Erfolgreich investieren in Norwegen

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veröffentlicht am 16. Juni 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


 

 

Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Norwegen?

Norwegens Index für wirtschaftliche Freiheit liegt bei 76,9. Im Jahr 2023 belegt es damit Platz 12. In der Region Europa kommt Norwegen unter 44 Ländern auf Platz 9 und rangiert so deutlich über dem weltweiten und regio­nalen Durchschnitt.
 
Laut einer Zusammenfassung von Kommentaren des Statistischen Zentralamts Norwegen und anderer Quellen waren die folgenden wesentlichen Wirtschaftsindikatoren zu verzeichnen:
 
  • Das Jahr 2022 war geprägt von hoher Inflation und Erholung von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Seit dem zweiten Quartal des vergangenen Jahres wächst Norwegens Wirtschaft moderat.
  • Die Inflation (laut dem Verbraucherpreisindex, VPI) hat ein relativ hohes Niveau erreicht. Der VPI ist im Jah­res­­vergleich zuletzt um 7 Prozent gestiegen. Dies ist auf den außergewöhnlich hohen Preisanstieg im Ausland zurückzuführen, der Einfluss auf die Preise in Norwegen hat.
  • Der Zinssatz hat einen Spitzenwert von 3,25 Prozent erreicht und wird voraussichtlich moderat steigen.
  • Die Arbeitslosigkeit liegt bereits seit Längerem auf einem relativ niedrigen Niveau.
  • Die Wirtschaft steht wahrscheinlich an einem Wendepunkt. Im Laufe des Jahres wird mit einem starken Rück­gang der Inflation gerechnet. Die aktuell niedrige Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich leicht ansteigen.
  • Eine allgemeine Prognose lautet, dass die norwegische Wirtschaft langsam wieder auf normalere Zeiten zusteuert. Norwegen ist jedoch stark von der internationalen Wirtschaft abhängig, die im Moment relativ instabil ist.
 

Wie würden Sie das Investitionsklima in Norwegen beschreiben? Welche Branchen bergen das größte Potenzial?

Norwegen gilt als sicheres und berechenbares Land, um Geschäfte zu machen. Im Ease of Doing Business Index der Weltbank aus dem Jahr 2019 belegt es unter 190 Ländern Platz 9 und im Korruptions­wahr­nehmungs­index 2019 von Transparency International Platz 7 von 180. Das politische System ist stabil und wird von einem funktionierenden Rechtssystem flankiert, das unter anderem einen guten Schutz von Eigentumsrechten bietet.
 
Norwegen verfügt über besonders reiche Vorkommen an natürlichen Ressourcen wie Öl, Gas, Fisch, Wasser­kraft und Mineralien. Dies hat in diesen Bereichen zur Herausbildung hochmoderner Industrien geführt. Nor­wegen ist ein führender Entwickler neuer grüner Technologien in den Bereichen Floating Wind, Green Shipping sowie CO2-Abscheidung, ‑Nutzung und ‑Speicherung. Gestützt werden die großen Industrien durch einen starken professionellen Dienstleistungssektor (Finanzen, IT, Recht). In den Branchen Fintech, Cleantech, Med­tech und Biotech bieten sich neue Möglichkeiten.
 
Norwegen verfügt über eine solide finanzielle Basis, unter anderem über Haushaltsreserven in Form eines billionenschweren staatlichen Pensionsfonds, und große geldpolitische Handlungsspielräume. Dadurch ist der Staat in der Lage, notwendige „Subventionspakete“ zu finanzieren, um so negativen wirtschaftlichen Folgen für Beschäftigung und Unternehmen entgegenzuwirken.
 
Ausländische Investitionen sind in der Geschäftswelt und von staatlicher Seite in der Regel willkommen. Ge­wisse Beschränkungen bestehen insbesondere mit Blick auf ausländische Beteiligungen, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Landwirtschaft und die Infrastruktur. Der Staat ist ein wichtiger Eigentümer in der norwegischen Wirtschaft und hat in bestimmten Bereichen ein Monopol inne, beispielsweise beim Verkauf von Alkohol.
 
Die ausländischen Direktinvestitionen in Norwegen haben Ende 2021 einen Spitzenwert von 160 Milliarden USD erreicht. In Norwegen sind rund 8.100 Unternehmen ansässig, die sich in ausländischem Besitz befinden. Diese haben mehr als 58.000 Beschäftigte.
 
Norwegen gehört nicht zur Europäischen Union (EU), ist jedoch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und hat somit Zugang zum freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr des EU-Binnenmarkts. Es bietet also solide gesetzliche und geschäftliche Rahmenbedingungen, die den Mitglied­staaten vertraut sind.
 

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Norwegen gegenüber?

Für deutsche Unternehmen, die in Norwegen tätig werden möchten, dürften keine größeren Herausforderungen bestehen als für andere ausländische Investoren. Relevanter könnte es sein, die Chancen für deutsche Unter­nehmen aufzuzeigen.
 
10 Prozent der Exporte vom norwegischen Festland gehen nach Deutschland. Deutschland stellt die größte Gruppe ausländischer Touristen, die Norwegen besuchen. Die Größe und die wirtschaftliche, politische und kulturelle Bedeutung dieser Tatsache machen Deutschland für viele norwegische Unternehmen interessant, und umgekehrt verhält es sich genauso.
 
