Insolvenz- und Datenschutzrecht bei Distressed M&A

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von Dr. Christiane Bierekoven und Alexander Saueracker
  
Transaktionen werden immer dann komplex, wenn große Mengen personenbezogener Daten wie Kundenlisten oder Nutzerdaten übertragen werden. Bei Distressed-Transaktionen müssen Käufer und Verkäufer alles daran setzen, datenschutzrechtliche Probleme bei der Übernahme zu vermeiden.
 
Im Falle der Insolvenz eines Unternehmens strebt der (vorläufige Insolvenzverwalter) häufig eine so genannte „übertragende Sanierung” an. Darunter versteht man die Veräußerung wesentlicher oder aller Vermögensgegenstände eines insolventen Unternehmens an einen Erwerber, der den intakten Unternehmensteil dann in aller Regel fortführt oder in das eigene Unternehmen integriert. Alle Verbindlichkeiten und nicht lukrativen Unternehmensteile bleiben in der insolventen Gesellschaft zurück. Bei einer solchen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern spricht man üblicherweise auch von einem so genannten „Asset Deal”. Die im Rahmen von Unternehmenskäufen übliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen, also der so genannte „Share Deal”, kommt bei insolventen Unternehmen in der Regel nicht in Betracht, da in diesem Fall die Verbindlichkeiten mit übernommen werden müssten, da diese gerade in der Gesellschaft begründet wurden. Einzig im Zusammenspiel mit einer vorherigen Entschuldung mittels Insolvenzplan erscheint eine Übertragung im Wege des Share Deals sinnvoll. Regelfall der übertragenden Sanierung ist daher der Asset Deal.
 
Problematisch werden diese Asset Deals, wenn als Asset auch personenbezogene Daten verkauft werden. Dies können Kundenlisten des insolventen Unternehmens, vor allem bei IT-Unternehmen, namentlich Plattform-Betreibern, jedoch auch Nutzerdaten sein. In solchen Fällen ist die datenschutzrechtliche Seite zu beachten. Maßgeblich für die Zulässigkeit der Übertragung dieser Kunden- oder Nutzerdaten ist, ob durch den Asset Deal die so genannte für diese Daten verantwortliche Stelle wechselt. Ein solcher Wechsel bedarf nach § 4 Abs. 1 BDSG einer Rechtfertigung.
 
Rechtfertigungen sind gesetzliche Regelungen, sonstige Rechtsvorschriften und die Einwilligung der Betroffenen. Da beim Asset Deal der Rechtsträger des zu übertragenden Assets wechselt, wechselt die verantwortliche Stelle. Zur Rechtfertigung eines Asset Deals gibt es typischerweise keine gesetzliche Grundlage oder sonstige Rechtsvorschriften, auch dann nicht, wenn ein Asset Deal aus der Insolvenz heraus erfolgt. Demgemäß ist zu prüfen, ob alle von der Übertragung ihrer personenbezogenen Daten betroffenen Kunden oder Nutzer einwilligen müssen. Dies ist bislang nicht abschließend geklärt. Nach einer sehr strengen Ansicht bedarf es in jedem Falle einer Einwilligung sämtlicher Betroffener. Erst wenn diese vorliege, könne der Deal abgeschlossen werden. Neben der zeitlichen Verzögerung, die ein solches Vorgehen nach sich zieht, besteht das Risiko, dass zahlreiche Kunden oder Nutzer ihre Einwilligung nicht erteilen und deshalb ein Teil von ihnen verloren geht.
 
Nach anderer unternehmensfreundlicherer Auffassung bedarf es keiner Einwilligung. Die Zulässigkeit der Übertragung ergebe sich bereits daraus, dass das kaufende Unternehmen die personenbezogenen Daten benötigt, um die mit den Kunden/Usern geschlossenen Verträge fortführen zu können. Hierbei wird jedoch übersehen, dass auch schuldrechtlich/vertragsrechtlich die Übertragung der Kunden- oder Nutzerverträge deren Zustimmung bedarf.
 
Eine vermittelnde Auffassung plädiert für eine Widerspruchslösung, wonach die Kunden/Nutzer über die bevorstehende Übertragung ihrer Daten informiert werden und dieser innerhalb eines bestimmten Zeitraums widersprechen können. Vorteil für die Unternehmen ist, dass mit Beendigung dieses Zeitraums feststeht, wer der Übernahme seiner Daten widersprochen hat. Und dies ohne dass zusätzlich während des Zeitdrucks, in dem solche Deals regelmäßig stattfinden, sämtliche Datensätze darauf gescannt werden müssen, ob eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Denn dies kann schon bei mehreren hundert, erst recht jedoch mehreren tausend Kunden-/Nutzerdaten äußerst aufwendig werden.
 
Die Datensätze der widersprechenden Kunden/Nutzer sind zu löschen, die übrigen können übertragen werden. So wird sichergestellt, dass die personenbezogenen Daten der Widersprechenden nicht mehr verwendet werden, auch nicht zu Werbezwecken, was Anzeigen an die Datenschutzaufsichtsbehörden nach sich ziehen könnte. Ungeklärt ist die Dauer der Widerspruchsmöglichkeit. Ein zu langer Vorlauf ist in derartigen Konstellationen regelmäßig nicht opportun, da der Vertragspartner meist erst kurz vor dem Signing feststeht und die Kunden/Nutzer erst dann sinnvoll über ihr Widerspruchsrecht informiert werden können. Der Zeitraum liegt deswegen regelmäßig zwischen Signing und Closing, darf jedoch nicht zu knapp bemessen sein, damit die Betroffenen noch überlegen können, ob sie von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen oder nicht.
 
Aus diesen datenschutzrechtlichen Vorgaben ergibt sich ein erheblicher Zielkonflikt mit den Erfordernissen einer in der Regel zum Zwecke der Sanierung notwendigen schnellen Abwicklung der übertragenden Sanierung. So wird der Insolvenzverwalter typischerweise im Rahmen des vorläufigen Verfahrens versuchen, die Vertragsverhandlungen so weit voranzutreiben, dass am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder zumindest kurz danach sowohl die Unterzeichnung des Kaufvertrages als auch die Übertragung der Wirtschaftsgüter auf den Erwerber stattfinden kann.
 
Aus datenschutzrechtlicher Sicht empfiehlt es sich, bereits während der Vertragsverhandlungen das Thema Übertragung von Kunden-/Nutzerdaten zu adressieren und vertraglich mit der dargestellten Widerspruchlösung abzusichern. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Übertragung datenschutzrechtlich unzulässig ist.
 
Ferner wäre zu überlegen, gerade bei Transaktionen, in denen die Kunden-/Nutzerdaten das „Kernasset” des Unternehmens darstellen, den Wegfall von Kunden im Wege eines Kaufpreisanpassungsmechanismus abzusichern. Vor dem Hintergrund des Insolvenzszenarios ist allerdings zu beachten, dass eine zu weit gehende Absicherung kaum mit dem Insolvenzverwalter verhandelbar sein wird, der ja im Interesse der Gläubiger auf einen zumindest im groben Rahmen feststehenden Mittelzufluss zugunsten der Masse angewiesen ist.
 
zuletzt aktualisiert am 04.03.2014

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