Ein Tax Compliance Management System ist mehr als ein paar Checklisten – Teil 3 – oder: Herausforderung beim Einrichten einer Tax Compliance-Organisation

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​veröffentlicht am 14. März 2022

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In unseren ersten beiden Artikeln aus dieser Serie haben wir einige allgemeine Erläuterungen zum Tax-CMS gegeben und später dargestellt, warum die Definition von Tax Compliance-Zielen nicht nur formal notwendig, sondern durchaus von praktischer Relevanz ist.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Herausforderung, eine geeignete Tax Compliance-Organisation aufzubauen.

Zwar stellt dies in jedem Unternehmen eine gewisse Herausforderung dar, aber insbesondere bei gemeinnützigen Einrichtungen oder juristischen Personen öffentlichen Rechts ergeben sich aufgrund der Spezialmaterie hier zum Teil besondere Schwierigkeiten. Denn auch in vergleichsweise kleinen Einrichtungen müssen steuerlich komplexe Fragestellungen beantwortet werden.

 

Grafik Tax CMS  

 


Tax Compliance-Organisation

Anders als beim „normalen“ CMS, das das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in seinem Prüfungsstandard (IDW PS 980) als 5. TCMS-Element angibt, stellt das IDW in seinem Praxishinweis 01/2016 zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems die TC-Organisation bereits als 3. Punkt dar – und dies wohl nicht grundlos. Insbesondere im steuerlichen Bereich ist die Organisation von entscheidender Bedeutung. Denn häufig geht es im Bereich „Tax“ nicht nur darum, ein schon einigermaßen funktionierendes System am Laufen zu halten und weiterzuentwickeln, sondern ein solches erst einzurichten. 

 

Auch wenn und gerade weil „die Steuerabteilung“ in mittelgroßen Einrichtungen häufig nur mit wenigen Personen besetzt oder zum Teil sogar in den Bereich Buchhaltung integriert ist, besteht die Herausforderung darin, das TCMS ins ganze Unternehmen „auszurollen“ und die Verzahnung in die einzelnen Unternehmensbereiche sicherzustellen.

 

Die 4 Hauptprobleme in der Praxis

 

Grafik 4 Hauptprobleme  

 

 

Folgende 4 Hauptprobleme lassen sich in der Praxis von vermeintlich schon vorhandenen TCM-Systemen erkennen:

 

Projekt zur Einführung eines TCMS hat nie stattgefunden

Um ein TCM-System einzuführen, ist es nicht ausreichend, bisher bestehende Prozesse und Verfahren zu dokumentieren und dies anschließend als TCMS-Beschreibung zu bezeichnen.

 

Ein TCMS verlangt vielmehr auch eine festgelegte und dokumentierte Organisation, in der Verantwortlichkeiten bereits zu Beginn der Einführung des TCMS durch die Geschäftsführung festgelegt (und anschließend kommuniziert) werden.

 

In der Praxis stellt sich häufig heraus, dass schon einzelne „Baustellen“ im TCMS – insbesondere einzelne Sachverhalte im Bereich TC-Risiken – bearbeitet bzw. mit Maßnahmen zur Abwehr der Risiken belegt werden, ohne dass zuvor eine TC-Organisation geschaffen wurde. Dies hat aber zur Folge, dass steuerliche Risiken unerkannt bleiben können oder auch falsch bewertet werden, da nicht im Vorhinein festgelegt ist, welche Personen (oder „Rollen“) die Risiken erfassen und verantwortlich für deren Bewertung sind. Häufig erfolgt die Bewertung von steuerlichen Risiken auch gar nicht oder allein durch die Abteilung Rechnungswesen, womit aber eine vergleichende Bewertung mit den sonstigen Unternehmensrisiken – mangels Risikobewertung auf Führungsebene - ausbleibt. Dies kann durch Einführung einer Compliance-Organisation auch im Tax-Bereich verhindert werden.

 

Idealerweise sollte bei der Festlegung der Rollen von vornherein unterschieden werden zwischen Rollen im TCMS-Projekt – einem Projekt, das das TCMS einführen soll – und den Rollen im später „laufenden“ TCMS. Während beim bereits eingeführten TCMS steuerliche Fach- und Prozesskenntnis sowie die Fähigkeit zur Beurteilung von Risiken eine Rolle spielen, ist für die Gestaltung des TCMS insbesondere allgemeines Compliance- und Prozesswissen von Bedeutung.

