PV-Allgemeinstrom: Eine logische Erweiterung des Contracting-Geschäftsmodells für Stadtwerke

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​veröffentlicht am 1. Juni 2021

 

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Stadtwerke sind sowohl im Bereich des Wärmecontracting als auch im Bereich der Stromversorgung mit Lokalstromprodukten regelmäßig erfolgreiche Marktakteure. Mit einer Erweiterung von Wärme-Contracting-Konzepten um PV-Anlagen zur Deckung des Heizungsstrombedarfs und des sonstigen Allgemeinstrombedarfs von Vermietern und Wohnungseigentümergemeinschaften besteht eine miet- und EEG-rechtlich einfache Möglichkeit zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und Ausbau der lokalen Erneuerbare-Energien-Erzeugung. Eine entsprechende Ergänzung bestehender Contracting-Geschäftsmodelle ist deshalb eine naheliegende Weiterentwicklung für Stadtwerke, die bereits im Geschäftsfeld Wärme-Contracting tätig sind oder mit einem innovativen Konzept einsteigen wollen.


Hohes PV-Mieterstrompotenzial am EEG-Gesetzgeber gescheitert

Das sog. „Nutzer-Investor-Dilemma” gilt immer noch als eine der Hürden, die die Nutzung der Dachflächen von Mietimmobilien für Solaranlagen verhindert. Deshalb besteht in Deutschland nach wie vor ein hohes, ungenutztes PV-Flächenpotenzial auf Mietimmobilien. Zwar sollte die Mieterversorgung mit Solarstrom durch den sog. „Mieterzuschlag” des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefördert werden. Die sog. „Mieterstrombelieferung” mit Mieterstromzuschlag ist jedoch messtechnisch, energiewirtschaftlich und -rechtlich aufwendig, sodass die Ausbauziele der Mieterstrombelieferung bisher verfehlt wurden. Auch mit der Novellierung der Mieterstromförderung durch das EEG 2021 wurden die grundsätzlichen Mängel der Mieterstromförderung nicht beseitigt, sodass weiterhin auf einen Boom der Mieterstrombelieferung zu warten ist. Das bisherige Konzept des EEG-Mieterstromzuschlags gilt deshalb als gescheitert.


Mieterrechtliche Hürden für PV-Allgemeinstrom

Eine messtechnisch und energiewirtschaftlich einfachere Lösung wäre danach für viele Vermieter, den Solaranlageneigenstrom zur Deckung des Allgemeinstrombedarfs in der Mietimmobilie zu verwenden und die Kosten im Rahmen der mietrechtlichen Nebenkostenabrechnung auf die Mieter umzulegen. Allerdings hält hier der komplexe Miet- und WEG-rechtliche Rahmen und die hiermit verbundenen rechtlichen Risiken bei der Nebenkostenabrechnung viele Vermieter davon ab, selber in PV-Anlagen zu investieren. Neben messtechnischen Anforderungen aus den Vorgaben der Betriebskostenverordnung und Heizkostenverordnung steht der Nebenkostenumlage von PV-Allgemeinstrom vor allem die Beschränkung umlagefähiger Kosten auf Kosten des laufenden Betriebs entgegen (§ 556 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 1 Abs. 1 BetrKostV). Da die Kosten des PV-Allgemeinstroms vor allem aus Investitionskosten bestehen, kann diese Hürde des Mietbetriebskostenrechts nur mit einigen juristischen Klimmzügen überwunden werden.


Mit PV-Contracting über alle juristischen Hürden

Eine einfache Alternative ist dagegen die Einbeziehung der Solaranlage in ein Contracting-Konzept. Anders als beim Eigenbetrieb ist die Umlagefähigkeit der Kosten der gewerblichen Wärmelieferung im Betriebskostenrecht ausdrücklich gesetzlich anerkannt (§ 2 Nr. 4 c) und Nr. 5 b) BetrKostV). Dabei bestehen keine Zweifel, dass der Wärmelieferant auch seine Investitionskosten für die Heizungsanlage über die Wärmeentgelte refinanzieren darf. Wird eine PV-Anlage in ein Heizungssystem zur Deckung des Betriebsstrombedarf der Heizung integriert, so gilt sie als Bestandteil des Heizungssystems. Insofern bleibt es dem Contractor als gewerblichem Wärmelieferant unbenommen, einen entsprechenden Kostenansatz für den Solar-Heizungsstrom bei der Kalkulation seiner Wärmeentgelte in Ansatz zu bringen. Der Contracting-Nehmer als Vermieter kann damit mittelbar die Investitionskosten in die PV-Anlage im Rahmen der mietvertraglichen Betriebskostenregelungen auf die Mieter umlegen.


