Corporate Governance: Nachhaltigkeitsrisikoanalyse der Lieferkette in Lettland

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 15. September 2022 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Lettland hat keine länderspezifischen Anforderungen an Nachhaltigkeitsanalyse und Berichterstattungsstandards. Trotz dieses Freiwilligkeitsprinzips gewinnen im­ma­te­ri­elle Eigenschaften des Geschäftspartners, wie etwa die Reputation, zunehmend an Bedeutung.



Rechtsrahmen der Europäischen Union – Mindestanforderungen

Am 23. Februar 2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorg­falts­pflicht (due diligence) im Bereich der Nachhaltigkeit von Unternehmen vorgestellt und damit den bisherigen gemeinsamen EU-Rahmen für nachhaltige Unternehmensführung erweitert.

Bei der Analyse der neuen Richtlinie muss beachtet werden, dass es in diesem Bereich bereits eine Reihe von Rechtsvorschriften der Europäischen Union gibt, zum Beispiel:

  • Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD) 2014;
  • Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) 2019;
  • Taxonomie-Verordnung 2020;
  • Europäisches Klimagesetz 2021.


Der Vorschlag zielt darauf ab, nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten zu fördern. Dies soll sowohl für die internen Prozesse der Unternehmen als auch für die abhängigen Unternehmen und ihre Wertschöpfungsketten (direkte und indirekte Geschäftsbeziehungen) gelten. Unternehmen sollen verpflichtet werden Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen Umweltstandards in ihrer Wertschöpfungskette zu identifizieren, abzumildern und bestenfalls zu verhindern. Der Vorschlag sieht unter anderem eine Verpflichtung vor, alle Geschäftsbeziehungen einzustellen, die beispielsweise zur Ausbeutung von Arbeitnehmern oder zur Umweltbelastung oder zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen könnten. Darüber hinaus sieht der Vor­schlag die Haftung von Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, für die Nicht­ein­haltung von Sorgfaltspflichten vor.
 
Ergänzend ist anzumerken, dass ein wesentlicher Bestandteil des Projekts die Erweiterung des Konzepts der Muttergesellschaftshaftung ist. Die Muttergesellschaften in der EU sollen nämlich für die von ihren Tochter­gesell­schaften auf der ganzen Welt begangenen Verstöße gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht haften.


Allgemeine Verpflichtungen zur Lieferkettenanalyse in Lettland

In Lettland ist die Pflicht zum Monitoring der Geschäftspartner („KYBP“) sowohl in Bezug auf den Lieferanten als auch in Bezug auf den Kunden eine relativ neue Aufgabe. Im Grunde genommen ist es eine Pflicht die Be­ziehungen mit Geschäftspartnern des Unternehmens und der damit verbundenen Risiken zu managen, um sicherzustellen, dass das Unternehmen nicht zur Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder zur Bereicherung ein­zelner von den Sanktionen betroffener Personen usw. beiträgt. Diese Pflichten gelten für jedes Un­ter­neh­men, unabhängig von seiner Größe, Branche oder anderen Faktoren.

Die allgemeinen Pflichten im Zusammenhang mit der Lieferkettenuntersuchung in Lettland gehen nicht über die im EU-Recht festgelegten Mindestanforderungen hinaus, mit Ausnahme der Verhinderung von Geldwäsche und der Einhaltung externer Sanktionsregelungen wie z. B. der OFAC-Sanktionen der USA, bei denen strengere nationale Vorschriften gelten. Folglich haben lettische Unternehmer in der Regel detailliertere interne Compliance-Verfahren in diesen Bereichen eingeführt. Ausländische Unternehmen, die auf den lettischen Markt eintreten, müssen jedoch den relevanten Aspekten zusätzliche Aufmerksamkeit schenken, um eine vollständige Compliance zu gewährleisten.

Lettland hat keine länderspezifischen Anforderungen an Nachhaltigkeitsanalyse und Berichterstattungs­stan­dards. Meldepflichtig sind insbesondere die von der NFRD vorgegebenen Inhalte und Anforderungen. Die am häufigsten verwendeten Standard für die nichtfinanzielle Berichterstattung sind UN Global Compact, GRI und der immer beliebter werdende Nasdaq ESG Reporting Guide.

