Erfolgreich investieren in China

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zuletzt aktualisiert am 24. Juni 2022 | Lesedauer ca. 7 Minuten

 

 

 

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in China ein?

Die Corona-Pandemie ging und geht auch an China nicht spurlos vorbei. Zwar erholte sich die chinesische Wirt­schaft nach dem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch im 1. Quartal 2020 vergleichsweise schnell, doch die bis dato anhaltende Null-Covid-Politik der chinesischen Regierung erschwert bis heute das reibungslose Wirtschaften – insbesondere mit Blick auf ausländische Unternehmen. Zwar wurden in den zurückliegenden Pandemiejahren immer wieder Städte in einen harten Lockdown geschickt, doch die Abriegelung der Hafenmetropole Shanghai im März diesen Jahres markierte eine echte Zäsur. Nicht nur für die 26 Millionen Einwohner, auch für die unter Druck stehende chinesische und globale Wirtschaft. Darüber hinaus wurden die sowieso bereits stark betroffenen globalen Lieferketten nochmals auf eine harte Probe gestellt. 

Zum 1. Juni 2022 wurde das Ende des strikten Lockdowns für Shanghai verkündet. Verschiedene Maßnah­men­pa­ke­te wurden aufgelegt, um die Folgen für Unternehmen und die stillstehende Industrie in der Finanz- und Wirt­schaftsmetropole abzufedern. 

Positive Zeichen sendete China im Mai mit einem stabilisierten Export, der im Vergleich zum Vorjahr um knapp 17 Prozent wuchs. Mit einem vergleichsweise kleinen Plus von 4,3 Prozent bei den Importen, die zwar über den Erwar­tungen der Analysten lagen, bleibt die Binnennachfrage aber weiter das Sorgenkind. Die Auswirkungen der Lock­downs in China und des Russland-Ukraine-Konflikts sind in den teils massiv gestörten Lieferketten und einge­schränk­ten Produktionskapazitäten – nicht nur in China, sondern global, spürbar. Gerade im Halbleitersegment, aber auch im Baugewerbe kommt es zu erheblichen Störungen der Lieferketten und Lieferengpässen.

Aktuell liegt der Fokus der Regierung auf der Erholung und Stabilisierung der Wirtschaft, der Vermeidung erneuter Corona-Ausbrüche und einer schnellen Rückkehr zur Normalität. Um dies zu gewährleisten, hat die Regierung ein umfassendes Konjunkturpaket auf den Weg gebracht, um nicht zuletzt auch die Binnennachfrage anzukurbeln, Investitionen im Bauwesen zu fördern und schwer von der Pandemie betroffenen Unternehmen finanzielle Unter­stützung zu bieten. Ob und wie die verschiedenen Maßnahmenpakete wirken und ob das anvisierte Wirtschafts­wachstum von 5,5 Prozent in 2022 nach 8,8 Prozent in 2021, erreicht wird, bleibt derzeit offen, doch mit Blick auf die zurückliegenden Jahre konnten die Erwartungen meist übertroffen werden. 

 

Wie würden Sie das Investitionsklima in China beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Die Europäische Handelskammer hat im Februar 2022 ihre jährliche Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen durchgeführt. Das Ergebnis war, vor allem mit dem wirtschaftlichen Erfolg von 2021 im Rücken, durchaus positiv. Das Klima eher euphorisch. Ende April wurde eine weitere Umfrage durchgeführt, um die Folgen der Omikron-Welle, die mit voller Wucht in China eingeschlagen ist, und den Krieg in der Ukraine abzubilden. Das Ergebnis, nicht unerwartet, ein sehr entgegengesetztes Bild zur Februar-Umfrage. Das Investitionsklima hat sich innerhalb weniger Monate sehr stark abgekühlt – Lieferkettenprobleme, steigende Kosten und die Angst vor erneuten Lock­downs spiegeln sich in den Ergebnissen ebenso wider, wie die abwartende Haltung, gerade jetzt neue Investitionen in China zu tätigen.

