Die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 10. August 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten
von Dr. Kai-Uwe Bandtel, Rödl & Partner München, und Konstantin Unzeitig

 

Die neuen Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021 (nachfolgend VWG VP) wurden am 14. Juli 2021 veröffentlicht. Sie erstrecken sich über 44 Seiten und ersetzten insgesamt sieben BMF-Schreiben, die sich auf Verrechnungs­preise beziehen. Sie gelten ab sofort und sollen auf alle aktuell offenen Fälle angewendet werden.

 

 

 

 

Konkret werden folgende BMF-Schreiben ersetzt:

  • „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen“ vom 23. Februar 1983;
  • „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüber­schreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren)“ vom 12. April 2005;
  • „Anwendung des § 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen und anderen Wertminderungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen“ vom 29. März 2011;
  • „Glossar ‚Verrechnungspreise‘“ vom 19. Mai 2014;
  • „Namensnutzung im Konzern“ vom 7. April 2017;
  • „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung durch Umlageverträge zwischen international verbundenen Unternehmen“ vom 5. Juli 2018;
  • „Wirtschaftliche Gründe, die den Abschluss eines Geschäfts unter nicht „fremdüblichen Bedingungen“ rechtfertigen – EuGH-Urteil vom 31. Mai 2018 in der Rechtssache C-382/16“ vom 6. Dezember 2018.

 

Die VWG VP gliedern sich in 6 Kapitel:

  • Grundsätze der Einkünftekorrektur,
  • Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für die Prüfung der grenzüberschreitenden Geschäfts­beziehungen,
  • Leitlinien,
  • weitere allgemeine Grundsätze,
  • Glossar und Aufhebung von BMF-Schreiben und
  • Anwendungsvorschrift.

 

Die VWG VP stellen eine Konsolidierung der bereits bestehenden BMF-Schreiben dar. Zusätzlich soll durch die Aufnahme der Verrechnugspreisleitlinien 2017 der OECD in die Anlage 1 der VWG VP eine Harmonisierung des internationalen Verständnis des Fremdvergleichs herbeigeführt werden. Neben der reinen Aufnahme der Verrechnungspreisleitlinien der OECD in die Anlage 1 finden sich in der VWG VP zahlreiche Verweise auf diese Leitlinien. Das ermöglicht es dem Steuerpflichtigen bei den entsprechenden Sachverhalten sich an den Regelungen der Verrechnungspreisleitlinien zu orientieren. Mit 23 Seiten ist das Kapitel III das umfangreichste der insgesamt 6 Kapitel.

 

Die auffälligsten Änderungen, die sich in den VWG VP ergeben haben, beziehen sich auf die Themengebiete Verlustsituation, immaterielle Vermögenswerte, Dienstleistungen und Finanzierungsbeziehungen.

 

Verlustsituationen in internationalen Unternehmensgruppen wurde als eigenständiger Punkt in die VWG VP aufgenommen. Die Finanzverwaltung vertritt den Standpunkt, dass Routineunternehmen keiner dauerhaften Verlustsituation ausgesetzt sein dürfen und gibt einen Zeitraum von 5 Jahren vor, innerhalb dessen ein Routineunternehmen einen angemessenen Totalgewinn erzielen muss. Somit werden betroffene Unter­nehmensgruppen in diesen Situationen erhöhten Dokumentationsanforderungen ausgesetzt sein, um Diskussionen vorzubeugen bzw. zu verteidigen.

 

Bei den immateriellen Vermögenswerten wurden die DEMPE-Funktionen zur zutreffenden Allokation der Erträge aus der Nutzung von immateriellen Vermögenswerten in die VWG VP aufgenommen. Die Finanzver­waltung schließt sich damit der OECD an, dass die Funktionen nach DEMPE in einer eigenen Funktions- und Risikoanalyse dokumentiert werden müssen. Zusätzlich soll nachgewiesen werden, dass die betroffenen Unternehmen auch die Kapazitäten zur Risikoübernahme und -kontrolle besitzen. Das wird voraussichtlich ebenfalls zu einem erhöhten Dokumentationsaufwand führen. Ebenfalls in Verbindung mit immateriellen Wirtschaftsgütern steht die Bestimmung einer fremdüblichen Lizenzhöhe. Sie soll im Regelfall anhand des hypothetischen Fremdvergleichs festgestellt werden. Zusätzlich soll eine Lizenzzahlung der Höhe nach nur so lange als fremdüblich erachtet werden, solange das lizenznehmende Unternehmen aus der Nutzung der Lizenz ein angemessenes Betriebsergebnis erzielen kann.

