Deutschland und Singapur beschließen neues Doppelbesteuerungsabkommen

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Während einige für die deutsche Wirtschaft sehr wichtige Doppel­besteu­e­rungs­abkommen (DBA) seit Jahren auf eine Revision bzw. auf das notwendige Ratifizierungsverfahren warten (so z.  B. das DBA mit Südafrika oder das DBA mit der Volksrepublik China), andere wiederum zum Wahlkampfthema werden (wie z.B.  das DBA mit der Schweiz), werden andere in aller Stille verhandelt (z.B.  das DBA mit den Vereinigten Arabischen Emiraten). Eine weitere Gruppe sorgt wiederum für Fragen bei Unternehmen und Beratern. Zu der letztgenannten Spezies dürfte das DBA mit Singapur gehören. In diesem widerspiegelt sich die Dynamik Asiens und die Entwicklung des deutschen Außenhandels.
 
Während der „Teutonia Club”, Vorläufer der German Association in Singapur, als die erste ausländische Vereinigung von Kaufleuten in Singapur bereits im Jahr 1856 gegründet wurde, wurde das erste DBA zwischen Deutschland und Singapur erst gut 100 Jahre später, nämlich im Jahr 1972 abgeschlossen. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel” war Singapur damals aber alles andere als ein Finanzplatz. Auf der Orchard Road, heute eine der wichtigsten Shoppingstraßen der Welt, köchelten Garküchen, und auch der Steuersatz des Stadtstaates war sicherlich nicht einladend – immerhin stolze 40 Prozent (vgl. Der Spiegel, Ausgabe 10/1973, S. 100 ff.). 
 
Das DBA von 1972 gewährt dem Löwenstaat Singapur deshalb auch Sonderrechte, wie sie damals für Länder in wirtschaftlicher Entwicklung üblich waren. Konsequent war es demnach, dass dieses DBA im Jahr 2004 revidiert wurde. Die Vision des Staatengründers Lee Kuan Yew einer auf zwei Säulen ruhenden Wirtschaft, d. h. auf einer starken Industrie und auf einem mächtigen Bankensektor, war Wirklichkeit geworden. Das 2004 verhandelte DBA wurde erstmals drei Jahre später im Jahr 2007 wirksam. Doch schon im Jahr 2010 beunruhigten Presseberichte über eine mögliche Änderung des sogenannten Methodenartikels des DBA die in Singapur investierende deutsche Wirtschaft und vor allem aber auch die dort lebenden Deutschen. Konkret war die Frage, ob von der sogenannten Freistellungsmethode auf die Anrechnungsmethode umgestellt werden sollte. Im Falle der Anrechnungsmethode würde das Singapur-Einkommen von Steuerpflichtigen, die sowohl steueransässig in Singapur als auch in Deutschland sind, nicht mehr von der Besteuerung in Deutschland freigestellt werden. Vielmehr würden die bezahlten Steuern in Singapur lediglich auf die nach deutschen Einkommensvorschriften ermittelten deutschen Steuern angerechnet. 
 

Stark erweiterter Informationsaustausch der Behörden

Wie das deutsche Bundesfinanzministerium in seiner Pressemitteilung vom 14. Oktober 2012 mitteilte, wurde nun ein Revisionsabkommen zwischen den beiden Staaten vereinbart. Dabei ist das neue Abkommen von dem Gedanken des Informationsaustausches zwischen den beiden Staaten geprägt.
 
So soll zukünftig der Umfang des Informationsaustausches erheblich erweitert werden:
  • Informationen über sämtliche Steuerarten können demnach ausgetauscht werden. Der Austausch ist also nicht mehr auf Steuern von Einkommen und Vermögensteuern beschränkt.
  • Der Informationsaustausch hängt nicht mehr von der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in einem der Vertragsstaaten ab. (Können dann zukünftig Staaten mit nicht demokratisch legitimierten Vertretungen über dieses DBA möglicherweise Informationen über Investitionen ihrer Bürger in Singapur oder Deutschland abfragen?)
  • Der ersuchte Staat ist zur Informationsbeschaffung auch dann verpflichtet, wenn er die erbetenen Informationen nicht selbst für steuerliche Zwecke benötigt.
  • Das Bankgeheimnis stellt kein Hindernis für den Informationsaustausch dar.
  • Beide Länder prüfen Möglichkeiten zur Verbesserung der bilateralen Zusammenarbeit in Steuersachen.
     