Dennoch ist sich die chinesische Regierung der drängenden Probleme bewusst und bemüht, das Investitionsklima durch die Anpassung des regulatorischen Rahmens wieder und weiter zu optimieren und ausländische Investoren – gleich ob mit direkten oder indirekten Investitionen – ins Land zu locken. 

So wurden in den letzten Jahren die sogenannten Negativlisten, in denen vorgegeben wird, welche Industrien und Branchen für ausländische Investitionen beschränkt oder verboten sind, immer weiter gekürzt. Das hat zur Folge, dass in den meisten, für den deutschen Mittelstand relevanten Sektoren, investiert werden kann und nur noch wenige Beschränkungen aufrechterhalten wurden. Auch das Erfordernis, in bestimmten Branchen ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner einzugehen, gehört mehr und mehr der Vergangenheit an. Immer mehr Städte und Provinzen – allen voran Shanghai – sind zudem kontinuierlich dabei, das Registrierungsverfahren für ausländisch investierte Unternehmen zu verschlanken und bürokratische Hürden abzubauen. Dies betrifft vor allem den Übergang vom traditionell papierträchtigen Prozess der Unternehmensregistrierung hin zu einem größtenteils elektronisch durchgeführten Verfahren. Neben den bereits genannten Anpassungen hat sich auch der Schutz geistigen Eigentums verbessert. Und das nicht nur auf regulatorischer Ebene, sondern auch in der Praxis, wenn es darum geht, seine Rechte mit Unterstützung chinesischer Behörden und Gerichte durchzusetzen.

China konnte, wirtschaftlich gesehen, 2021 als einer der großen Gewinner aus der anhaltenden Corona-Krise her­vorgehen. Nicht nur mit Blick auf den starken Im- und Export, sondern auch bei den ausländischen Direkt­in­ves­ti­tio­nen (FDI). Die weiter wachsende und kaufkräftige Mittelschicht, gute Bildungsstandards v.a. in den Ballungs­räumen, eine exzellente Infrastruktur sowie die Sonderstellung als größte Volkswirtschaft im Asiatisch-Pazifischen Raum bieten gute Bedingungen für Investitionen. 

Besonderes Potenzial sehen wir nach wie vor in folgenden Branchen, u.a. getrieben durch die anhaltende globale Gesundheitskrise, die staatlichen Ziele zur weiteren Modernisierung der Industrie sowie die generationen­über­grei­fen­den Herausforderungen des globalen Klimawandels:
  • Medizintechnologie, Hersteller von medizinischem Schutzausrüstungen und -material;
  • Medizinische Geräte und Diagnostik; 
  • Arzneimittel und Medizinprodukte;
  • Pharmaindustrie;
  • Pflegeindustrie;
  • Maschinen- und Anlagenbau;
  • Industrielle Dienstleistungen;
  • Berufsbildung;
  • E-Commerce;
  • High-Tech und Robotik;
  • Elektrofahrzeuge und -mobilität;
  • Energietechnologie;
  • Umwelttechnik;
  • Agrartechnologie;
  • Logistikbranche;
  • Leistungen im Bereich Digitalisierung und Transformation.
 
China hat nach 2020 auch im Jahr 2021 seine Vormachtstellung im Bereich des medizinischen Schutzmaterials unter Beweis stellen können und bleibt der größte Produzent von medizinischem Schutzmaterial. Darüber hinaus ist der E-Commerce-Sektor weiter auf der Überholspur, nicht zusätzlich beflügelt durch die Corona-Pandemie. 

Schließlich hat China großes Interesse daran, die wirtschaftlich vergleichsweise unterentwickelten zentralen, westlichen und nordöstlichen Regionen des Landes stärker in die nationale Entwicklungsstrategie einzubinden. Daher existieren sowohl national wie auch regional verschiedene Förderprogramme und -initiativen, die auslän­dische Investitionen in diesen Regionen anziehen sollen.


Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in China gegenüber?

