ESG-Berichterstattung: Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

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veröffentlicht am 19. April 2023 / Lesedauer ca. 4 Minuten
 

In der Gesetzgebung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nimmt die Europäische Union zweifellos eine globale Vorreiterrolle ein. Um Environmental-Social-Governance, kurz ESG-Daten hinsichtlich Umfang, Qualität und Relevanz an Finanzdaten anzu­gleichen, werden die Berichtspflichten durch Richtlinien und Verordnungen, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die EU-Taxonomie, kontinu­ierlich erweitert. Für die betroffenen Unternehmen bergen die neuen Anfor­derungen durchaus Chancen, bedeuten zunächst allerdings einen nicht zu unter­schätzenden Umsetzungsaufwand. 

  

 

Klimaneutralität 2050 – dieses übergeordnete Ziel hat sich die Europäische Union im Rahmen des 2019 verabschiedeten Green Deal gesetzt. Damit die durch diese Wachstumsstrategie forcierte Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft gelingt, sind umfangreiche Investitionen in grüne Wirtschafts­aktivitäten notwendig. Doch wie lässt sich zuverlässig erkennen, ob ein Unternehmen tatsächlich „nachhaltig“ wirtschaftet? Die EU setzt hierbei maßgeblich auf das Instrument der Nachhaltigkeits­bericht­erstattung und hat in den letzten Jahren eine Reihe von regulatorischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die Unternehmen allesamt vor große Herausforderungen stellen.

 


Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Durch die CSRD werden Lücken in den bisherigen Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung durch einheitliche Vorgaben geschlossen. Die Verordnung wurde im November 2022 verabschiedet und ist am 5. Januar 2023 in Kraft getreten. Die CSRD löst damit die bislang geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bzw. deren nationale Umsetzung in Form des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (CSR-RUG) nach der Umsetzung in nationales Recht ab. Hierzu hat der deutsche Gesetzgeber Zeit bis Juli 2024. Waren deutsch­landweit bislang nur ca. 550 große kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Offenlegung von ESG-Aspekten im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet, so erweitert sich der Anwenderkreis in Deutsch­land durch die CSRD sukzessive auf rund 15.000 Unternehmen. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Berichts­pflichten erfolgt hierbei gestaffelt: 
  • 1. Januar 2024 (erste Berichterstattung 2025): Große Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen;
  • 1. Januar 2025 (erste Berichterstattung 2026): Alle anderen großen Unternehmen, die nicht unter die NFRD fallen;  
  • 1. Januar 2026 (erste Berichterstattung 2027): Börsennotierte KMU (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen).
Inhaltlich sieht die CSRD vor allem eine Ausweitung der Berichtsaspekte vor, die in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) genau definiert sind. So müssen berichtspflichtige Unternehmen künftig zu zwei Querschnittstandards, fünf Umweltstandards, vier Sozialstandards und einem Governance-Standard Bericht erstatten. Die finalen Entwürfe der sektorübergreifenden Standards wurden im November 2022 der EU-Kommission übergeben, die sie voraussichtlich im Juni 2023 verabschieden wird. Im Jahr 2024 sollen anschließend die sektorspezifischen Standards veröffentlicht werden.
 

EU-Taxonomieverordnung

Als einheitliches Klassifizierungssystem sieht die EU-Taxonomieverordnung vor, dass berichtspflichtige Unter­nehmen den Anteil ihrer Umsatzerlöse, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) offenlegen müssen, der mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der EU-Taxonomie ver­bunden ist. Hierzu wurden sechs Umweltziele definiert. Zur Erreichung der Konformität müssen die tech­nischen Bewer­tungs­kriterien (wesentlicher Beitrag zu mindestens einem Umweltziel, ohne dass eine erhebliche Beeinträchti­gung der anderen Umweltziele erfolgt) erfüllt sein sowie ein Nachweis für die Einhaltung der sozialen Mindest­standards erbracht werden. 
 
