Bye, bye Great Britain: Auswirkungen des Brexit auf die deutsche Erbschaftsteuer und Nachfolgeplanung

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von Tanja Creed
 
Die Briten haben am 23. Juni 2016 ent­schieden: Das Vereinigte König­reich wird der Euro­päischen Union den Rücken kehren. Nicht sofort, aber die zwei­jährige Verhand­lungs­frist will genutzt sein, um die Folgen für die eigene Nach­folge­planung zu überdenken. Denn die deutsche Erbschaft­steuer macht an den nationalen Grenzen nicht Halt und mit dem Brexit könnten sich Nach­folger mit einem GB-Bezug durchaus auch Nachteile in der Besteuerung des Vermögens­übergangs einhandeln. Der Beitrag stellt wichtige Beispiele dar.

    

 

Der Scheidungsprozess

Wer nach über 40 Jahren Mitgliedschaft so eng miteinander verbunden ist wie Großbritannien mit der EU und den übrigen Mitgliedstaaten, kann sich nicht über Nacht mit einer Volksabstimmung lösen. Der „Scheidungsprozess” bei Austrittswunsch eines Mitgliedes aus der EU ist in Artikel 50 EUV (Vertrag von Lissabon) geregelt.

 

Auswirkungen auf die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer

Grenzüberschreitende Berührungspunkte der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es viele:
  • Der Erblasser/Schenker und/oder der Erbe/Beschenkte können ihren Wohnsitz bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien haben.
  • Im Rahmen eines/r Erbgangs/Schenkung wird (auch) Vermögen übertragen, das in Großbritannien belegen ist oder als dortiges Auslandsvermögen gilt.

       

Im Gegensatz zur Umsatzsteuer und zu den Ertragsteuern unterliegt die Erbschaft- und Schenkungsteuer in der EU keiner Harmonisierung, sondern wird von den Mitglied-staaten autonom geregelt. Daher gibt es auch keine EU-Richtlinien mit unmittelbarer Bedeutung für die Besteuerung der Vermögensnachfolge. Ein Doppelbesteuerungs-abkommen zwischen Deutschland und Großbritannien hinsichtlich der Erbschaft- und Schenkungsteuer besteht derzeit nicht. Das heißt aber nicht, dass der Brexit an der Nachfolgeplanung spurlos vorübergeht. Zwar knüpft die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer für die Person und/oder den Umfang der Steuerpflicht an einen Inlandsbezug an. Hierbei ist grundsätzlich unerheblich, ob Beteiligte oder Vermögen in der EU oder in einem Drittstaat ansässig oder belegen sind. Nationale deutsche Vorschriften beziehen jedoch für die Gewährung von Begünstigungen den EU-Raum mit ein, weil die Grundfreiheiten der EU-Verträge eine Diskriminierung innerhalb der EU verbieten. Ob und wie diese Begünstigungen bei einem Bezug zu Großbritannien nach einem Brexit weiter gesichert werden können, sollte im Rahmen einer kontinuierlichen Prüfung getroffener Nachfolgeregelungen ebenso berücksichtigt werden wie bei künftigen Gestaltungen.
 

Für die Beantwortung dieser Frage wird von entscheidender Bedeutung sein, welcher Status Großbritannien im Verhältnis zur EU und ihren Mitgliedsstaaten künftig zukommt. Die denkbaren Möglichkeiten reichen von einem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR, wie Norwegen und Island) über den Abschluss gesonderter Wirtschaftsabkommen mit der EU und/oder mit einzelnen Mitgliedsstaaten (ähnlich wie die Schweiz) bis hin zum Status eines „normalen” Drittstaates, wie dies in Europa z.B. Albanien oder die Ukraine sind. Eine Mitgliedschaft Großbritanniens im EWR würde erbschaftsteuerliche Probleme im Zuge des Brexits eliminieren, da der EWR vom deutschen Erbschaftsteuerrecht der Mitgliedschaft in der EU gleichgesetzt wird. Ohne diesen weiteren Zugang zum Binnenmarkt könnte Großbritannien – seine Bürger bzw. dort belegenes Vermögen – als Drittstaat jedoch von Erbschaftsteuer-Begünstigungen in Deutschland ausgeschlossen sein. Für die folgenden Ausführungen wird unterstellt, dass es nach dem Brexit nicht zu einem Beitritt Großbritanniens zum EWR kommt.


