Flexible Arbeitszeitmodelle und jetzt auch Brückenteilzeit: Potenziale und Herausforderungen

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veröffentlicht am 26. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


„Flexibilität” ist eines der großen Themen moderner Arbeitswelten. Das klassische Arbeitszeitmodell – von Montag bis Freitag jeweils acht Stunden pro Tag arbeiten – ist in vielen Arbeitsbereichen und Branchen ein Auslaufmodell. Der Ruf und das Verlan­gen nach Arbeitszeitflexibilität ist gleichsam auf Arbeitgeber- und Arbeitneh­merseite, wenn auch mitunter in divergierenden Wunschvorstellungen, vorhanden und ein Mittel der Personalplanung und -gewinnung geworden.

  


Arbeitszeitmodelle

Nicht zuletzt bedingt durch neue Arbeitsmethoden und die Möglichkeiten der Digitalisierung werden immer wieder neue Arbeitszeitmodelle entwickelt. Sie den rechtlichen und betrieblichen Gegebenheiten anzupassen, ist nicht immer einfach und bedarf einer genauen Analyse der Bedürfnisse. Arbeitszeitkonten in verschiedenen Ausprägungen (z.B. Gleitzeitkonten), Jobsharing, Telearbeit, Vertrauens-, Lebens- oder Wahlarbeitszeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Arbeit auf Abruf sind zwischenzeitlich etablierte Modelle moderner Arbeits(zeit)welten. Gerade mobile working und die Arbeit im Homeoffice bzw. generell die Digitalisierung haben seit Beginn der Corona-Pandemie einen ganz neuen Stellenwert in vielen Betrieben erhalten und zur Flexibilisierung einen enormen Beitrag geleistet. Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten und wirkt sich vor allem auch auf Arbeitszeitmodelle aus.


Potenziale für beide Seiten

Die Potenziale, die solche Modelle bieten, sind vielfältig. Das Freiheitsgefühl und der Freiheitsgewinn für Arbeitnehmer ist – je nach gewähltem Modell – durchaus beträchtlich. Die seit einigen Jahren vermehrt und besonders stark geforderte Work-Life-Balance wird dadurch in vielen Fällen erheblich positiv beeinflusst. So fallen bspw. die Organisation der Kinderbetreuung, die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, das Ausüben von Hobbys bzw. der schlichte Genuss des Privatlebens wesentlich leichter.

Aber auch Arbeitgeber können für ihre Unternehmen bzw. Betriebe erheblich positive Effekte verzeichnen. Zeitliche Flexibilität führt dazu, dass sich Produktionsprozesse optimieren, Produktionsengpässe und Auftrags­schwankungen besser ausgleichen und gleichzeitig Überstunden vermeiden lassen. Auch die Effekte der Mitarbeiterbindung und -motivation durch das Anbieten entsprechender Arbeitszeitmodelle dürfen nicht unterschätzt werden. Dadurch kann nicht zuletzt ein positiveres Betriebsklima und eine Produktivitätssteigerung erreicht werden.


„Darum prüfe, wer sich bindet…"

Die mit der Einführung von Arbeitszeitmodellen einhergehenden Herausforderungen sind beträchtlich. Zunächst gilt es, für die einzelnen Arbeitsabläufe ein passendes und praktikables Modell zu finden. Das gewählte Modell oder die Modelle müssen für das Unternehmen, den Betrieb bzw. die Branche geeignet sein. Gerade bei der Einführung neuer Modelle ist eine vorherige Testphase unbedingt zu empfehlen. Zudem muss zuvor ein rechtlich passender Rahmen gefunden werden. Das kann eine arbeitsvertragliche Regelung oder Ergänzung zum Arbeitsvertrag sein – ggf. bestehen aber auch tarifvertragliche Vorschriften oder es ist eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abzuschließen. Gerade wenn es um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie um die Arbeitszeitverteilung geht, bestehen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Eignet sich die gewählte Form der Zeiterfassung auch zur Überwachung der Arbeitsleistung, sind zudem weitere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten und zu diesen mit ihm zu verhandeln.

