Homeoffice: Eignung zur künftigen Begründung einer Betriebsstätte

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zuletzt aktualisiert im September 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten
von Malte Geils


Die Begründung von Betriebsstätten im internationalen Kontext soll meist vermieden werden, damit im In- oder Ausland keine Steuerpflicht besteht. Denn neben der ggf. höheren Steuerbelastung im Ausland kommen auch die aus­länd­ischen Steuer­er­klärungspflich­ten sowie eine eigene Gewinnermittlung der Betriebsstätten hinzu. Insbesondere bei einem Homeoffice ist die Gewinnermittlung mit einigen Schwierig­keiten verbunden. Daher möchten die meisten Unternehmen ein solches (ausländisches) Besteuerungsrecht vermeiden. Jedoch wird das von Angestellten unterhaltene Homeoffice oftmals hinsichtlich seiner Eignung als Betriebsstätte unterschätzt. Daher soll nachfolgend die derzeitige Rechtsentwicklung des Home­offices von Angestellten unter Berücksichtigung des deutschen Steuerrechts sowie der Auffassung der „Organisation for Economic Cooperation and Development” (OECD) dargestellt werden.



Nationaler Betriebsstättenbegriff

Nach § 12 der Abgabenordnung (AO) ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, eine Betriebsstätte. Eine feste Geschäfts­ein­richtung bedingt neben Ortsbezogenheit und Dauerhaftigkeit auch eine Verfügungsmacht über die Einrichtung. Für die Ortsgebundenheit muss die Einrichtung einen auf Dauer angelegten Bezug zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche aufweisen. Dafür reicht es aus, dass sich die Einrichtung für eine gewisse Zeit an derselben Stelle befindet. Eine solche feste Geschäftseinrichtung könnte bereits ein „Homeoffice” in den privaten Wohnräumen eines Angestellten darstellen. Die Dauer­haftig­keit bedingt, dass die Nutzung der Räume auf eine gewisse Dauer und Stetigkeit angelegt ist. Wird von vornherein beabsichtigt, eine Einrichtung (z.B. das Homeoffice) nur kurzfristig zu nutzen, so liegt grundsätzlich keine Betriebsstätte vor.
 
Bei einem Homeoffice spielt die Verfügungsmacht eine zentrale Rolle. Denn der Arbeitgeber muss nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Verfügungsmacht am Homeoffice des Arbeitnehmers haben, damit eine Betriebs­stätte vorliegen kann. Dafür muss dem Arbeitgeber jederzeit Zutritt zu den privaten Räumen des Arbeitnehmers gestattet werden, was in den meisten Fällen nicht gegeben ist. Daher wird das Homeoffice eines Arbeitnehmers im nationalen deutschen Steuerrecht in den meisten Fällen keine Betriebsstätte begründen.


Abkommensrechtlicher Betriebsstättenbegriff

Besteht zwischen zwei Staaten ein sog. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), muss für die Begründung eines Besteuerungsrechts an den jeweiligen Betriebsstätteneinkünften zugunsten des Betriebsstättenstaats auch abkommensrechtlich eine Betriebsstätte vorliegen. Die abkommensrechtliche Begriffsbestimmung der Betriebsstätte ist in Art. 5 OECD-MA enthalten und nicht identisch mit der Begriffs­bestimmung nach § 12 AO. Jedoch verlangt auch die deutsche Auslegung der abkommensrechtlichen Begriffs­bestim­mung eine gewisse Verfügungsmacht über die Einrichtung. Daher wird das Homeoffice auch nach dem einschlägigen DBA in den meisten Fällen keine Betriebsstätte begründen.
 
Jedoch lässt sich auf Ebene der OECD eine zunehmende Distanzierung vom erforderlichen Tatbestandsmerk­mal der Verfügungsmacht beobachten. Deutlich wird das auch anhand des aktuellen OECD-Musterkommentars (OECD-MK). Er nennt erstmals die Voraussetzungen, unter denen das Homeoffice eine Betriebsstätte darstellen kann. So bspw. wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Weisungen des Unternehmens das Homeoffice regelmäßig oder sogar durchgehend nutzt oder kein Büro zur Verfügung gestellt bekommt, obwohl es notwendig wäre.

Gleichzeitig werden nach Aussage des OECD-MK oftmals die Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA einschlägig sein, wonach die im Homeoffice ausgeübten Tätigkeiten meist lediglich vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sind und demnach keine Betriebsstätte vorliegt. Ob es sich tatsächlich um die Tätigkeiten handelt, ist jedoch vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Oftmals hat die Qualität der Tätigkeiten eben keine nur „vorbereitende Art” bzw. es handelt sich darbei nicht um „Hilfstätigkeiten”, da in der heutigen Zeit der Digitalisierung auch sämtliche wertschöpfenden Tätigkeiten von einem Homeoffice ausgeübt werden können. Es lässt sich zusammenfassend sagen, je öfter bzw. je länger der Arbeitnehmer in seinem Homeoffice tätig wird, umso eher werden die von der OECD aufgestellten Voraussetzungen für eine Betriebsstätte erfüllt sein.

Derzeit wendet jedoch weder der BFH noch die Finanzverwaltung die Grundsätze des OECD-MK in dieser Ausprägung an. Allerdings könnte durch die von der OECD angestrebte Einordnung eines Homeoffices als Betriebsstätte von ausländischen Staaten tatsächlich gelebt werden und im Verhältnis zu Deutschland erhebliche Besteuerungskonflikte auslösen.
 
Unabhängig von der derzeitigen Diskussion um das Homeoffice darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Arbeitnehmer mit einer Vertretungsvollmacht aufgrund des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA auch in einem Homeoffice eine Betriebsstätte begründen können.
 
Es sollte die Entwicklung zur steuerlichen Einordnung des Homeoffices sowohl auf deutscher Ebene als auch auf OECD Ebene im Blick behalten werden. Sollen Arbeitnehmer im Ausland tätig werden, ist zudem eine Prüfung des jeweiligen ausländischen Rechts im Hinblick auf die dortigen Voraussetzungen einer Betriebs­stätte zwingend anzuraten. Nur so können die jeweiligen Pflichten erfüllt, sowie etwaige Besteuerungskonflikte vermieden werden.

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