Dabei ist allerdings bei einer Umstellung von Eigenregie auf gewerbliche Wärmelieferung das Erfordernis der Kostenneutralität (§ 556c Abs. 1 Nr. 2 BGB) zu beachten. Da die PV-Eigenstromversorgung jedoch gegenüber dem Stromfremdbezug immer kostengünstiger ist (s. u.), trägt die Integration einer PV-Anlage in das Contracting-Konzept zur Einhaltung der Kostenneutralitätsanforderungen bei. Insofern kann eine PV-Anlage gerade auch bei einem Contracting-Geschäftsmodell auf der Grundlage der Übernahme bestehender Heizungsanlagen ein entscheidender Hebel sein, um die Hürde der Kostenneutralität zu überwinden. Ist dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Heizungsanlagenmodernisierung erforderlich, steht die Hürde der Kostenneutralität der Modernisierung nicht mehr im Wege, da bei Folge-Contracting-Verträgen die Kostenneutralität nicht erneut erfüllt werden muss.

 

Nach den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für neue Immobilien können EE-Nutzungspflichten (§ 36 Satz 2 GEG) auch mit einer PV-Anlage zur Deckung des Heizungsbetriebs- und sonstigen Allgemeinstrombedarfs erfüllt werden. Weiterhin kann die Erzeugung von PV-Strom auf einer Immobilie bei der Ermittlung des Primärenergiefaktors in Ansatz gebracht werden (§ 23 GEG), sodass Immobilieneigentümer und Bauträger andere bauliche Maßnahmen zur Erfüllung von  Energieeffizienzvorgaben einsparen oder durch eine Senkung des Primärenergiefaktors die Vermarktbarkeit ihrer Immobilie verbessern können.


Insofern können die rechtssichere, einfache Umlegbarkeit von PV-Heizungsstrom, die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und die damit verbundenen Kostensenkungen im Rahmen eines Wärme-Contracting-Konzepts zusätzliche vertriebliche Argumente für die Auslagerung des Heizungsbetriebs vom Vermieter auf einen Contractor und die Integration einer PV-Anlage in das Contracting-Konzept sein.


Vermieterbelieferung mit PV-Allgemeinstrom

Ist die Verwendung von auf der Immobilie erzeugtem PV-Strom in der Heizungsanlage des Contractors mietnebenkostenrechtlich unproblematisch, so ist zu berücksichtigen, dass der Begriff des Allgemeinstroms nicht nur den Betriebsstrom der Heizungsanlage umfasst, sondern wesentlich weiter ist.
Mit Allgemeinstrom wird in der Praxis der gesamte Stromverbrauch bezeichnet, der in den von den Mietern gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen der Mietimmobilie genutzt wird. Derartige  Stromverbrauchseinrichtungen sind zum Beispiel die Treppenhaus- und Außenbeleuchtung, Aufzugsanlagen, Betriebsstrom der Heizungsanlagen für Pumpen und Steuerung, Antennenanlagen, Wasserfilter- und Entwässerungspumpen, Müllkompressoren und Ähnliches. In der BetrKostV findet sich dagegen der Begriff Allgemeinstrom nicht wieder.


Immerhin können typische Allgemeinstromverbräuche aber anderen Kategorien des Betriebskostenarten-Katalogs des § 2 BetrKostV zugeordnet werden. So wird der Betriebsstrom für Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen in § 2 Ziffer 4a) BetrKostV ausdrücklich aufgezählt, aber auch andere Stromverbrauchsanlagen sind in weiteren Kategorien der BetrKostV enthalten. Darüber hinaus gibt es mit dem § 2 Nr. 17 BetrKostV eine Öffnungsklausel, mit der untypische Stromverbrauchsanlagen erfasst werden können.

 

Zwar fehlt es bei allen anderen Stromverbrauchsanlagen an einer der gewerblichen Wärmelieferung vergleichbaren Regelung in der Betriebskostenverordnung. Allerdings steht es dem Vermieter unter Beachtung des mietrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots frei, Betriebsstrom für sonstige Nebenanlagen von einem Contractor aus einer ohnehin auf der Immobilie belegenen PV-Anlage liefern zu lassen. Zwar fehlt es für diese Verbräuche mangels Betreiberstellung des Contractors über die Verbrauchsanlagen des Mieters an den Vorteilen aus dem EEG-Eigenstromprivileg. Im Vergleich zum Fremdstrombezug ist die Belieferung aus einer Immobilien-PV-Anlage aber schon alleine aufgrund der fehlenden Netzentgelte und stromsteuerlichen Privilegierung (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 b) StromStG) meist kostengünstiger, sodass das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Regel erfüllt wird. Da die Belieferung des Vermieters messtechnisch unkompliziert ist, eröffnet auch die Belieferung des Vermieters zur Deckung des Allgemeinstrombedarfs eine mietrechtlich einfache Möglichkeit, die PV-Anlage möglichst umfassend zur Deckung von immobilieninternen Verbräuchen zu nutzen.


Für Wärmelieferverträge ist ausnahmsweise eine langfristige Vertragslaufzeit von bis zu 10 Jahren zulässig (§ 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV). Bei einer Investition in eine Erzeugungsanlage sind auch für Stromlieferverträge längerfristige Laufzeiten vertretbar. Aber selbst wenn hier eine engere Befristung zur Vermeidung der Risiken aus wettbewerbs- und AGB-rechtlichen Laufzeitbegrenzungen von Stromlieferverträgen vereinbart wird, schaffen die günstigen Arealerzeugungskosten und die Koppelung mit dem Wärmeliefervertrag einen hohen Kundenbindungsgrad.