Trotz der positiven Signale bleiben Fragen offen, wie stark neue Regularien in der Praxis und in den verschiedenen Provinzen umgesetzt werden. Auch nach zwei Jahren der „Gleichstellung” ausländischer und inländischer Inves­ti­tionen werden heimische Investitionen nach den Erfahrungen nicht weniger ausländischer Unternehmen in der Praxis in einigen Sektoren bevorzugt. Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen mangelt es an der nötigen Transparenz.

Herausfordernd, gerade in der aktuellen Zeit von Videotelefonie, virtuellen Konferenzen und dem Versand von Daten über das Internet, ist die nicht mit westlichen Standards vergleichbare Geschwindigkeit des Selbigen. Ins­besondere die Regularien im Zusammenhang mit dem chinesischen Cyber Security Law (CSL – Cyber­sicher­heits­gesetz), dem Data Security Law (DSL – Datensicherheitsgesetz) sowie dem Personal Information Protection Law (PIPL – Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten) und der jeweiligen Zusatz- und Auslegungs­be­stim­mungen stellen große Herausforderung für ausländische Unternehmen dar. Insbesondere ist immer noch nicht hinreichend klar, inwieweit der grenzüberschreitende Datenverkehr durch das Cyber Security Law beschränkt werden könnte. Für global agierende Unternehmen in einer globalisierten und datengetriebenen Welt und den derzeitigen Reise­beschränkungen allerorts sind die Fülle an neuen Gesetzen ein großer Risiko- und Unsicher­heits­faktor.

Neben den „virtuellen” Herausforderungen stellen die nach wie vor bestehenden Reisebeschränkungen eine der größten Herausforderungen für Unternehmen dar. Viele Positionen ausländischer Fach- und Führungskräfte bleiben immer noch aufgrund der Reisebeschränkungen unbesetzt – anderseits verlassen bereits etablierte und langjährige Expats das Land. Zwar hat die chinesische Regierung die für 2022 angekündigte Einkommens­steuer­reform, die kaum noch steuerliche Benefits für Expats vorsieht, auf Ende 2023 verschoben. Doch mit den mitunter sehr strikten Lockdowns in den Expat-Hochburgen besteht die Gefahr, dass die Attraktivität Chinas als Arbeits­land nicht auf Dauer aufrechterhalten werden kann. 
 
Zwar wurde erst kürzlich das für ein Visum offizielle Einladungsschreiben, der sogenannte PU-Letter, abgeschafft, dennoch bleibt ein relativ hoher administrativer Aufwand für ein entsprechendes Visum und die Reiseplanung. Die Einreise nach China ist geknüpft an eine Reihe von verschiedenen Corona-Tests, einem Grünen Gesundheitscode sowie eine nach der Einreise im Schnitt mind. 14-tägige Quarantäne. Die endgültige Dauer und der Ort der Qua­ran­täne können sich mitunter stark von Provinz zu Provinz oder Stadt zu Stadt unterscheiden. Eine genaue Planung von Geschäftsreisen ist somit unerlässlich, aber auch aufwändig. Was bleibt sind vor allem Geschäfte und Meetings die per Videokonferenz, Webinar oder virtuellem Meeting stattfinden, aber nicht vergleichbar sind mit einem in China wichtigen Face-to-Face-Meeting. 
 
Es bleibt zu hoffen, dass durch das Fernbleiben ausländischer Fach- und Führungskräfte sich die ohnehin beste­henden kulturellen Hürden nicht weiter verschärfen und der von Investoren und Unternehmen gefürchtete „Brain Drain” ausländischer Professionals ausbleibt. 


Das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) ist in aller Munde und die Zeit drängt. Mit welchen Risiken müssen deutsche Unternehmen in China rechnen?

