Erwerb landwirtschaftlicher Flächen – EU-Kommission veröffentlicht Leitlinien für die Mitgliedstaaten

PrintMailRate-it

Schnell gelesen:

  • Die EU-Mitgliedstaaten haben das Recht, den Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke zu beschränken, um die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen zu sichern und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.
  • 2015 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere Mitgliedstaaten, darunter Litauen und Lettland, ein, die Investoren aus anderen EU-Ländern diskriminierten und unverhältnismäßige Beschränkungen für grenzüberschreitende Investitionen vorsahen.
  • In einer Mitteilung vom 12. Oktober 2017 gab die Kommission den Mitgliedstaaten nun Hinweise bzgl. zulässiger Maßnahmen zur Beschränkung des Verkaufs landwirtschaftlicher Flächen auf Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

​Von Hans Lauschke, Simona Krastiņa

 

Hintergrund

Da landwirtschaftliche Flächen zu knappen und besonderen Gütern zählen, die speziellen Schutz verdienen, sehen einige EU-Mitgliedstaaten Beschränkungen für deren Kauf durch Ausländer vor. Gleichzeitig sind ausländische Investitionen jedoch eine wichtige Quelle für Kapital, Technologie und Wissen, die zur landwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung beitragen und den Zugang lokaler Unternehmen zu Finanzmitteln erleichtern können. Für die Sicherstellung grenzüberschreitender Investitionen gelten deshalb die EU-Vorschriften zum freien Kapitalverkehr.

Im Mai 2016 hat die Europäische Kommission Bulgarien, Ungarn, Lettland, Litauen und die Slowakei ermahnt, die EU-Vorschriften für den Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen einzuhalten. Einige Bestimmungen der Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten, die EU-Bürger und -Unternehmen daran hinderten, landwirtschaftliche Flächen zu kaufen, wurden als diskriminierend und/oder unverhältnismäßig restriktiv angesehen. Diese Gesetze wurden nach dem Auslaufen vorübergehender Ausnahmen von der Freiheit des Erwerbs landwirtschaftlicher Flächen beschlossen, die einigen Mitgliedstaaten bei ihrem Beitritt zur EU gewährt worden waren.

Das Europäische Parlament hat die Herausforderungen, denen die EU-Mitgliedstaaten auf ihren landwirtschaftlichen Grundstücksmärkten gegenüberstehen, eingehend untersucht, insbesondere im Zusammenhang mit einer zunehmenden Konzentration von Agrarland bzw. einer exzessiven Landpreisspekulation.

Die aktuelle Rechtslage in Estland, Lettland und Litauen stellt sich Anfang 2018 recht unterschiedlich dar.

 

Estland – Gesetze im Einklang mit den EU-Anforderungen

Estland erfüllt die EU-Anforderungen.

Ein Staatsangehöriger Estlands oder eine natürliche Person eines anderen Landes, das Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder eines Mitgliedstaates der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist, im Folgenden als Vertragsstaat bezeichnet, hat das Recht, landwirtschaftliche Grundstücke oder Waldflächen ohne Einschränkungen in Estland zu erwerben.

Eine juristische Person mit Sitz in einem Vertragsstaat hat das Recht, unbeschränkt Grundstücke zu erwerben, die insgesamt weniger als 10 Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen, Waldflächen oder landwirtschaftliche und Waldflächen umfassen.

Wenn das Grundstück 10 Hektar oder mehr Land- oder Waldfläche umfasst, muss die juristische Person nachweisen, dass sie unmittelbar vor dem Jahr des Erwerbs des unbeweglichen Vermögens 3 Jahre in der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätig war, mit Ausnahme von Fischereierzeugnissen und Baumwolle.

Darüber hinaus hat eine juristische Person eines Vertragsstaats das Recht, ein Grundstück zu erwerben, das weniger als 10 Hektar landwirtschaftliches Land und weniger als 10 Hektar Waldfläche, aber 10 Hektar oder mehr landwirtschaftliche und Waldfläche insgesamt umfasst, wenn die juristische Person unmittelbar vor dem Jahr des Erwerbs des Grundstücks 3 Jahre in der Produktion landwirtschaftlicher Produkte oder der Forstwirtschaft tätig war.

 

Lettland – neues Gesetz sorgt für EU-Bedenken

Die Europäische Kommission äußerte erstmals im Mai 2016 Bedenken hinsichtlich der jüngsten Beschränkungen, welche Kenntnisse der Landessprache für Ausländer aus anderen Mitgliedstaaten, die Agrarland in Lettland erwerben möchten, erfordern.