 

Persönliche Freibeträge

Nahestehende Personen erhalten im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht je nach Grad der Verwandtschaft unterschiedlich hohe persönliche Freibeträge, die von einem Grundfreibetrag von 20.000 Euro bei Nicht-Verwandten bis zu 500.000 Euro für Ehegatten und 400.000 Euro für Kinder reichen (§ 16 Abs. 1 ErbStG). Ist keiner der Beteiligten in Deutschland ansässig und besteht daher nur beschränkte Steuerpflicht, gewährt § 16 Abs. 2 ErbStG lediglich einen geminderten Freibetrag. Einfach ausgedrückt wird letztlich der Freibetrag nur im Umfang des beschränkt steuerpflichtigen Vermögens in Relation zum gesamten Vermögensanfall gewährt. Um eine Aufspaltung von Zuwendungen zu verhindern, bei denen das beschränkt steuerpflichtige Inlandsvermögen isoliert geschenkt wird, werden alle innerhalb der vergangenen 10 Jahre von derselben Person angefallenen Vermögensvorteile einbezogen.

      

Betriebsvermögensbegünstigung

Betriebsvermögen, Beteiligungen an Mitunter­nehmerschaften sowie qualifizierte Beteiligungen an Kapitalgesellschaften genießen in Deutschland weitgehende Steuer­befreiungen, um die Unternehmens­fortführung finanziell nicht zu belasten und die Arbeitsplätze in den Unternehmen im Zuge der Nachfolge nicht zu gefährden. Zwar wird die Betriebsvermögensbegünstigung durch die Erbschaftsteuerreform mit Wirkung zum 1. Juli 2016 eingeschränkt, sie wird aber weiterhin für die unternehmerische Nach­folgeplanung eine entscheidende Rolle spielen.

Voraussetzung für die Begünstigungsfähigkeit ist vor und nach dieser Erbschaftsteuerreform, dass es sich um EU- bzw. EWR-Vermögen handelt. Das Betriebsvermögen muss einer Betriebs­stätte in der EU/EWR (einschließlich Inland) funktionell zugeordnet sein, die Kapital­gesellschaft muss Sitz/Geschäftsleitung in der EU/EWR (einschließlich Inland) haben. Das Betriebs­vermögen von GB-Betriebsstätten oder -Personengesellschaften wird daher nach einem Brexit nicht mehr begünstigungsfähig sein, ebenso wie Beteiligungen an GB-Kapitalgesellschaften.

Neben der Überlegung, solches Betriebsvermögen noch innerhalb der zweijährigen Übergangsfrist zu übertragen, können betroffene Steuerpflichtige auch eine Umstrukturierung zur Wahrung der Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen in Betracht ziehen. Denn auch nach der Erb­schaft­steuer­reform kann Vermögen aus Drittstaaten weiterhin steuerbegünstigt übertragen werden, wenn es in Form einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung unter einer EU-Kapitalgesellschaft (also außerhalb von Großbritannien) gehalten wird. Hierfür müssen die vielfältigen Möglichkeiten geprüft werden, die während der britischen Noch-EU-Mitgliedschaft in der Übergangsfrist existieren, um Betriebsstättenvermögen in eine Kapital­gesellschaft einzubringen, Mitunter­nehmeranteile in eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung umzuwandeln und solche Beteiligungen auf eine EU-Kapitalgesellschaft zu übertragen, ohne eine Ertragsbesteuerung auszulösen. Dieselbe Empfehlung gilt für Steuerpflichtige mit einer GB-Holding, unter der bisher Drittlandsbeteiligungen gehalten wurden. Bitte beachten: Auch die ertragsteuerneutrale Umstrukturierung kann nach dem Brexit eingeschränkt sein, da die hierzu ergangene Fusionsrichtlinie der EU dann nicht mehr anwendbar ist.

    

Weitere Auswirkungen:

  • Der Brexit kann Einfluss auf das Ergebnis der Lohnsummenprüfung haben. Nach einem Brexit werden britische Betriebsstätten, Tochter-Personengesellschaften oder Beteiligungen an britischen Kapitalgesellschaften weder in die Ermittlung der Ausgangslohnsumme noch der einzuhaltenden Mindestlohnsumme einbezogen. Je nach Beschäftigungs- und Lohn­entwicklung kann dies positive oder negative Auswirkungen für die Lohnsummenprüfung haben.

