Auswirkungen der Umsatzsteuersenkungen auf die Abrechnung der Fernwärme

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Ausgelöst von der von der Regierungskoalition am 03.06.2020 angekündigten Umsatzsteuersenkung hat sich das Netzwerk Wärmewende kurzfristig mit den Auswirkungen auf die Fernwärmeversorgung beschäftigt. Dazu wurde vom „Netzwerk Wärmewende“ am 08.06.2020 ein Expertentalk mit dem Rechtsanwalt und Steuerberater Herr Dr. Gay geführt.

 

Die temporäre Mehrwertsteuersenkung

Zur Bekämpfung der Folgen der Corona Pandemie hat sich die Große Koalition am 03.06.2020 auf ein Konjunkturpaket geeinigt, um die Krise zu bewältigen. Das ca. 130 Milliarden schwere Paket beinhaltet neben vielen sozialen und wirtschaftlichen Regelungen, auch einige steuerliche Maßnahmen, wie beispielsweise einen erhöhten umsatzsteuerlichen Verlustrücktrag. Allerdings ist der Schwerpunkt der steuerlichen Instrumente, eine Umsatzsteuersenkung von 19 % auf 16 %, beziehungsweise des ermäßigten Steuersatzes von 7 % auf 5 %. Diese Regelung tritt bereits am 01.07.2020 in Kraft und gilt bis Ende des Jahres (31.12.2020), wodurch den Versorgern nicht mehr viel Zeit bleibt sich darauf einzustellen und frühzeitig umsatzsteuerliche Maßnahmen zu ergreifen.

 

Die Auswirkungen auf die Wärmebranche

Nach den Grundregeln der Umsatzsteuer entsteht die Steuer im Normalfall (Sollbesteuerung) nach den vereinbarten Entgelten, sobald der Voranmeldezeitraum, in dem die Leistung beziehungsweise Teilleistung ausgeführt wurde, abläuft (vgl. §13 Abs. 1 UStG).
In der Energiebranche bestimmt das Ablesedatum den Zeitpunkt der Lieferung. Die Änderungen sind auf den gesamten Lieferzeitraum zu beziehen und dabei müssen die unterschiedlichen Steuersätze abgerechnet werden. Das heißt vom 01.01. bis 30.06.2020 mit dem normalen Steuersatz von 19 % (7 %) und ab dem 01.07. bis Datum der Ablesung (maximal bis zum 31.12.2020) mit dem reduzierten Satz von 16 % (5 %). Zum aktuellen Stand müssen die Zähler daher bis zum 30.06.2020 23:59 Uhr abgelesen werden und spätestens bis zum 01.08.2020 falls notwendig etwaige Schlussrechnungen mit zwei Steuersätzen ausgegeben werden können. Geltende Abschlagszahlungen sollten dagegen nicht angepasst werden, so das Ergebnis des Gesprächs. Erst nach Ablesung und damit bei der Rechnungsstellung wird die Anpassung umgesetzt. 

 

Sonderfall Istbesteuerung: Für Istversteuerer (nach vereinnahmten Entgelten) gilt grundsätzlich, dass die Steuer mit Vereinnahmung des Entgelts entsteht. Der Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung oder der Zeitpunkt der Rechnungserteilung ist unerheblich.

Bei einer Steuersatzänderung kommt es für die Anwendung der neuen Steuersätze jedoch abweichend von diesem Grundsatz ebenfalls auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung an (vgl. auch Abschnitt 12.1 Abs. 3 Satz 3 UStAE). Werden Entgelte von einem Istversteuerer vor der Leistungserbringung im Zeitraum vor dem 1. Juli 2020 vereinnahmt, die Leistung aber erst im Zeitraum der gesenkten Steuersätze bis zum 31. Dezember 2020 erbracht, ist die Umsatzsteuer für die bereits vereinnahmten Entgelte ebenfalls im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung auf die neuen niedrigeren Steuersätze zu korrigieren.

 

Allerdings liegt derzeit nur ein Regierungsbeschluss vor, der noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen muss. Überarbeitungen sind deswegen noch möglich. Eine vom Bund der Steuerberater angeregte Veränderung wäre zum Beispiel die Verteilung der Menge auf die Tage, sodass keine zusätzliche Ablesung notwendig wäre. Aus Sicht der Wärmewirtschaft wäre die Nutzung der Gradtagszahlen sachgerechter. Herr Dr. Gay erläuterte, dass im aktuellen Fall die Umsatzsteuer sinkt, daher der Versorger mit dem reduzierten Steuersatz rechnet (16 % statt 19 %) und die fehlenden 3 % im Risiko stehen könnten.