 

In der Stellungnahme der Kommission heißt es, dass ein neues im Einklang mit den EU-Regelungen stehendes Gesetz verabschiedet werden und dieses die Verletzung von EU-Regelungen ausschließen muss. Die sprachlichen Anforderungen für den Kauf landwirtschaftlicher Flächen werden als diskriminierend eingestuft, da einheimische Landwirte Vorteile gegenüber Staatsangehörigen anderer EU-Länder hätten.


Trotz der Bedenken der Europäischen Kommission verabschiedete das lettische Parlament am 18. Mai 2017 das Gesetz „Über die Landprivatisierung in ländlichen Gebieten“ (in Kraft getreten am 1. Juli 2017), um den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch lokale Landwirte zu erleichtern und folgende wesentliche Änderungen einzuführen:

 

Gemäß dem neuen Gesetz müssen ausländische Käufer landwirtschaftlicher Flächen in Lettland über einen hohen Kenntnisstand der lettischen Sprache verfügen und auf Wunsch der kommunalen Verwaltung ihre Pläne für das erworbene Grundstück vorlegen.

 

as Gesetz sieht vor, dass für den Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke durch eine juristische Person deren Alleingesellschafter oder deren Gesellschafter, die zusammen mehr als die Hälfte der Anteile an dieser juristischen Person halten, sowie alle Personen, die zur Vertretung der juristischen Person berechtigt sind, folgende zwei Kriterien erfüllt werden müssen:
  • eine EU-Registrierungsbescheinigung in Lettland, wenn es sich um Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt
  • ein Dokument, das Kenntnisse der lettischen Landessprache auf mindestens B2-Niveau bescheinigt

 

Niveau B2 (selbstständige Sprachverwendung) bedeutet gemäß dem „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“, die Person „kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben“.

Die gleichen Anforderungen gelten auch für natürliche Personen, die landwirtschaftliche Flächen erwerben wollen.

 

Eine neue Beschränkung des Landerwerbs wurde auch verbundenen Parteien auferlegt: Sie können maximal 4.000 Hektar Land erwerben.

 

Das neue Gesetz regelt unter anderem auch die Eintragung von noch nicht registrierten landwirtschaftlichen Grundstücken in das Grundbuch. Seit dem 1. Januar 2018 kann eine Grunderwerbsurkunde, die vor dem 31. Oktober 2014 erteilt und nicht bis zum 30. Juni 2017 im Grundbuch oder bis zum 31. Dezember 2017 bei der Gemeindeverwaltung eingetragen wurde, erst nach Einholung der Kauf-Einwilligung der Gemeindeverwaltung in das Grundbuch eingetragen werden.

 

Darüber hinaus können seit dem 1. Januar 2018 kommunale landwirtschaftliche Flächen ohne Gebäude mit Rückübertragungsrechten für eine Laufzeit von bis zu 12 Jahren zu einem jährlichen Pachtzins in Höhe von 4,5 Prozent ihres Katasterwerts gepachtet werden.

 

Litauen – Gesetzesänderung steht noch aus

Im Zuge des Vertragsverletzungsverfahrens vom März 2015 hatte die EU-Kommission Litauen aufgefordert, das im Mai 2014 beschlossene Gesetz über den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen – mit einer Verschärfung der Landerwerbsbedingungen für Ausländer – aufgrund eines Verstoßes gegen EU-Recht zu ändern. 

 

Vor dem Hintergrund dieses Vertragsverletzungsverfahrens hat die Regierung im Januar 2017 einen Gesetzesentwurf zur Aufhebung der Qualifikations- oder Erfahrungsanforderungen an Käufer landwirtschaftlicher Flächen ins Parlament eingebracht, der jedoch noch nicht verabschiedet wurde. Somit gelten vorerst weiterhin die gesetzlichen Regelungen von 2014.

So haben natürliche oder juristische Personen grundsätzlich das Recht, landwirtschaftliche Flächen in Litauen zu erwerben. Natürliche Personen müssen dabei über bestimmte berufliche Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen: Wer in den letzten 10 Jahren vor dem Kauf landwirtschaftlicher Flächen in Litauen mindestens 3 Jahre lang landwirtschaftliche Tätigkeiten in Litauen ausgeübt hat, muss dies nachweisen. Natürliche Personen müssen ihre landwirtschaftliche Tätigkeit registrieren oder ein landwirtschaftliches Ausbildungsdiplom besitzen. Ausgenommen von diesen Anforderungen sind Junglandwirte bis zu einem Alter von 40 Jahren, die vom nationalen Landamt des Landwirtschaftsministeriums die Genehmigung zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Litauen erhalten haben.