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Norwegen im Januar 2023 für politische Gespräche besucht. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Erreichung einer klimaneutralen Energieversorgung. Insbesondere die Pro­duk­tion und Lieferung von Wasserstoff und die Dekarbonisierung energieintensiver Industriezweige waren Thema. Die beiden Länder führen Gespräche über eine Wasserstoff-Pipeline von Norwegen nach Deutschland.
 
Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise betrachtet Deutschland Norwegen nun als seinen wich­tigs­ten Energielieferanten. Deshalb haben Deutschland und Norwegen vor, ihre Zusammenarbeit im Energie­bereich zu intensivieren und auszuweiten. Sie haben eine gemeinsame Erklärung zu diesen Themen unter­zeichnet.
 

Ausgewählte Besonderheiten bei Investitionen und Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in Norwegen

Mit Blick auf landesspezifische Fragen können nur einige wenige Beispiele genannt werden. Jeder konkrete Fall, bei dem es um Investitionen und die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in Norwegen geht, muss individuell beurteilt und behandelt werden. Diese Präsentation ist unter keinen Umständen als vollständig oder erschöpfend zu betrachten.
 
Wie bereits erwähnt, ist Norwegen Mitglied des EWR-Abkommens, das die 27 EU-Mitgliedstaaten und die drei EWR-EFTA-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein im Binnenmarkt vereint und für gleiche Grund­regeln sorgt. Es garantiert die vier Freiheiten des EU-Binnenmarkts sowie ein Diskriminierungsverbot und gleiche Wettbewerbsregeln im gesamten EWR-Gebiet.
 
Trotz seiner EWR-Mitgliedschaft verfügt Norwegen über mehrere gesetzliche Regelwerke, die landesspezifisch sind und sowohl für norwegische als auch für ausländische Unternehmen und Staatsbürger gelten.
 
Das EWR-Abkommen deckt nicht die gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik der EU, die Zollunion, die ge­mein­same Handelspolitik, die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Bereiche Justiz und Inneres oder die Währungsunion ab.
 
Als EWR-Staat ist Norwegen an vielen EU-Programmen und -Agenturen beteiligt und arbeitet in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik eng mit der EU zusammen. EWR-Staaten sind Mitglied des Schengener Ab­kommens, das die Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedern beschränkt.
 
Norwegen beteiligt sich nicht am Mehrwertsteuersystem der EU. Diesbezüglich wird auf das norwegische Mehrwertsteuergesetz von 2009 verwiesen. Das norwegische Mehrwertsteuergesetz schreibt jedoch in vielen Bereichen die gleichen Grundsätze vor wie die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie der EU.
 
Besondere Regelungen und Eintragungsverfahren sind zu beachten, wenn ausländische Privatpersonen zu Vorstandsmitgliedern oder -vorsitzenden norwegischer Unternehmen benannt werden.
 
Das norwegische Arbeitsgesetz (Arbeidsmiljøloven, AML) umfasst im Allgemeinen die Regelungen und Vor­schrif­ten, die für die individuellen und kollektiven Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gelten. Das AML ist ein verpflichtendes und im Vergleich zu ähnlichen Regelwerken in vielen anderen euro­päischen Ländern relativ arbeitnehmerfreundliches Gesetz. Wichtige Themen, die durch das AML geregelt werden, sind: 
 
  • Beschäftigung, 
  • Whistleblowing, 
  • Arbeitsschutz, 
  • Arbeitszeit, 
  • Urlaubsanspruch, 
  • Schutz vor Diskriminierung, 
  • Kündigung von Arbeitsverhältnissen, 
  • Arbeitnehmerrechte im Fall einer Unternehmensveräußerung sowie
  • Regelungen für Rechtsstreitigkeiten über Kündigungen von Arbeitsverhältnissen
 
Es ist nicht möglich, die Regelungen des AML durch eine vorherige Vereinbarung zum Nachteil des Arbeit­nehmers außer Kraft zu setzen. Das AML gilt für alle Arbeitnehmer, auch solche in Führungs- und Manage­ment­positionen. Abgesehen von einigen Ausnahmen darf bei Arbeitnehmern, die in Norwegen für ausländische Arbeitgeber tätig sind, nicht vom AML abgewichen werden. Selbstständig tätige Personen unterliegen nicht dem AML.
 
Im Moment wird öffentlich viel über das aktuelle norwegische Steuersystem diskutiert, unter anderem auch über die Besteuerung größerer Vermögen. Dies hat zu einer Art Abwanderung reicher norwegischer Staats­bürger in andere Länder mit niedrigerer Vermögenssteuer, insbesondere in die Schweiz, geführt. Sicher ist derzeit nur, dass sich das Steuersystem weiter verändern wird. Aktuell könnte die Vermögenssteuer für aus­ländische Investoren eine Chance sein, in Norwegen zu investieren. Für einen Umzug nach Norwegen ist sie jedoch nicht unbedingt von Vorteil.
 

Wie wird sich Norwegen Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Die Hinweise in dieser Präsentation sind zwangsläufig sehr allgemeiner Natur und nur für begrenzte Zeit gültig. Wie bereits angedeutet, bietet Norwegen viele Vorteile, ist jedoch auch stark von der wirtschaftlichen und finanziellen Lage auf dem Weltmarkt abhängig.
 
Norwegen sollte – in absehbarer Zukunft – jedoch weiter zu den absolut führenden Nationen zählen, die alle Voraussetzungen mitbringen, um langfristig wohlhabend und stabil zu bleiben.

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Rune Vikan

Attorney at Law (Norwegen)

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