Jeder Arbeitgeber muss sich darüber im Klaren sein, dass die Gewährung von Flexibilität auch eine Spur weit Kontrollverlust mit sich bringt. Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin ist nicht mehr durchgehend optisch präsent und entzieht sich daher dem prüfenden Blick des Vorgesetzten. Zudem wird vermehrt und gewollt ohne vorherige Abstimmung agiert, vielmehr Selbstständigkeit gefördert. Das war für nicht wenige Arbeitgeber auch eine Erfahrung und teilweise auch bewusst gesteuerte Entwicklung in den vergangenen Pandemiejahren. Rechtlich bedeutet das letztlich eine Einschränkung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts. Daher gilt es umso mehr, eine Vertrauenskultur zu schaffen, die Eigenverantwortlichkeit zu fördern und klare Ziele zu definieren. Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen müssen wissen, was wann von ihnen erwartet wird.


Teilzeit als Dauerthema

Gerade bei Teilzeitmodellen, die oft zu Unrecht ein negatives Image haben, sieht sich der Arbeitgeber mit den Herausforderungen konfrontiert, für eine reibungslose Übergabe und gute Kommunikation zwischen den Mitarbeitern zu sorgen. Das kann einen hohen Planungs- und Verwaltungsaufwand bedeuten. Die damit u.U. einhergehende Kostensteigerung zahlt sich aber oft aus.

Zudem gehört es mittlerweile fast schon zum Alltag eines Arbeitgebers sich mit Teilzeitwünschen der Mitarbeiter auseinanderzusetzen, gerade weil die Einführung bzw. Gewährung von Teilzeitarbeit nicht immer freiwillig erfolgt bzw. betrieblich veranlasst ist.

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die rechtlichen Möglichkeiten für Arbeitnehmer, in Teilzeit zu arbeiten, immer weiter ausgebaut. Gesetzliche Teilzeitansprüche finden sich in § 8 Teilzeit- und Befristungs­gesetz (TzBfG), § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), § 3 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und § 2 Familienpflegezeitgesetz (FPfZG). Zu einer modernen Arbeitswelt gehört für den Gesetzgeber mittlerweile auch ein Anspruch auf sog. „Brückenteilzeit", um der „Teilzeitfalle" entgegenzuwirken. Arbeitnehmer haben daher gemäß § 9a TzBfG einen Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit.

Die genannten Ansprüche unterscheiden sich durchaus in ihren Voraussetzungen, bspw. was Geltungs­machungs­fristen sowie Umfang und Dauer der Arbeitszeitverkürzung betrifft. Daher ist es nicht immer leicht, den Überblick zu bewahren und im konkreten Einzelfall für Arbeitgeber, die sich einem Teilzeitverlangen ausgesetzt sehen, richtig zu handeln. In einem ersten Schritt muss der Arbeitgeber zunächst ermitteln, auf welche Anspruchsgrundlage ein Teilzeitbegehren überhaupt gestützt wird. Nur wenn das klar ist, kann er auch die richtigen Maßnahmen ergreifen. Das betrifft nicht zuletzt auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Teilzeitverlangen abgewehrt werden kann. Arbeitgeber müssen zudem damit rechnen, dass Arbeitnehmer verschiedene Anspruchsgrundlagen kombinieren und damit ihre Teilzeitphase verlängern.


Fazit

Die Potenziale und Herausforderungen der Arbeitszeitgestaltung sind für Arbeitgeber beträchtlich. Der Einführung eines Arbeitszeitmodells sollte eine detaillierte Analyse der betrieblichen Bedürfnisse vorausgehen. Gerade auch im Hinblick der bestehenden gesetzlichen Ansprüche auf Teilzeitarbeit ist es für die Arbeitgeber­seite wichtig, ihre Personalplanung und ihren Personalbedarf im Fokus zu haben, um ggf. auch entsprechend kurzfristig auf Teilzeitwünsche reagieren zu können.

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