EuGH: Generalanwalt bestätigt die Rechtsauffassung der Hilfsorganisationen in der Rechtssache C-465/17 (Falck Rettungsdienste GmbH gegen Stadt Solingen)

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Autoren: Norman Lenger und Jana Wollmann 

 

​Am 14. November 2018 hat der Generalanwalt beim EuGH Manuel Campos Sanchez-Bordona seine Schlussanträge vorgetragen. Im Ergebnis freuen wir uns für unseren im Verfahren beteiligten Mandanten, dass der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen die von Rödl & Partner, der Bundesrepublik Deutschland, der Stadt Solingen und den anderen anerkannten Hilfsorganisationen gemeinsam vertretene Rechtsauffassung grundsätzlich bestätigt hat. Das entsprechende Urteil wird im 1. Quartal 2019 erwartet.

  

Ein Blick zurück

Im März 2016 beschloss die Stadt Solingen (Deutschland), die kommunalen Rettungsdienstleistungen für die Dauer von fünf Jahren neu zu vergeben. Statt einer Veröffentlichung der Vergabe des Auftrags forderte die Stadtverwaltung lediglich vier Hilfsorganisationen zur Angebotsabgabe auf. Letztlich erhielten zwei von ihnen – darunter unser Mandant - den Zuschlag für je eines der Lose, in die sich der Auftrag aufteilte. Zwei Rettungs- und Krankendienstunternehmen, rügten bei der Vergabekammer Rheinland (Deutschland), dass die Auftragsvergabe in einem unionsrechtskonformen öffentlichen Verfahren hätte erfolgen müssen. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag als unzulässig, da § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB zur Anwendung komme. Diese Entscheidung griffen die Antragstellerinnen mit einer sofortigen Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf an. Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf soll der EuGH darüber befinden, ob bestimmte Rettungsdienstleistungen vergabepflichtig sind. Denn nach Art. 10 Buchst. h der Richtlinie 2014/24/EU2 besteht eine Bereichsausnahme für öffentliche Aufträge, die bestimmte von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbrachte Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr zum Gegenstand haben. Nun soll geklärt werden, ob diese Ausnahme den „Einsatz von Krankenwagen“ betrifft und wie die Worte „gemeinnützige Organisation oder Vereinigung“ auszulegen sind. In Bezug auf sie ist fraglich, inwieweit ihre Tragweite durch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden kann.

  

Die Schlussanträge

Der Generalanwalt hat die Vorlagefragen im Wesentlichen zu Gunsten der Hilfsorganisationen beantwortet. Insbesondere hat er zur Frage Stellung genommen, wie zwischen einem Einsatz eines Krankenwagens im Notfall und der reinen Patientenbeförderung im Krankenwagen unterschieden werden kann. Nach der Auffassung des Generalanwalts greift im Ergebnis sowohl
  • bei der Vergabe von Notfallrettungsdienstleistungen,
  • als auch bei der Vergabe vom sog. „qualifizierten“ Krankentransport an gemeinnützige Hilfsorganisationen

die Bereichsausnahme § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Eine Ausschreibungspflicht besteht dann nicht. Der qualifizierte und der einfache Krankentransport unterscheiden sich dadurch, dass bei den qualifizierten Krankentransporten „neben der bloßen Beförderung eine für die Versorgung von Notfallpatienten angemessene medizinische oder ärztliche Leistung geboten wird.“ Anders gewendet: Wird im konkreten Fall eine Dienstleistung erbracht, die kein anderes Transportmittel (z.B. ein Taxi) bieten könnte? Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob ein Arzt, ein Rettungsassistent oder ein Rettungssanitäter tätig wird. Es ist entscheidend, dass eine unerlässliche Versorgung an Bord sichergestellt ist, damit der Transport des Patienten so durchgeführt werden kann, dass er (unverzüglich) in ein Krankenhaus gebracht wird, so dass so schnell wie möglich die zur Erhaltung seines Lebens, seiner Gesundheit und seiner körperlichen Unversehrtheit erforderliche medizinische Versorgung gewährleistet ist. Die vom Generalanwalt an die von der Bereichsausnahme erfassten Krankentransportdienste gestellten Anforderungen decken sich mit den Anforderungen, die an den qualifizierten Krankentransport nach nationalem Recht gestellt werden. Diese sind in der Krankentransport-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 SGB V geregelt.

  
Ferner hat der Generalanwalt zum Begriff der gemeinnützigen Organisation im Kontext der Richtlinie festgestellt, dass es bei der Bestimmung einer Organisation als gemeinnützig nicht zwingend darauf ankommt, dass eine Organisationsstruktur auf Freiwilligentätigkeit beruhe. Dies kann auch lediglich auf das Fehlen eines Erwerbszwecks hindeuten. Vielmehr kommt es darauf an dass die die Leistungen erbringenden Einrichtungen tatsächlich keinen Erwerbszweck verfolgen und dass sie etwaige umständehalber – also ohne Gewinnstreben – erzielte Gewinne der Erfüllung ihrer sozialen Aufgabe widmen. Die strengen nationalen steuerrechtlichen Anforderungen an die Gemeinnützigkeit entsprechen inhaltlich insgesamt den Anforderungen an den europarechtlichen Gemeinnützigkeitsbegriff, sodass nach dem deutschen Steuerrecht als gemeinnützig anerkannte Institutionen auch als gemeinnützig im Sinne der EG-Richtline zu sehen sind.

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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