Gerade im Bereich der Menschen-/Arbeitsrechte sowie Umweltfragen werden immer wieder Verstöße aus China gemeldet. Daher sollten bei der Einhaltung der Sorgfaltspflichten diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zwar sind die Zahlen der gemeldeten Fälle von Kinderarbeit stark rückläufig, aber in der Praxis existieren weiterhin Schwachstellen. Dies gilt auch für die Themen Zwangsarbeit, Arbeitssicherheit, Diskri­mi­nie­rung am Arbeitsplatz, angemessener Lohn und Umweltverschmutzung. Unternehmen, die besonders anfällig für Verstöße gegen das LkSG sind, finden sich in folgenden Branchen und Industrien: Textil- und Bekleidungs­indus­trie, Bauindustrie, in der Chemie- sowie Pharmaindustrie aber auch in der Herstellung von elektronischen Geräten (z.B. Halbleiter) usw.  

Zu fast allen im LkSG enthaltenen Punkten existieren in China bereits entsprechende Gesetze und die Teilnahme an verschiedenen Organisationen, bspw. ist China eines der Gründungsmitglied der ILO (International Labour Organization), an deren Richtlinien sich auch das LkSG orientiert.

Dennoch, um dem LkSG Rechnung zu tragen, sollten Unternehmen in China eine entsprechende Risikoanalyse, das Ergreifen von Präventiv- und Abhilfemaßnahmen, die Dokumentations- und Berichterstattungspflicht sowie die Implementierung struktureller Prozesse, die neben einem Risikomanagement auch den Einsatz eines Men­schen­rechtsbeauftragten, einer Grundsatzerklärung und eines Beschwerdemechanismus umfasst, vornehmen.


Wie wird sich aus Ihrer Sicht China weiterentwickeln?

2021 fungierte China als starke Lokomotive für den globalen Handel – heute ist die Wirtschaft nach dem Einbruch in 2022 wieder auf dem Weg der Erholung und könnte wieder in die Rolle der Lokomotive schlüpfen. Die weltweite Nachfrage ist vorhanden und stark, auch durch die zuletzt stark unter Druck geratenen Lieferketten. Wir gehen davon aus, dass sich mit Erholung die Lokomotive wieder der Normalität nähert und auch deutsche und euro­pä­ische Unternehmen vor Ort am wirtschaftlichen Erfolg partizipieren. Der Fahrplan wird maßgeblich davon beein­flusst werden, wann es China gelingt, eine ausreichende Covid-Immunität durch breitflächig durchgeführte Impfung v.a. von Risikogruppen zu erreichen und effektive Mittel und Methoden zur Behandlung einer breiten Öffentlichkeit verfügbar zu machen.

Die Kommunistische Partei hat für 2022 ein vergleichsweise niedriges Wachstum von 5,5 Prozent anvisiert. China wird alles daransetzen, die gesteckten Ziele zu erreichen und seine Position als Wirtschaftsmacht zu festigen. Zum Leidwesen vieler ausländischer Geschäftsleute werden Einreisebeschränkungen nach Einschätzung vieler Beo­bachter wohl nur sehr langsam abgebaut. Erste positive Signale kommen aus einzelnen Städten (z.B. Peking) und Pro­vin­zen (z.B. Jiangsu), die aktuell verkürzte Quarantänezeiten erproben. Auch kann als kleiner Fortschritt gewer­tet werden, dass die zivile Luftfahrtverwaltung Chinas (CAAC) gegenwärtig in Verhandlungen mit verschiedenen Ländern steht, um zusätzliche Linienflugverbindungen zuzulassen. Die Herausforderungen der Tage bergen aber auch Chancen, bestehende Geschäftsmodelle im Lichte der anhaltenden Digitalisierung zu überprüfen und bestenfalls zu transformieren. Das gilt nicht zuletzt auch für Führungsaufgaben, die auf Distanz wahrgenommen werden müssen. Erfolgsschlüssel dabei bleiben: Mut, Fingerspitzengefühl, interkulturelles Know-how und das Wissen sowie Anwenden passender Führungsinstrumente.

Trotz aller Herausforderungen und aktuellen Krisen und Konflikte – China wird seine Position als einer der wich­tigsten Investitions- und Absatzmärkte in den Post-Covid-Jahren weiter ausbauen und für die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.

 Kulturelle Besonderheiten in China

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