Die oben genannten Bestimmungen für natürliche Personen gelten auch für juristische Personen, welche wiederum juristische Personen erwerben, die mehr als 10 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche besitzen, sowie für Käufer, die mindestens 25 Prozent der Anteile einer juristischen Person, in deren Eigentum mehr als 10 Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen stehen, erwerben. Wichtig: Diese Einschränkung ist im geltenden Gesetz und auch im aktuell diskutierten Gesetzesentwurf enthalten (kann vom litauischen Parlament aber möglicherweise noch geändert werden). Das bedeutet, dass der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch juristische Personen auch zukünftig schwierig sein könnte.

Litauische und ausländische juristische Personen müssen nachweisen, dass sie mindestens 3 Jahre lang landwirtschaftliche Tätigkeiten in Litauen ausgeübt haben, bevor sie landwirtschaftliche Flächen in Litauen erwerben können. Insgesamt muss der Umsatz aus der Landwirtschaft eines solchen ausländischen Unternehmens mehr als 50 Prozent des Gesamtumsatzes der Gesellschaft betragen. Auch muss die wirtschaftliche Vitalität dem litauischen Landwirtschaftsministerium nachgewiesen werden, das diese nach eigenen Kriterien bewertet.

Ausländische Personen müssen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie Agrarland erworben haben, mindestens 5 Jahre lang die Landnutzung für landwirtschaftliche Zwecke sicherstellen (es sei denn, während dieser 5-jährigen Laufzeit wird das landwirtschaftliche Grundstück an Dritte übertragen). Die Geldbuße für eine Verletzung kann bis zu 3.000 Euro betragen. Ein vorgeschriebenes Mindestumsatzniveau pro Hektar (vom Landwirtschaftsministerium festgelegt) muss erreicht werden.

 

Personen oder verbundene Personen können in Litauen höchstens 300 Hektar landwirtschaftliche Flächen vom Staat kaufen. Personen oder verbundene Personen können maximal 500 Hektar landwirtschaftliches Land kaufen, welches vom Staat gemeinsam mit anderen Personen verkauft wird. Diese Grenze gilt nicht, wenn landwirtschaftliche Flächen für die Viehzucht gekauft werden und die angekauften landwirtschaftlichen Flächen das Verhältnis von einem Tier pro Hektar nicht überschreiten. Als verbundene Personen gelten Ehepartner, Eltern und minderjährige Kinder. Zudem gelten als verbundene Personen auch juristische Personen, die direkt oder indirekt mehr als 25 Prozent der Anteile einer anderen juristischen Person halten, welche Stimmrechte in der Hauptversammlung ermöglichen.

 

Hauptaspekte der neuen EU-Kommissionsleitlinien vom Oktober 2017

Nach Aufforderung des EU-Parlaments vom März 2017 an die Kommission zur Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen, im Einklang mit dem EU-Recht klare und umfassende Kriterien für die Bodenmarktregulierung festzulegen, erfolgte am 12. Oktober 2017 die Veröffentlichung des Kommissionsberichts. Hierin wird klargestellt, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, Maßnahmen zur Kontrolle des Verkaufs landwirtschaftlicher Flächen zu verabschieden. Wie vom Europäischen Gerichtshof entschieden, können bestimmte Einschränkungen unter bestimmten Bedingungen akzeptabel sein:
  • vorherige Genehmigungen nationaler Behörden für den Erwerb von Land
  • Grenzen für die Größe des zu erwerbenden Grundstücks
  • Vorkaufsrechte, die bestimmten Käufergruppen erlauben, Agrarland zu erwerben, bevor es an andere verkauft wird; Käufer, die von diesen Rechten profitieren, können Pächter, Nachbarn, Miteigentümer oder der Staat sein
  • staatliche Preisintervention

 

Das EU-Recht erlaubt jedoch keine diskriminierenden Beschränkungen wie etwa Aufenthaltsnotwendigkeit als Voraussetzung für den Erwerb von Land.

 

Unverhältnismäßige Beschränkungen für grenzüberschreitende Investitionen sind ebenfalls rechtswidrig. Insbesondere sind unverhältnismäßig:
  • Auferlegung von Eigenbetriebspflichten
  • Untersagung des Landkaufs gegenüber Unternehmen
  • Erfordernis von Qualifikationen in der Landwirtschaft als Voraussetzungen für den Kauf von Land
  • Erfordernis eines bestimmten Gesellschaftssitzes

 Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Alice Salumets

Rechtsanwältin

Partner

Anfrage senden

Contact Person Picture

​Kristīne Zvejniece

Juristin

Partner

+371 67 3381 25

Anfrage senden

Contact Person Picture

Liudgardas Maculevičius

Attorney at Law

Associate Partner

+370 5 2123 590

Anfrage senden

Deutschland Weltweit Search Menu