 

Für die Festlegung der Rollen im TCMS reicht es nicht aus, die Rollen nur zu benennen, sie müssen exakt definiert werden. Zentrale Rollen im Rahmen eines laufenden TCMS sind die des Tax Compliance Officers bzw. Managers oder die von Tax Compliance-Beauftragten oder auch Tax Compliance-Verantwortlichen. Auch die Einbindung von Tax Compliance-Referenten unterhalb des Compliance Managers kommt in Betracht. Welche konkreten Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Befugnisse die einzelnen Rollen haben (sollen), muss aber konkret auf die jeweilige Situation im Unternehmen und auch auf das zur Verfügung stehende Personal (oder auch externe Personen) abgestimmt sein.

 

Insbesondere für den Tax Compliance Officer ist festzulegen, ob dieser Systemverantwortung für die Einrichtung eines TCMS haben soll. Ist dies der Fall, dürfte es in den meisten Fällen nicht ausreichend sein, hierfür einen reinen „Steuerfachmann“ einzusetzen. Andererseits gilt auch für den Tax Compliance Officer, dass er nicht „allwissend“ sein kann. Daher ist es für die Definition seiner Rolle wichtig festzulegen, dass und nach welchen Kriterien er über die Einholung externen Sachverstandes bei aufkommenden komplexen Sachverhalten entscheidet.

 

Die Tax Compliance-Verantwortlichen sind in der Regel schon aufgrund ihrer Führungsrolle im Unternehmen (Abteilungsleiter, Institutsleiter o. Ä.) und damit ihrer operativen Prozessverantwortung automatisch verantwortlich für Compliance in ihrem Unternehmensbereich – also auch für Steuer-Compliance. Diese Verantwortung sollte jedoch durch entsprechende Rollenbeschreibungen oder Ernennungsschreiben herausgestellt werden.

 

Mögliche „Rollen“ im Rahmen eins TCMS:

 

 Grafik Rollen eine TCMS

 


Zu klärende Fragen:

 

 Grafik zu klärende Fragen

 

 

Aufgrund von gar nicht durchgeführten oder nicht vollständig abgeschlossenen Projekten zur Einführung eines TCM-Systems ergeben sich häufig Folgeprobleme:

 

Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen mit Bezug zum steuerlichen Bereich sind nicht eindeutig und widerspruchsfrei geregelt

„Das macht die Steuerabteilung“ oder sogar „Das macht das Rechnungswesen“ sind häufige Aussagen im Zusammenhang mit der Besteuerung.

 

Aus solchen Äußerungen wird jedoch deutlich, dass eine Einrichtung wirkliche Risiken im steuerlichen Bereich wahrscheinlich nicht richtig im Griff hat.

 

Die Prozesse zur (rechtzeitigen) Abgabe von Steuererklärungen sind zweifelsohne in der Regel im Rechnungswesen angesiedelt, da die Vorprozesse hierfür in der Buchhaltung abgebildet werden.

 

Neben dieser „rein technischen“ Komponente spielt aber auch steuerliches Spezialwissen im Zusammenhang mit der Branche, der Rechtsform oder auch bei der Betrachtung der steuerlichen Grundstruktur – insbesondere bei gemeinnützigen Einrichtungen oder juristischen Personen öffentlichen Rechts - eine große Rolle, zum Beispiel:

 

  • Welche Erlöse sind einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen und unterliegen daher überhaupt einer Steuerpflicht?
  • Unterliegen bestimmte Umsätze noch der Umsatzsteuerbefreiung für Krankenhausumsätze?
  • Ist eine bestimmte Tätigkeit überhaupt als Betrieb gewerblicher Art anzusehen oder kann hier noch eine hoheitliche Tätigkeit angenommen und daher auf die Abgabe einer Steuererklärung verzichtet werden?
  • Wie sollten Fertigmedikamente aufgrund der noch unklaren Rechtslage momentan versteuert werden?
  • Stellt eine Personalgestellung bei einem gemeinnützigen Krankenhaus zwingend einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar?
  • Stellen erhaltene Zahlungen steuerlich nicht relevante Zuschüsse dar oder muss von einer Umsatzsteuerpflicht ausgegangen werden?
  • Ist die Zuordnung einer Leistung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zwingend oder kann doch eine Zuordnung zu einem Zweckbetrieb begründet werden?

 

Die sich ergebenden Fragestellungen können sehr vielschichtig sein, mehrere (Rechts-)Gebiete betreffen und sind häufig auch nicht mit einem eindeutigen „ja“ oder „nein“ zu beantworten.

