Energiesammelgesetz: Novellierungs-Parforceritt durch das deutsche Energierecht

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veröffentlicht am 4. März 2019

 

Mit umfangreichen energierechtlichen Gesetzesänderungen im EEG, KWKG und EnWG durch das sogenannte „Energiesammelgesetz” hat der Gesetzgeber mit einem energierechtlichen Parforceritt durch die unterschiedlichsten Regelungsbereiche des deutschen Energierechts teilweise weitgehende Eingriffe vorgenommen. Der energierechtliche Dschungel ist damit wieder etwas gewachsen – Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer haben einen weiteren neuen Jagdgrund, um der betroffenen Energiewirtschaft bei der Beherrschung der Risiken und Wahrnehmung von Chancen Orientierung zu geben.

 

Grafik Novellierung EnergierechtAus 100 Tagen wird eine Energiesammlung

 

Mit dem Energiesammelgesetz hat der Gesetzgeber vor allem Änderungen des EEG, KWKG, EnWG und SeeAnlG vorgenommen. Aufgrund der zahlreichen Folgeänderungen umfasst das Gesetz über 15 Artikel jeweils zu jedem geänderten Einzelgesetz.

 

 

Erneuerbare Energien Gesetz (EEG):

Schwerpunkt – und gleichzeitig größter energiepolitischer Streitpunkt – des Energiesammelgesetzes war die Novellierung des EEG (nachfolgend „EEG 2019”). Folgende Einzelvorhaben wurden mit dem EEG 2019 umgesetzt:

 

  • Eigenversorgungs-Privileg für neue KWK-Anlagen,
    §§ 61c, 61d EEG 2019
  • Sonderausschreibungen PV- und Onshore-Windanlagen, § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 EEG 2019
  • Innovationsausschreibungen, § 28 Abs. 6 EEG 2019
  • Ausschreibungsprivilegierung für Bürgerenergiegesellschaft, § 36e Abs. 1 EEG 2019
  • Zurechnungskriterien und Messen und Schätzen von Strommengen, §§ 62a f. EEG 2019
  • Förderung von großen Aufdach-Solaranlagen und Mieterstrom, § 48 Abs. 2 EEG 2019
  • Kumulierungsverbot für Förderungen, § 80a EEG 2019, § 7 Abs. 6 KWKG 2019
  • bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung für Windenergieanlagen, § 9 Absatz 8 EEG 2019

 

Grafik KWK EIgenstromanlagenDer langwährende, und damit die von der Blockade anderer, verbundener Novellierungen betroffene Wirtschaft quasi als Geisel missbrauchende Streit um die Einführung von Sonderausschreibungen für PV und Wind konnte wie folgt aufgelöst werden: Bis 2021 werden entsprechend den von der SPD-Fraktion verfolgten Koalitionsvertragszielen insgesamt je 4 Gigawatt Solaranlagen und Windenergieanlagen an Land zusätzlich ausgeschrieben. Um den Kosteneinspar- und damit Ausbauverzögerungszielen der CDU-Fraktion zumindest kurzfristig (bis zur nächsten Wahl) zu genügen, wurde eine progressive Steigerung der Ausschreibungsmengen von 1 Gigawatt in 2019, über 1,4 Gigawatt in 2020 auf 1,6 Gigawatt in 2021 gesetzlich festgelegt.

 

Weiterhin wurde die Verordnungsermächtigung für Innovationsausschreibungen angepasst. 2019 sollen in diesem Zusammenhang 250 Megawatt, 2020 400 Megawatt und 2021 500 Megawatt ausgeschrieben werden. Diese Mengen sollen von den regulären Ausschreibungsmengen für Solaranlagen und Windanlagen an Land abgezogen werden und als Testfeld u. a. für mehr Wettbewerb sorgen.

 

Für Unmut sorgte dagegen vor allem die Reduzierung der Förderung für PV-Anlagen, insbesondere im Zusammenhang mit der hieraus resultierenden weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen für sogennante „Mieterstrom-Konzepte”.

Grafik Große Aufdach-Solaranlagen und Mieterstrom 

 

Ebenso führten die vermutlich europa- und verfassungsrechtswidrigen Regelungen zur Einschränkung der EEG-Umlageprivilegierung für neue, mittelgroße
KWK-Anlagen.