Die Taxonomieverordnung ist zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten und gilt zunächst nur für Unternehmen, die der NFRD unterliegen. Künftig wird der Kreis der berichtspflichten Unternehmen durch den Anwendungs­bereich der CSRD bestimmt. Was den Inhalt der Offenlegung betrifft, so muss bis zum Inkrafttreten der dele­gierten Rechtsakte zu den Umweltzielen 3-6 (vsl. 2024) nur zu den ersten beiden Zielen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ Bericht erstattet werden. 

Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)

Die CSDDD soll Unternehmen als europäischer Rahmen künftig zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten verpflichten. Im Dezember 2022 hat der Europäische Rat seinen Standpunkt zu dem von der EU-Kommission im Februar 2022 vorgelegten Richtlinienvorschlag veröffentlicht. Eine endgültige Einigung in den Trilog-Gesprächen steht noch aus, ist aber im Laufe dieses Jahres zu erwarten. Inhaltlich geht der Entwurf durch den größeren Anwenderkreis sowie die Einbeziehung der nachgelagerten Lieferkette und indirekter Lieferanten deutlich über das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferketten­sorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinaus, das folglich nachgeschärft werden müsste. Im Gegensatz zum LkSG, das von Unternehmen mit mehr als 3.000 (ab 2024: 1.000) Mitarbeitern im Inland anzuwenden ist, sind im Entwurf der CSDDD beispielweise strengere Größenkriterien vorgesehen. Die endgültige Verabschiedung der Richtlinie sowie ihre Umsetzung in nationales Recht bleiben allerdings abzuwarten.  
 

Was die Neuerungen für den Mittelstand bedeuten

Die Erfüllung der Berichtspflichten dürfte durch die geforderte Datengranularität für die meisten mittelständischen Unternehmen mit einem hohen Umsetzungsaufwand verbunden sein. Zunächst sollten daher die Geschäftsführung und Verantwortliche aus den betroffenen Unternehmensbereichen ein Bewusstsein dafür entwickeln, was die Anforderungen auf operativer Ebene bedeuten. In einem weiteren Schritt empfiehlt sich eine detaillierte Analyse der jeweiligen Datenlücken. Neben der Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte stellt die größte Herausforderung für den Mittelstand hierbei sicherlich die Erhebung der erforderlichen Kennzahlen inklusive der Einrichtung geeigneter IT-Systeme und Prozesse dar. Aktuell setzt ein Großteil der mittelstän­dischen Unternehmen noch auf eine überwiegend manuelle Datenerhebung, die sich zwar verhältnismäßig schnell umsetzen lässt, aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit und des geringen Automatisierungsgrads aller­dings keine effiziente Dauerlösung darstellt. In dieser Hinsicht hat der Markt schnell reagiert: Derzeit etablie­ren sich immer mehr Softwarelösungen und Tools, mit denen sich beispielsweise taxonomierelevante Ge­schäfts­aktivitäten einfacher bewerten, ESG-Daten analysieren und erforderliche Kennzahlen automatisiert berechnen lassen.

 

Ist die Einführung wirksamer Prozesse einmal bewältigt, so bieten die neuen gesetzlichen Vorgaben durchaus Chancen für den Mittelstand. So können ESG-Kennzahlen beispielweise zur Strategieentwicklung und Unter­nehmenssteuerung genutzt werden. Zudem können Unternehmen mit nachweislich effektiven ESG-Aktivitäten oder einem hohen Anteil taxonomiekonformer Wirtschaftsaktivitäten langfristig von höherer Nachfrage am Kapitalmarkt, aber auch von günstigeren Finanzierungsbedingungen bei öffentlichen Förderungs- und Investi­tionsprogrammen profitieren.  


 Was zu beachten ist

  • ​Beziehen Sie die Geschäftsführung und alle betroffene Unternehmensbereiche von Beginn an in den Umsetzungsprozess mit ein.
  • Planen Sie genug Zeit und personelle Ressourcen zur Kompetenzentwicklung, zum Prozessaufbau, zur Softwareeinrichtung und zur Datenerhebung ein.
  • Behalten Sie die aktuellen regulatorischen Entwicklungen stets im Blick, um rechtzeitig auf Änderungen reagieren zu können.

 Aus dem Entrepreneur

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Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

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