 

Wichtig ist es daher, dass die Schnittstellen, wie intern in einer Einrichtung vorhandenes Know-how (Rechtsabteilung, Compliance-Abteilung, Revisionsabteilung u. a.) eingebunden werden kann bzw. muss, geregelt sind und auch hier Verantwortlichkeiten abgegrenzt werden. Ebenso ist zu regeln, wer über die Beauftragung externer Experten entscheidet (vgl. oben) und ggf. auch, in welchen Fällen auf externe Beratung zuzugreifen ist (z. B. für Risikoaufnahme und -bewertung, nur bei bereits festgestellten Risiken der Risikoklassen A und B usw.) Sicherlich ist es beispielsweise sinnvoll, einen Teil der Verantwortlichkeiten für die Bereiche Umsatzsteuer oder Ertragsteuer im Bereich Buchhaltung anzusiedeln. Am Ende müssen allerdings auch andere Bereiche in den Prozess „Erstellung einer richtigen Umsatzsteuererklärung“ einbezogen werden.

 

Dies soll "Folgeproblem 2" verdeutlichen:

 

Steuerliche Prozesse werden nicht in Teilprozesse und damit nicht in Teilverantwortlichkeiten aufgespalten

 

Allgemein üblich und auch aus unserer Sicht sehr sinnvoll ist die Unterteilung der Verantwortlichkeiten nach verschiedenen Steuerarten. Hierbei wird allerdings häufig verkannt, dass ein umfassendes Wissen – auch bezüglich nur einer Steuerart – nicht vollumfassend in einer Person vereint sein kein, insbesondere wenn es um steuerrechtliche Detail- bzw. Zweifelsfragen geht. Daher ist die Festlegung von Teilverantwortlichkeiten sinnvoll. Dies verhindert auch, dass im Bereich Rechnungswesen Entscheidungen getroffen werden, die mit dem in diesem Bereich vorhandenem Wissen gar nicht vollständig richtig getroffen werden können. 

 

Folgende Teilprozesse und somit Teilverantwortlichkeiten sind z. B. für den Bereich Umsatzsteuer innerhalb eines Unternehmens mindestens denkbar:

 

 

 


Selbst wenn (Teil-)Verantwortlichkeiten für eine Steuerart festgelegt sind, kommt häufig noch ein 3. Folgeproblem zum Vorschein:

 

Tax Compliance Management System ist häufig kein Teilbereich des CMS1

Viele Unternehmen bezeichnen ihr (vermeintliches) Tax-CMS richtigerweise als integralen Bestandteil des CMS.

 

Allerdings wird oft deutlich, dass dies nur eine „theoretische Behauptung“ ist und das sog. TCMS in der Praxis nicht wirklich ein integrierter Teilbereich des CMS ist, sondern isoliert neben dem eigentlichen CMS steht.

 

Folgende Indizien sprechen für diese Beurteilung:

 

  • Der Bereich Tax Compliance ist völlig separiert vom Bereich Compliance. Tax Compliance Manager und Compliance Manager haben keine Berührungspunkte.
  • Die Bereiche Recht, Compliance und Revision haben keine Schnittstellen zum Bereich Rechnungswesen, in dem das „Tax Compliance“ angesiedelt ist.
  • Tax Compliance-Risiken werden nicht als Teilbestand der dokumentierten Compliance-Risiken geführt.
  • Als Tax Compliance Manager werden Steuerpraktiker mit Detailwissen im Bereich Veranlagung eingesetzt.
  • Intern vorhandene rechtliche Expertise, z. B. die Rechtsabteilung, wird in steuerlichen Zweifelsfragen nicht oder kaum hinzugezogen.


Die Herausforderung besteht darin, einen Tax Compliance Officer (bzw. Manager) zu installieren, der an der Schnittstelle der Bereiche Rechnungswesen, Recht, Compliance, Revision und Geschäftsführung arbeitet. Obwohl hierfür auch steuerliches Fachwissen notwendig ist, muss beachtet werden, dass es sich bei der Person in erster Linie um einen Compliance Manager für den steuerlichen Bereich und weniger um einen Fachexperten für ein steuerliches Gebiet mit Zusatzfunktionen im Bereich der Compliance handelt.

 

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1 Vgl. IDW Praxishinweis 01/2016: Ausgestaltung und Prüfung eins Tax Compliance Management Systems gemäß IDW PS 980, Rz. 8: „Ein Tax Compliance Management System (Tax CMS) ist ein abgegrenzter Teilbereich eines CMS“.



Hier finden Sie mehr Artikel aus der Reihe „Ein Tax Compliance-Management-System ist mehr als ein paar Checklisten” »



Autoren: Anka Neudert und Christoph Naucke

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Diplom-Kaufmann, Steuerberater, Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit

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Christoph Naucke

Betriebswirt (Berufsakademie), Zertifizierter Compliance Officer, Datenschutzbeauftragter DSB-TÜV, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR), Datenschutzauditor (TÜV), IT-Auditor IDW

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