 

Und nicht zuletzt sind die neuen Zurechnungsregelungen zu geringfügigen Stromverbräuchen Dritter (§ 62a EEG 2019) und die Regelung zur Messung und Schätzung EEG-umlageprivilegierter Verbräuche von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für den industriellen Eigenverbrauch (§§ 61a EEG 2019 ff.) und die EEG-Umlagebegrenzung für stromkonstenintensive Unternehmen (§§ 63 EEG 2019 ff.). Die zahlreichen neuen unbestimmten Rechtsbegriffe und systematischen Auslegungszweifel werden deshalb voraussichtlich noch für viel Streit sorgen.

 

Kraftwärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG):

Neben dem EEG wurden umfassende Änderungen auch im KWKG (nachfolgend „KWKG 2019”)vorgenommen:

 

  • Neu-Definition des Begriffs der „elektrischen KWK-Leistung” (§ 2 Nr. 6d KWKG 2019)
  • Streichung der Modernisierungsschwellen als Tatbestandsvoraussetzung des Modernisierungsbegriffs
    (§ 2 Nr. 18 KWKG 2019)
  • Einführung der neuen Förderkategorie der Dampfsammelschienenanlagen (§ 2 Nr. 6a-c, § 6 Abs. 1a, § 7 Abs. 2a, § 8 KWKG 2019),
  • Verschärfung des Kumulierungsverbots für Fördermittel (§ 7 Abs. 6 KWKG 2019)
  • Förderung großer Bestandsanlagen (§ 13 KWKG 2017),
  • Übernahme der neuen Mess- und Schätzgrundsätze aus dem EEG (§ 26c KWKG 2019),
  • neue Transparenzpflichten für stromkostenintensive Unternehmen (§ 27a Abs. 3 KWKG 2019)
  • Erhöhung des Wettbewerbs im KWKG-Dienstleistungsmarkt durch genossenschaftliche Prüfungsverbände (§ 30 Abs. 1 KWKG 2019)

 

Auch im KWKG 2019 verfolgt der Gesetzgeber überwiegend die Beschränkung der bestehenden KWKG-Förderung, die er noch dazu immer nur durch ein Mehr an Regelungskomplexität und Verwaltungsaufwand erzielen will. Zwar wurde immerhin eine neue Kategorie der Dampfsammelschienenanlage zum Erhalt der bisherigen Verwaltungspraxis der Förderung derartiger Anlagen sichergestellt, dagegen wurde jedoch die Förderung von KWK-Bestandsanlagen (§ 13 KWKG) verschärft und abgesenkt.

 

Grafik Förderung von KWK BestandsanlagenDabei hatte der Gesetzgeber offensichtlich selber verfassungsrechtliche Bedenken, ob der Zulässigkeit des Entzugs der Investitionsgrundlage für Reinvestitionen in derartige Anlagen, da er sich in der Gesetzesbegründung bereits ausführlich mit der zweifelhaften Verfassungskonformität dieser Maßnahme auseinandersetzt. Eine wirtschaftsfreundliche Industriepolitik sieht jedenfalls – entgegen aktuellen politischen Aussagen – anders aus.

 

Energiewirtschaftsgesetz (EnWG):

Auch im EnWG wurden einige grundlegende Änderungen (nachfolgend „EnWG 2019”) vorgenommen:

 

  • Vereinheitlichung Netzengpassmanagement, §§ 13 ff. EnWG 2019
  • Ausschreibungen Kapazitätsreserve, §§ 13e, 13h EnWG 2019
  • Netzanschlussregelungen L-Gas, §§ 17, 18 EnWG 2019
  • Neue technische Anschlussbedingungen Stromerzeugungsanlagen, § 19 Abs. 4 EnWG 2019

 

Im EnWG werden zusätzlich die beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Kommission für die Ausschreibung einer Kapazitätsreserve im Strombereich umgesetzt.

 

Mit einem vereinheitlichten Netzengpassmanagement sollen bislang unterschiedliche Regime des EEG  und EnWG, nach denen die Netzbetreiber im Falle von Netzengpässen auf Erneuerbare-Energien- und KWK-Anlagen einerseits (sog. Einspeisemanagement (§ 14 EEG 2017)) und konventionelle Kraftwerke andererseits (sog. Redispatch (§§ 13, 13a EnWG)) zugreifen, zu einem einheitlichen Regime zusammengeführt werden. Damit sollen die Netzführung optimiert und die Kosten für die Behebung von Netzengpässen gesenkt werden.

 

Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) und  Seeanlagengesetz (SeeAnlG)

Mit den Neuregelungen im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) und im Seeanlagengesetz (SeeAnlG) wird ein gesetzlicher Rahmen für Energiegewinnung auf See durch Anlagen ohne Netzanschluss geschaffen.

 

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Joachim Held

Rechtsanwalt, Mag. rer. publ.

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