Manche Unternehmen befolgen freiwillig einen der Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards. In den meisten Fällen basiert diese Entscheidung auf der Überlegung, dass der gewählte Berichtsstandard dazu dienen kann, die Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens in einer bestimmten systemischen Weise zu organisieren. In die­sen Fällen wird das „Comply or Explain“-Prinzip in Nachhaltigkeitsberichten meist nicht angewendet.


Nachhaltigkeitsrisikoanalyse der Lieferkette als Teil der Corporate Governance

Im Dezember 2020 wurde in Lettland der Corporate Governance Kodex (nachstehend Kodex) verabschiedet, der die Empfehlungen für eine gute Corporate Governance für die in Lettland tätigen Unternehmen enthält. Der Kodex basiert auf den G20/OECD-Grundsätzen der Corporate Governance (2015). Als Soft-Law-Instrument ist der Kodex nicht bindend.

Seit der öffentlichen Diskussion über die Bedeutung der Corporate Governance die während der Ausarbeitung des Kodex begann, einschließlich ihrer Verbindung zur mittel- und langfristigen finanziellen Leistung eines Unternehmens, ist das Bewusstsein aller lettischen Unternehmen für diese Themen jedoch erheblich ge­wachsen. Erwähnenswert ist auch, dass Kreditgeber, insbesondere Banken, das Corporate-Governance-Modell von Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen.

Zu den wesentlichen Grundsätzen der Corporate Governance, wie Entwicklung der Unternehmensstrategie, Entwicklung eines Kodex für interne Kultur und Ethik (Code of Conduct), angemessene interne und externe Kontrollsysteme usw. gehören im Kodex auch Leitlinien zum Risikomanagement und zur Notwendigkeit ange­messener Richtlinien für das Rechtsrisikomanagement. Die Richtlinie für Recherche der Geschäftspartner ist neben der Richtlinie zur Verarbeitung personenbezogener Daten und der Richtlinie zum Risikomanagement von Sanktionen eine der drei vom Kodex empfohlenen Compliance-Richtlinien. Obwohl der Kodex nicht ausdrück­lich auf die Notwendigkeit einer Lieferkettenrisikoanalyse eingeht, ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Recherche von Geschäftspartnern. Eines der Instrumente, die zunehmend für das Lieferkettenrisiko­manage­ment in Lettland verwendet werden, ist die Entwicklung und Anwendung eines unternehmens­­spe­zi­fi­schen Verhaltenskodex für Lieferanten (Supplier Code of Conduct). Diese Verhaltenskodizes beinhalten in der Regel nicht nur die Mindestanforderungen des Richtlinienentwurfs zur Sorgfaltspflicht (due diligence) im Bereich der unternehmerischen Nachhaltigkeit, sondern auch weitere Bedingungen für die Zusammenarbeit mit dem je­weiligen Unternehmen, wie beispielsweise die Verpflichtung des Geschäftspartners, die Nichtdiskri­minierung, angemessene Arbeitsbedingungen, Schutz personenbezogener Daten seiner Arbeitnehmer usw. sicherzustellen.

Am 19. März 2022 trat in Lettland eine Verpflichtung für sowohl vollständig als auch teilweise in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen in Kraft, die im Kodex enthaltenen Grundsätze einzuhalten. Dementsprechend sind diese Unternehmen derzeit in Lettland verpflichtet, eine Untersuchung der Lieferkette durchzuführen und ange­messene Nachhaltigkeitsmaßnahmen bei der Zusammenarbeit mit ihren Geschäftspartnern umzusetzen. Bei der Planung von Lieferungen an Geschäftspartner in Lettland ist es jedoch wichtig, dass Unternehmen in Deutschland und anderen Ländern wissen, dass der lokale Geschäftspartner, ein staatliches Unternehmen, eine Lieferkettenforschung durchführt, während andere Unternehmen dies derzeit nach eigenem Ermessen tun können. Trotz dieses Freiwilligkeitsprinzips gewinnen in Lettland immaterielle Eigenschaften des Geschäfts­partners, wie z. B. der Ruf, zunehmend an Bedeutung.

Deutschland Weltweit Search Menu