DSGVO und Energievertrieb – Rückgewinnungsschreiben, Kundenkontaktverbote und Widerrufsvordrucke rechtswidrig?

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Autoren: Joachim Held und André Rosner 

 

Im Energievertrieb wird mit unlauteren Kundenwerbemethoden, Rückgewinnungsschreiben, Kundenkontaktverboten und Widerrufsvordrucken mit zunehmend härteren Bandagen gekämpft. Dabei scheinen viele Marktakteure die Regeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht ausreichend zu beachten. Letztendlich kann nur derjenige im Wettbewerb bestehen, der sich bei allen wettbewerblichen Anstrengungen auch rechtskonform verhält. Mit der DSGVO hat die Pflicht zur sorgfältigen rechtlichen Prüfung innovativer Vertriebsmaßnahmen nochmals an Bedeutung gewonnen.

 

Mehr Wettbewerb im Energievertrieb

Recht häufig informieren sich Kunden über sog. „Vergleichs-Portale” über günstigere Alternativen zu ihren aktuellen Strom- oder Erdgasverträgen. Ist einmal ein günstiger Energieliefervertrag – teilweise sogar mit höherer regenerativer und lokaler Qualität und besonders verbraucherfreundlichen Vertragsbedingungen – gefunden, sind Kunden gerne bereit zu einem Anbieter mit günstigeren Konditionen zu wechseln.

 

Seit langem wird hier aber mit zum Teil harten Bandagen oder sogar unlauteren Mitteln gekämpft. Scheinplatzierungen in Vergleichsportalen, zum Teil AGB-rechtswidrige Preissteigerungs- und Kundenbindungsstrategien bis hin zu Drückerkolonnen, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in Haustürgeschäften Verträge einwerben, lassen manchmal Zweifel an der Vorteilhaftigkeit eines wettbewerblich organisierten Energievertriebsmarkt aufkommen.

 

Viele Grundversorger haben den Wettbewerb dadurch aufgenommen, dass sie bei einer Kündigung ihre ehemaligen Kunden zu den Motiven ihrer Kündigung zu befragen und versuchen, diese durch Alternativangebote zur Grundversorgung mit günstigeren Sonderkunden-Angeboten zurückzugewinnen.

 

Das Kontaktverbot – eine neue Waffe im Energiewettbewerb?

In der Vertriebspraxis müssen Verbraucher in der Regel nur den neuen Versorger mit dem Wechselmanagement bevollmächtigen. Der Wechsel spart so Geld und ist obendrein noch ohne großen Aufwand. Die danach im Auftrag des Verbrauchers vom neuen Lieferanten versandten Kündigungsschreiben enthalten in jüngerer Zeit häufig eine Ergänzung in Form eines sog. „Kontaktverbots”: Der neue Versorger verbietet darin dem bisherigen Versorger jede Art der Kontaktaufnahme, die Werbezwecken und insbesondere der Kundenrückgewinnung unterliegt. Nach ständiger Rechtsprechung zu vergleichbaren Kontaktverbotserklärungen im Versicherungsvertrieb sind derartige Kundenkontaktverbote aber wettbewerbswidrig, da sie eine unzulässige Marktverhaltensschranke für aktuelle Mitbewerber errichten (§ 4 Nr. 4 UWG). Der Kundenwerber schottet sich mit seinen abgeworbenen Kunden ab und verhindert zulässige, den Wettbewerb fördernde Anstrengungen des alten Lieferanten, die abgeworbenen Kunden doch noch bei sich zu halten.

 

Allerdings stammt diese Rechtsprechung noch aus der glücklichen Vor-DSGVO-Zeit. Ob der Altversorger – insbesondere bei einem ausdrücklichen Verbot der weiteren Verwendung der Kundendaten – nach einer Kündigung diese Daten noch für Werbung und Rückgewinnungsversuche nutzen darf, ist fraglich. Möglicherweise muss auch der Kunde vor den Auswüchsen einer ungewollten Belästigung mit den Auswüchsen eines ausgearteten Wettbewerbs geschützt werden?

