Das gemeindliche Vorkaufsrecht für Wohngebiete

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​VG Mainz, Urteil vom 06.05.2020, Az.: 3 K 616/19.MZ

Gemeinden dürfen ihr Vorkaufsrecht für eine als Wohngebiet ausgewiesene Fläche ausüben, wenn sie zeitnah auf die Verwirklichung des Wohngebiets hinwirken.


Im streitgegenständlichen Fall erwarb der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 31. August 2018 ein als Ackerland langfristig verpachtetes, 21.443 m² großes Grundstück. Eine Teilfläche des Grundstücks liegt im Bereich eines Flächennutzungsplans, der die streitgegenständliche  Landwirtschaftsfläche als  „Wohnbaufläche” ausweist. Nachdem die Beklagte, hier also die Gemeinde, durch Mitteilung der Notarin vom Grundstückskaufvertrag Kenntnis erlangte, beschloss der Gemeinderat, nach schriftlicher Anhörung des Klägers, am 09. Oktober 2018 bezüglich einer Teilfläche von 7.378 m² des verkauften Grundstücks das Vorkaufsrecht „zum Zwecke der künftigen Entwicklung von Wohnbaufläche” auszuüben. Dies teilte die Beklagte mit entsprechendem Bescheid vom 23. Oktober 2018 dem Kläger mit. Dieser erhob sodann Klage gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts und stützte diese insbesondere darauf, dass die Umsetzung eines Baugebiets im Bereich des betreffenden Grundstücks derart weit in der Zukunft liege, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts hierdurch nicht gerechtfertigt werden könne.


Das VG Mainz gab nun der Klage statt und hob den Bescheid vom 23. Oktober 2018 auf. Zwar sei nach Ansicht des Gerichts der Bescheid formell rechtmäßig ergangen, jedoch sei die Ausübung nicht materiell rechtmäßig erfolgt. Zur Bejahung der materiellen Rechtmäßigkeit müsse der Beklagten einerseits ein Vorkaufsrecht zustehen und andererseits müsse sie dieses auch zum Wohle der Allgemeinheit ausüben. Im gegebenen Fall liege entsprechend der Rechtsgrundlage, auf der das gemeindliche Vorkaufsrecht beruht, ein das Vorkaufsrecht auslösender Fall vor, da es sich eben gerade um den Kauf eines Grundstücks handelt, dessen Fläche eine unbebaute Außenbereichsfläche darstellt und für die im Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet vorgesehen ist. Fraglich sei demnach allein, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtmäßig erfolgte, das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung also rechtfertigt. Maßgeblich ist das hiermit verfolgte städtebauliche Ziel, vorliegend also, Flächen für den Wohnungsbau zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund rechtfertige das Gemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts nur, wenn damit Flächen für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden sollen und dieses Ziel tatsächlich angestrebt wird. Keinesfalls dürfe das Vorkaufsrecht als Mittel einer allgemeinen Bodenbevorratung verstanden werden.


In diesem Zusammenhang unterliege die Ausübung des Vorkaufsrechts ferner einer zeitlichen Grenze.

So sei eine Rechtfertigung nur dann möglich, wenn die Beklagte alsbald die für die Erreichung des städtebaulichen Ziels erforderlichen Schritte vornimmt. Das Ziel, Wohnbauland bereit zu stellen, gebiete regelmäßig die baldige Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplans für Wohnbauzwecke und einen dahingehenden Nachweis durch entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen. Sind im Zeitpunkt der

Ausübung die Planvorstellungen der Gemeinde dagegen noch vollkommen unbestimmt und ist eine Überplanung erst langfristig zu erwarten, müsse die Rechtfertigung verneint werden. So sei es auch im streitgegenständlichen Fall, was sich insbesondere darin zeigt, dass die Beklagte, welche aktuell bereits ein Baugebiet vermarkte, noch drei weitere Bauerweiterungsgebiete angedacht habe. Diesbezüglich habe sie nicht festgelegt, welches der drei sodann in welchem zeitlichen Rahmen und in welcher Reihenfolge einer Wohnbaunutzung zugeführt werden solle. Bekannt sei nur, dass das Gebiet, in dem das Kaufgrundstück liegt, erst im Anschluss an andere Flächen überplant werden solle. Damit könne das Gemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte nicht rechtfertigen.

 

Fazit:

Die Ausübung für im Flächennutzungsplan ausgewiesene Wohnbauflächen ist zum Wohl der Allgemeinheit nur gerechtfertigt, wenn die Gemeinde zeitnah Maßnahmen trifft, die Wohnbauland bereit stellen und somit das städtebauliche Ziel verwirklichen. Solange die Verwirklichungsmaßnahmen nicht ausreichend bestimmbar sind, läuft die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts regelmäßig ins Leere.

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