EuGH erschwert ausschreibungsfreie Inhouse-Vergabe der Öffentlichen Hand

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  • Befreiung vom Vergaberecht nur bei Kontrolle jedes einzelnen Gesellschafters über Gemeinschaftsunternehmen möglich
  • Vergaberechtsexperte Schröder: „Beteiligungsstruktur der Städte und Gemeinden muss auf den Prüfstand: Inhouse-Geschäfte können sonst angefochten werden”
     
Brüssel/Nürnberg, 30.11.2012: Die Öffentliche Hand kann nur dann Aufträge ohne Ausschreibung an öffentliche Unternehmen vergeben, wenn diese auch kontrolliert werden können. Die Minderheitsbeteiligung eines öffentlichen Gesellschafters ohne Kontrollmöglichkeiten reicht nicht aus, um ein vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft zu begründen. Eine Direktbeauftragung ohne Beachtung des Vergaberechts kommt in solchen Fällen nicht in Betracht. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem gestern veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: C-183/11 und C-183-11, „Econord”).
 
Gegenstand der Entscheidung war ein Verfahren gegen 36 italienische Gemeinden, die lediglich symbolisch am Kapital einer öffentlichen Aktiengesellschaft beteiligt sind (gemeinsam 0,2%), dieses Unternehmen aber vergaberechtsfrei mit der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen im Wege eines Inhouse-Geschäftes beauftragt hatten. Die Aktienmehrheit an der öffentlichen Gesellschaft hielt mit 99,8% eine andere Gemeinde. Die minderheitlich am Kapital beteiligten Gemeinden konnten jeweils einen Vertreter in den Aufsichts- und Verwaltungsrat entsenden.
 
„Die Entscheidung des EuGH wird die interkommunale Zusammenarbeit im Rahmen von Gemeinschaftsunternehmen weiter erschweren. Geringfügige Minderheitsbeteiligungen an öffentlichen Unternehmen genügen den strengen Anforderungen des EuGH an das Vorliegen eines Inhouse-Geschäftes nicht, wenn der öffentliche Minderheitsgesellschafter nicht die geringste strukturelle und funktionelle Kontrolle ausüben kann”, erklärt Rechtsanwalt Holger Schröder, Leiter der Vergaberechtspraxis von Rödl & Partner. „Die Städte und Gemeinden müssen daher ihre Unternehmensbeteiligungen auf ihre Inhouse-Festigkeit neu überprüfen. Andernfalls können rechtsunwirksame Vertragsabschlüsse drohen.”
 
Vergaberechtsfreie Inhouse-Geschäfte mit Unternehmen erfordern nach der Entscheidung eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle. Wenn mehrere Städte und Gemeinden eine gemeinsame Gesellschaft zur Erfüllung einer Gemeinwohlaufgabe einschalten, ist es zwar nicht unbedingt erforderlich, dass jede dieser Kommunen allein ein individuelles Kontrollrecht über das Unternehmen ausübt. Die über die Gesellschaft ausgeübte Kontrolle darf jedoch nicht nur auf der Kontrollbefugnis des öffentlichen Mehrheitsgesellschafters beruhen. Andernfalls würde das „Konzept der gemeinsamen Kontrolle ausgehöhlt”, heißt es in der Begründung des Gerichtshofs. Ob das Recht zur Entsendung von Aufsichts- und Verwaltungsräten eines öffentlichen Minderheitsgesellschafters für eine gemeinsame Kontrolle genügt, ist nach Ansicht des EuGH dagegen eine von der nationalen Nachprüfungsinstanz zu beurteilende Einzelfallfrage.

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