als Betriebsstätte gelten u.a. nicht die Geschäftsein­richtungen, die ausschließlich der Lagerung und Auslieferung von Waren oder der Weiterverar­beitung durch ein anderes Unter­nehmen dienen. Zu weiteren Tätigkeiten aus dem Ausnahmekatalog zählen alle Tätigkeiten vor­bereitender Art oder Hilfstätigkeiten (z.B. lokale Marktforschung).

Nach dem multilateralen Instrument können die DBA um die Voraussetzung erweitert werden, dass die Tätigkeiten aus dem Ausnahmekatalog eine Betriebsstätte nur dann nicht begründen, wenn sie als Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten gelten. Sollte z.B. durch die Lagerung von Wa­ren im anderen Vertragsstaat die Betriebs­stätte nicht entstehen, müsste die Lagerung als Tätigkeit vorbereitender Art gelten oder eine Hilfstätigkeit darstellen.
 
Beispiel – Tätigkeiten vorbereitender Art und Hilfstätigkeiten

Ein Unternehmen, dessen überwiegende Geschäftstätigkeit der Versand ist, unterhält im anderen Vertragsstaat ein großes Lager, aus welchem die Waren in verschiedene Länder versandt werden. Die Betriebsstätte wird höchstwahrscheinlich begründet, da diese Lagerung nicht als Tätigkeit vorbe­reitender Art bzw. Hilfstätigkeit beurteilt werden kann.
 

Künstliche Verhinderung der Entstehung von Bau- und Montagebetriebsstätten mittels Aufspaltung von Geschäftstätigkeiten (sog. „splitting-up contracts”)

Das multilaterale Instrument enthält des Weiteren eine neue Regelung gegen künstliche Verhin­derung der Entstehung von Bau- und Montagebetriebsstätten mittels Aufspaltung von Geschäfts­tätigkeiten. Nach der aktuellen Regelung gilt eine Bauausführung oder Montage nur dann als Be­triebsstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet.  Die Regelung gegen „splitting-up cont­racts” zielt des Weiteren darauf ab, dass die 12-Monate-Regelung durch die Aufteilung der Aufträge auf mehrere Unternehmen nicht umgegangen wird. 

Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen

Da man erwartet, dass nach der Implementierung der BEPS-Aktionspunkte mehrere Verständigungs­verfahren geführt werden, um bei divergierenden Auffassungen über die Anwendung der Abkom­men zu einem einheitlichen Verständnis zu kommen, führt das multilaterale Instrument den Min­deststandard ein, der die Streitbeilegung effizient gestalten und beschleunigen soll. Die Körper­schaften sollten sich einfacher auf der Lösung der Doppelbesteuerungskonflikte einigen.


Schlusswort

Das multilaterale Abkommen zur Implementierung der BEPS-Maßnahmen sollte während feierlicher Zeremonie im Juni 2017 in Paris unterzeichnet werden und anschließend durch einzelne Mitglieds­staaten ratifiziert werden. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten, in  welchem Umfang das multilaterale Abkommen ins tschechische Recht implementiert wird und wie es sich auf tschechische Unternehmen auswirkt.
 
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