 

Update vom 17.06.2020

 

Mittlerweile existiert ein zunächst interner Entwurf, der als Grundlage für ein BMF-Schreiben dienen soll. Hier wird begrüßenswerter Weise ausdrücklich die anteilige zeitliche Aufteilung nach „Tagen“ vor und nach dem 1. Juli 2020 aufgegriffen. Falls dies so umgesetzt wird, könnte die außerordentliche Ablesung entfallen.
Hier das Zitat dem Entwurf:
„…Die Lieferungen von Strom, Gas und Wärme durch Versorgungsunternehmen an Tarifabnehmer werden nach Ablesezeiträumen (z. B. vierteljährlich) abgerechnet.
Sofern die Ablesezeiträume nicht am 30. Juni 2020, sondern zwischen einem Zeitpunkt zwischen dem 1. Juli 2020 und 31. Dezember 2020 enden, sind grundsätzlich die Lieferungen des gesamten Ablesezeitraums dem ab 1. Juli 2020 geltenden allgemeinen Umsatzsteuersatz von 16 Prozent zu unterwerfen. Das gilt nicht, wenn die innerhalb der Ablesezeiträume vor dem 1. Juli 2020 ausgeführten Lieferungen in Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden Liefer- und Vertragsbedingungen gesondert abgerechnet werden. In diesem Falle unterliegen die vor dem 1. Juli 2020 ausgeführten Lieferungen ohne Rücksicht auf den Ablauf des - sonst üblichen -Ablesezeitraums dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Umsatzsteuerrechtlich bestehen keine Bedenken dagegen, diese Abrechnungen bei Tarifabnehmern in der Weise vorzunehmen, dass die Ergebnisse der Ablesezeiträume, in die der Stichtag 1. Juli 2020 fällt, im Verhältnis zwischen den Tagen vor und ab dem Stichtag aufgeteilt werden. Ist der Ablesezeitraum länger als drei Monate, hat das Versorgungsunternehmen bei der Aufteilung grundsätzlich eine Gewichtung vorzunehmen, damit die Verbrauchsunterschiede in den Zeiträumen vor und ab dem Stichtag entsprechend berücksichtigt werden. Soweit wesentliche Verbrauchsunterschiede nicht bestehen, kann mit Genehmigung des Finanzamts auf die Gewichtung verzichtet werden.

 

Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten können die Finanzämter auf Antrag ein vereinfachtes Abrechnungsverfahren für solche Versorgungsunternehmen zulassen, die bei ihren Tarifabnehmern ein manuelles direktes Inkassoverfahren anwenden. Sofern in diesem Inkassoverfahren bei Tarifabnehmern mit gleichen Ablesezeiträumen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgelesen wird und sich die Ablesezeiträume unterschiedlich um den 1. Juli 2020 verteilen, kann zum Ausgleich der unterschiedlichen Ablesezeitpunkte für die letzte Ablesung vor dem 1. Juli 2020 ein mittlerer Ablesezeitpunkt gebildet werden.

 

Die Rechnungen an die Tarifabnehmer sind nach den entsprechend den vorstehenden Grundsätzen ermittelten Ergebnissen auszustellen. Spätere Entgeltberichtigungen sowie Änderungen der nach den vorstehenden Grundsätzen vorgenommenen Aufteilung der Lieferungen sind umsatzsteuerlich entsprechend zu berücksichtigen. …“

 

Klarstellend beabsichtigt das Bundesfinanzministerium den Umsatzsteueranwendungserlaß wie folgt zu fassen:

 

A 13.1 Abs. 2 UStAE

Lieferungen von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser sind jedoch erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln. Die während des Ablesezeitraums geleisteten Abschlagszahlungen der Tarifabnehmer sind nicht als Entgelt für Teilleistungen (vgl. Abschnitt 13.4) anzusehen; sie führen jedoch bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums ihrer Vereinnahmung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG zur Entstehung der Steuer (vgl. Abschnitt 13.5).

 

A 13.5 Abs. 1 UStAE

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG entsteht die Steuer in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts (z.B. Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen) vor Ausführung der Leistung oder Teilleistung gezahlt wird, bereits mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder Teilentgelt vereinnahmt worden ist. Zum Zeitpunkt der Vereinnahmung vgl. Abschnitt 13.6 Abs. 1.

 

A 12.1 Abs. 3 UStAE

Bei einer Änderung der Steuersätze sind die neuen Steuersätze auf Umsätze anzuwenden, die von dem Inkrafttreten der jeweiligen Änderungsvorschrift an bewirkt werden. Auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts kommt es für die Frage, welchem Steuersatz eine Leistung oder Teilleistung unterliegt, ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung. Auch in den Fällen der Istversteuerung (§ 20 UStG) und der Istversteuerung von Anzahlungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG) ist entscheidend, wann der Umsatz bewirkt wird. Das gilt unabhängig davon, wann die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG entsteht.


Vor diesem Hintergrund sehen wir, sofern dies auch so beschlossen wird, keine steuerlichen Risiken aus Sicht der Versorgungsunternehmen. Da die Anwendung des reduzierten Umsatzsteuersatz kostensenkend für die Endkunden wirkt, sollte die übliche Ablesung zum Jahresende und die Anwendung des reduzierten Satzes für die Gesamtjahresmenge soweit möglich bevorzugt werden.

 

Wir werden die tatsächliche Beschlussfassung in unserem Stadtwerke-Kompass und auf dem Netzwerk Wärmewende sobald wie möglich veröffentlichen.


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