Was kostet der PV-Allgemeinstrom

Aus Sicht des Contractors als Betreiber einer Solaranlage ist die Einspeisevergütung nach dem EEG die wirtschaftliche Grundlage, die ihm die Deckung seiner Investitions- und Betriebskosten zuzüglich der Erwirtschaftung einer angemessenen Rendite ermöglichen soll. Insofern würde ein Anlagenbetreiber seinen Strom nur dann anderweitig liefern, wenn er damit mindestens die EEG-Vergütung übersteigende Erlöse erzielt. In der Betriebswirtschaft ist diese Betrachtungsweise als sog. „outputbezogener Opportunitätskostenansatz” bekannt.

 

Umgekehrt sind aus Sicht eines Vermieters, der die Stromverbrauchskosten auf seine Mieter umlegen will, die ihm durch den Bezug von Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung entstehenden Kosten als Vergleichsgröße für die Vorteilhaftigkeit einer PV-Allgemeinstromlieferung des Contractors zugrunde zu legen (sog. „inputbezogener Opportunitätskostenansatz”). Dabei liegen die marktüblichen Strompreise für Haushaltskunden weit über den EEG-Einspeisevergütungen für Solaranlagen, sodass eine Opportunitätskostenbetrachtung für solaranlagenbetreibende Contractoren und Vermieter – und damit letztlich auch für deren Mieter – sozusagen zu einer Win-Win-Win-Situation führt. Dabei erfüllt jeder Strompreis zwischen der EEG-Vergütung und dem Strombezugspreis aus dem Netz der allgemeinen Versorgung die rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Vorteilhaftigkeit nach dem mietrechtlichen
Wirtschaftlichkeitsgebot. Da auch bei einer Eigenstromversorgung zur Sicherung des Bedarfs in Zeiten witterungs- und tageszeitsbedingter Erzeugungslücken (z. B. nachts) laufend Strom aus dem Netz bezogen werden muss, stehen die Netzbezugsstrompreise laufend als eine objektive Vergleichsgröße zur Verfügung.

 

Dabei sind für PV-Allgemeinstromlieferung innerhalb der Immobilie keine Netzentgelte und keine Stromsteuer zu zahlen, sodass eine Verringerung der Fremdbezugskosten um die ortsüblichen Netzentgelte und Stromsteuer als angemessene und objektive Größe zur Ermittlung eines für die Mieter vorteilhaften Preises für PV-Allgemeinstromlieferungen zugrunde gelegt werden kann. Und last but not least: Entgegen der Bezeichnung „Mieterstromzuschlag” kann der Mieterstromzuschlag (§ 21 Abs. 3 EEG) grundsätzlich auch bei einer PV-Allgemeinstromlieferung an Vermieter in Anspruch genommen werden. Soweit ein Contractor den bürokratischen Aufwand, insbesondere die Beschränkungen des EEGs und vor allem des § 42a EnWG für Mieterstromverträge in Kauf nehmen will, muss er also für die PV-Allgemeinstromlieferung
nicht auf volle EEG-Förderung verzichten.

 

Da er anders als bei der echten Mieterstrombelieferung nicht den hohen vertrieblichen und messtechnischen Aufwand für die Belieferung einer Vielzahl wechselnder Abnehmer innerhalb der Immobilie hat, kann der Mieterstromzuschlag für Contractoren deshalb zusätzliche Gewinnpotenziale eröffnen.


Stadtwerke sind sowohl im Bereich des Wärme-Contractings als auch im Bereich der Stromversorgung mit Lokalstromprodukten regelmäßig erfolgreiche Marktakteure. Mit einer Erweiterung von Wärme-Contracting- Konzepten um PV-Anlagen zur Deckung des Heizungsstrombedarfs und des sonstigen Allgemeinstrombedarfs von Vermietern und Wohnungseigentümergemeinschaften besteht eine miet- und EEG-rechtlich einfache Möglichkeit zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und zum Ausbau der lokalen Erneuerbare-Energien-Erzeugung. Eine entsprechende Ergänzung bestehender Contracting-Geschäftsmodelle ist deshalb eine naheliegende Weiterentwicklung für Stadtwerke, die bereits im Geschäftsfeld Wärme-Contracting tätig sind oder mit einem innovativen Konzept einsteigen wollen. Selbst wenn aktuell noch kein Einstieg geplant ist, sollten Wärme-Contracting-Verträge zumindest entsprechende Optionen zu Dachflächennutzungsrechten enthalten, um sich einen späteren Einstieg strategisch offen zu halten.

 

Rödl & Partner berät rechtlich und wirtschaftlich zu Nahwärme-Contracting- und PV-Projekten, erstellt entsprechende Contracting-Verträge und begleitet Energieversorgungsunternehmen bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen.

 

 

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