Wer sich steuerliche Klarstellungen oder gar Erleichterungen für Investitionen in Singapur erhofft, wird aber zumindest vorläufig enttäuscht. Der Vertragstext bleibt bis zur Paragraphierung unter Verschluss. Immerhin wird laut Presseberichten an der Freistellungsmethode grundsätzlich festgehalten. Aber –
jeder Grundsatz hat seine Ausnahmen! Während das bisherige DBA Deutschland-Singapur eine sogenannte „Switch over clause”, d. h. den Wechsel von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode für ganz bestimmte Fälle vorsah, kann die zukünftige Freistellungsmethode im DBA von einer „Subject to Tax clause” möglicherweise abhängig gemacht werden, d. h., die Freistellung von der deutschen Besteuerung wird dann gewährt, wenn diese Einkünfte auch tatsächlich in Singapur besteuert werden. Diese Vermutung kommt auf, da die neueren deutschen DBA keine Vermeidung der sogenannten virtuellen Doppelbesteuerung vorsehen. Für die in Singapur lebenden Deutschen wird es damit noch wichtiger, sich mit den Verbiegungen des deutschen Steuerrechts gründlich auseinanderzusetzen und regelmäßig nicht nur lokale Steuerberater mit ihren steuerlichen Angelegenheiten zu beauftragen. Geprüft werden muss vielmehr, wie die Besteuerung in Deutschland erfolgt, wenn Singapur keine Steuer erhebt. Müssen beispielsweise in Singapur von der Steuer freigestellte Erstattungen für das Schuldgeld der deutschen Schule zukünftig in Deutschland besteuert werden? Werden Abfindungen für das Ausscheiden aus einem Betrieb – in Singapur regelmäßig nicht besteuert – in Deutschland steuerpflichtig, weil die Familie nach Deutschland zurückkehrt? Aufgrund des schlechten Euro-Kurses übersteigt die Erstattung des in Singapur steuerbefreiten Schulgeldes (vgl. Kosten für ein Kind: Homepage der Deutschen Schule Singapur, deutsche Sektion) den deutschen Steuereingangsfreibetrag knapp. Sollte diese Regelung kommen, dürften sich Entsendungen von Mitarbeitern nach Singapur deutlich verteuern. Wird so die allgemeine deutsche Schulpflicht für Auslandskinder verhindert und wird es für Heimkehrer wirtschaftlich notwendig, zunächst ein Sabbatical außerhalb von Deutschland einzulegen? Die Vision von Lee Kuan Yew ist wahr geworden. Singapur hat sich von „Third World to First World” (Lee Kuan Yew, From Third World to First, The Singapore Story from 1965 to 2000 by Lee Kuan Yew, harpercollins, ISBN: 9780060957513) entwickelt.
 
Die Anpassung des DBA oder besser des Informationsabkommens mag notwendig gewesen sein – allerdings kann die nur „grundsätzliche” Beibehaltung der Freistellungsmethode eine bedeutende Verschlechterung für den deutschen Mittelstand bewirken und die Wettbewerbsposition des deutschen Mittelstandes auf dem Zukunftsmarkt Asien verschlechtern. Entwickeln wir uns so von „First World to Third World”?
 
Ab wann das Revisionsabkommen in Kraft tritt, steht noch nicht fest. Die beschleunigten Verhandlungen bei dem Abkommen mit Singapur, etwa im Vergleich zu den Verhandlungen mit der Volksrepublik China, mag auch aufgrund des politischen Drucks in Sachen DBA Schweiz erfolgt sein. In diesem Zusammenhang sind sicherlich auch baldige Verlautbarungen über ein DBA mit Hongkong zu erwarten. Hinsichtlich des vereinbarten umfangreichen Informationsaustausches wäre es verwunderlich, wenn dieses DBA wesentlich von den  Regelungen mit Singapur abweichen würde. Aber auch bei einem möglichen DBA mit Hongkong gilt zu hoffen, dass die Freistellungsmethode verankert bleibt – und dies nicht nur grundsätzlich! 
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