  

  • Eine britische Kapitalgesellschaft kann nach dem Brexit aber auch nicht als Abschirmung von EU-Beteiligungen vor der Lohnsummenprüfung genutzt werden, da mit der Erb­schaft­steuerreform diese Gestaltungsmöglichkeit allgemein beseitigt wird.

  

  • Im Rahmen der Behaltensfristen für die Betriebsvermögensbegünstigung können sich die Spielräume verringern. Der Brexit an sich stellt noch keinen Verstoß gegen die Behaltens­fristen dar, selbst wenn GB-Betriebsvermögen oder -Beteiligungen (mit-)begünstigt sind. Steuerunschädliche Umstrukturierungen des übertragenen Betriebsvermögens können bei einem GB-Bezug jedoch in der Zukunft eingeschränkt sein. So vertritt die deutsche Finanzverwaltung die Auffassung, dass z.B. bei einem Anteilstausch die übernehmende Kapitalgesellschaft in der EU/EWR ansässig sein muss, damit der Anteilstausch nicht zu einer steuerschädlichen Anteilsveräußerung führt.

  

  • Hinweis: Der neu eingeführte § 28a ErbStG berücksichtigt für die Ver­schonungs­bedarfs­prüfung das gesamte Privatvermögen des Steuerpflichtigen. Ein Drittland ist hier kein „sicherer Hafen”, Vermögen in Großbritannien wird also auch nach einem Brexit zu 50 Prozent für die Erbschaftsteuerzahlung auf große Betriebsvermögen herangezogen.


Immobilien in Großbritannien

Bestimmte zu Wohnzwecken genutzte Immobilien sind bei der Erbschaftsteuer begünstigt. Das gilt zum einen für bebaute Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet sind, wenn sie nicht bereits von der Begünstigung der §§ 13a–c ErbStG miterfasst werden. Diese sind mit einem Wertabschlag von 10 Prozent anzusetzen (§ 13d ErbStG, vor der Erbschaftsteuerreform § 13c). Zum anderen wird für lebzeitige Übertragungen zwischen Ehegatten und für Ehegatten und Kinder im Erbfall eine vollständige Steuerbefreiung für das selbstgenutzte Familienheim gewährt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG). Beide Begünstigungen setzen die Belegenheit des Grundstücks in der EU/EWR voraus und sind daher nach einem Brexit für Immobilienbesitz in Großbritannien ausgeschlossen.

Betroffene Steuerpflichtige sollten prüfen, ob eine vorgezogene Übertragung innerhalb der Übergangsfrist noch eine Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung bietet und sinnvoll ist. Sollte die selbstgenutzte Immobilie in Großbritannien aktuell der Hauptwohnsitz sein, kann eine Verlagerung des Lebensschwerpunktes an einen anderen Wohnsitz in der EU zumindest dazu führen, dass die andere Immobilie in der EU als Familienheim gilt und die vorher allein für das GB-Grundstück geltende Steuerbegünstigung erhalten werden kann. Allerdings müssten hier auch die Steuereffekte in Großbritannien geprüft werden.

     

Checkliste: Das sollten Sie beachten!

  • Bereits bestehende Nachfolgegestaltungen sollten auf einen GB-Bezug geprüft werden.
  • Für neue Nachfolgeplanungen ist der künftige Status Großbritanniens als Drittland einzukalkulieren.
  • Als Gestaltungsansätze zur Erbschaftsteueroptimierung bei einem GB-Bezug kommen Umgestaltungen des GB-Engagements, eine vorgezogene Übertragung der Vermögenswerte oder letztlich eine Verlagerung in den verbleibenden EU/EWR-Raum in Betracht.
  • Die Entwicklung sollte beobachtet werden. Die Konditionen des Austritts und die Ausgestaltung des künftigen Status Großbritanniens, weitere politische Wendungen, wie z.B. ein Unabhängigkeitsvotum in Schottland, und schließlich Regelungen der deutschen Finanzverwaltung zur Abwicklung der Brexit-Folgen in Deutschland können ein Nachjustieren für eine Brexit-„feste” Nachfolgeregelung erforderlich machen.         
     
  zuletzt aktualisiert am 17.06.2019

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Elke Volland

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