 

Als weitere Neuerung in den VWG VP wurde der Themenkomplex Low-Value-Adding-Services aufgenommen. Die Regelungen bestimmen, welche Kriterien vorliegen müssen, damit eine Dienstleistung als Low-Value-Adding-Service klassifiziert werden kann. Zusätzlich werden beispielhaft Tätigkeiten genannt, die unter diese Charakterisierung fallen. Zusätzlich wird ein Kostenaufschlag i.H.v. 5 Prozent genannt, der im Regelfall als fremdüblich angesehen werden kann.

 

Die VWG VP behandeln weiter das Thema Finanzierungsbeziehungen. Für Darlehensbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen wird in den VWG VP explizit auf das Kapitel X der OECD Verrechnungspreis­leit­linien 2017 verwiesen. Als ersten Schritt erwähnen die VWG VP die Prüfung, ob die Darlehensbeziehung steuerrechtlich als Fremdkapital zu qualifizieren ist. Damit die Zinszahlungen als fremdüblich angesehen werden, muss das Darlehen wirtschaftlich erforderlich und aus Gründen des Geschäftszweckes aufgenommen worden sein. Zudem soll eine eigene Funktions- und Risikoanalyse für diese Art der Transkation durchgeführt werden. Sofern eine Finanzierungsgesellschaft nicht die nötigen Fähigkeiten oder Befugnisse besitzt, um das Risiko der Darlehensbeziehung zu tragen, soll diese Gesellschaft – laut der Auffassung der Finanzverwaltung – lediglich bis zur Höhe einer risikolosen Rendite vergütet werden. Sie soll anhand der Kostenaufschlags­methode berechnet werden. Zusätzlich hat die Finanzverwaltung ihre Sicht bzgl. des Themas Konzernrückhalt und Besicherung von Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen in den VWG VP festgehalten. Der Konzernrückhalt zählt nicht als Besicherung, jedoch soll er beim Kredit-Rating des Darlehensnehmers mitberücksichtig werden. Das Thema Besicherung eines Darlehens wurde ebenfalls in die VWG VP aufgenommen. Jedoch wird dabei auf die jeweilige Einzelfallprüfung verwiesen und keine abschließende Aussage dazu getroffen.

 

Neben den Darlehensbeziehungen wird auch das Thema Cash-Pooling in den VWG VP aufgeführt. Die Finanzverwaltung unterstellt, dass der Cash-Pool-Führer grundsätzlich nur Routineleistungen ausführt und daher nur eine Vergütung der Kosten zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags erhalten soll.

 

Im Gegensatz zu den Verwaltungsgrundsätzen-Verfahren 2005, in denen die Finanzverwaltung noch vom Konzept des Mittel- und Hybridunternehmens ausgegangen war, ist das in den VWG VP nicht mehr enthalten. Insoweit besteht eine Unsicherheit, welche Auswirkungen das in der Praxis haben wird. Zu erwarten ist eine Annäherung an den internationalen Standard.

 

Die Konkretisierung der Berechnung der fremdüblichen Bandbreite, die im BMF-Schreiben Verwaltungs­grund­sätze-Verfahren 2005 anhand eines Rechenbeispiel dargestellt worden ist, wurde nicht in die VWG VP übernommen. Zusätzlich ist die Finanzverwaltung der Auffassung, dass das stetige Anpassen des Verrechnungspreises auf den unteren oder oberen Wert der fremdüblichen Bandbreite, auf fremdunübliche Bedingungen hinweist. Welche Konsequenzen das für laufende und künftige Betriebsprüfungen hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.

 

Zusammenfassung

Es ist davon auszugehen, dass die Themengebiete, in denen sich Änderungen ergeben haben, Schwerpunkte in den laufenden und künftigen Betriebsprüfungen darstellen werden. Das erstreckt sich auf alle noch offenen Sachverhalte, sodass die Auffassung der Finanzverwaltung faktisch auch Rückwirkung besitzt. Die bestehenden Verrechnungspreissachverhalte sollten daher unter Berücksichtigung der Neuerungen analysiert und die bestehenden und künftigen Dokumentationen entsprechend angepasst werden. Es ist zu erwarten, dass sich dadurch auch die Verteidigung in der Betriebsprüfung als aufwändiger erweisen wird.

Deutschland Weltweit Search Menu