 

 

Und das Imperium schlägt zurück: Die Widerrufsempfehlung

In der Vertriebspraxis ist die Kündigungsbestätigung des alten Versorgers häufig die Vorbedingungen des neuen Versorgers für eine Zusage der Versorgungsaufnahme oder sogar für eine Annahme des Vertragsangebots des Verbrauchers. Teilweise schicken Altversorger den Kunden kurzfristig eine Rückwerbeschreiben, welches nicht nur ein Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit des neuen Vertrags enthält, sondern auch bereits einen mit den Daten des neuen Versorgers ausgefüllten Vordruck zur Ausübung des Widerrufsrechts enthalten, der nur noch unterschrieben werden muss. Oft heißt es wörtlich:

 

„Noch ein wichtiger Hinweis: Es kommt leider immer wieder vor, dass durch unlautere Wettbewerbsmethoden Verträge ungewollt zustande kommen. Falls Sie Ihren Vertrag mit uns nicht kündigen wollten, dann nutzen Sie bitte das beigefügte Formular und widerrufen den Vertrag innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Vertragsschluss bei Ihrem neuen Energieversorger.”


Hinweis auf bestehende Rechte nicht grundsätzlich unlauter – pauschale Verdächtigung unlauterer Wettbewerbsmethoden aber doch?

Diese Methode des Abwerbens bzw. Zurückwerbens der alten Stromversorger lässt wettbewerbswidrige Bedenken aufkommen. Das Abwerben von Kunden ist jedoch nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur beim Hinzutreten besonderer Umstände unlauter, denn aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand des Kundenstamms. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des freien Wettbewerbs, und zwar auch dann, wenn die Kunden noch vertraglich an den Mitbewerber gebunden sind. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmer auf eine Vertragsauflösung unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen (Kündigungs-, Anfechtungs- oder Widerrufsfristen) hinwirkt und zu eigenen Wettbewerbszwecken ausnutzt. Ein Verhalten des alten Stromversorgers wäre nur dann als unlauter zu beanstanden, wenn unlauteren Mittel wie Irreführung, Überrumpelung oder sonstige unsachliche Beeinflussung eingesetzt werden.

 

Ob das oben beschriebene Vorgehendes alten Stromlieferanten als unlauter zu qualifizieren ist, bedarf eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände. Es komme doch immer darauf an, in welcher konkrete Situation sich der jeweilige Kunde befindet. Wurde man an der Wohnungstür überrumpelt bzw. hat man versehentlich einen neuen Stromliefervertrag abgeschlossen, freut man sich als Durchschnittsverbraucher natürlich über den Hinweis der Widerrufsmöglichkeit des neuen und ungewollt abgeschlossenen Stromvertrages. Hat der Kunde seinen neuen, höchstwahrscheinlich zu günstigeren Konditionen, Stromliefervertrag hingegen bewusst und gewollt abgeschlossen, kann eine Kündigungsbestätigung mit dem Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit allerdings sehr bedenkliche Gefühle beim Kunden wecken. Des Weiteren kommt es auf den genauen Wortlaut des Hinweises an. So können beispielsweise keine falschen Äußerungen vom ursprünglichen Stromversorger über den neuen Stromversorger getätigt werden, um den Kunden zum Widerruf seines neuen Stromvertrags zu veranlassen.

 

Sollte sich das oben beschriebene Vorgehen des alten Stromversorgers als Verleitung zum Widerruf des neu abgeschlossenen Stromliefervertrag darstellen, würde dies grundsätzlich als unlauter zu bewerten sein. Unlauter und somit rechtswidrig sind insbesondere herabsetzende oder anschwärzende Aussagen über Qualifikationen und Befähigung des neuen Stromlieferanten, täuschende oder irreführende Angaben über den neuen Stromlieferanten, Überrumpelung oder Bestechung des ehemaligen Kunden.

 

Compliance-Falle DSGVO für den Energievertrieb?

Aber wiederum stellt sich die Frage nach der unberechtigten Verwendung von Daten: Der Altversorger erhält die Daten des Neuversorgers entweder im Rahmen der Kündigung oder sogar nur im Rahmen der Ummeldung der Abnahmestelle in seiner Funktion als Netzbetreiber. Im ersteren Fall könnte wiederum ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegen, im letzteren Fall sogar ein Verstoß gegen Unbundlingvorschriften.

 

Dabei kann letztendlich nur derjenige im Wettbewerb bestehen, der sich bei allen wettbewerblichen Anstrengungen auch rechtskonform verhält. Mit der DSGVO hat die Pflicht zur sorgfältigen rechtlichen Prüfung innovativer Vertriebsmaßnahmen deshalb nochmals an Bedeutung gewonnen.

 

Ob der Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit im Ergebnis als wettbewerbs- oder datenschutzwidrig zu qualifizieren ist, wurde höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt. Gern überprüfen wir Ihre Kündigungsbestätigungsschreiben. Darüber hinaus sind wir Ihnen auch gern bei der Formulierung behilflich und unterstützen Sie zu für den Fall, dass ein Konkurrent bzw. ein ehemaliger Kunde Ansprüche gegen Sie geltend macht.

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