Bürokratieentlastung oder mehr Unsicherheit? Das Ende der Schriftform für Gewerbemietverträge

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​veröffentlicht am 2. Mai 2025



​Am 2.1.2025 ist das IV. Bürokratieentlastungsgesetz in Kraft getreten und mit ihm eine grundlegende Neuerung im Gewerbemietrecht: Das bisherige Schriftformerfordernis wurde durch die flexiblere Textform ersetzt. 


Bislang galten strenge Anforderungen an eine einheitliche Urkunde, die von beiden Parteien eigenhändig unterzeichnet werden musste. Kleinste Formfehler, die bisher die Kündbarkeit eines Gewerbemietvertrags mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr auslösten, konnten so strategisch genutzt werden, um sich vorzeitig von einem unliebsam gewordenen Vertrag zu lösen. 

Die neue Regelung soll dem nicht nur entgegenwirken, sondern auch den Vertragsschluss in Zeiten der Digitalisierung erleichtern und bürokratische Hürden abbauen. Doch was bedeutet diese Änderung konkret für die Praxis der Gewerbemietverträge? In diesem Artikel geben wir einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen, die Auswirkungen auf das Gewerbemietrecht sowie rechtliche Herausforderungen, die sich daraus ergeben.

Gesetzliche Neuerungen 

Nach der neuen Regelung des § 578 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gilt nun für Gewerbemietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr die Textform. Die Textform nach § 126b BGB verlangt nur eine lesbare Erklärung, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Dies kann beispielsweise eine E-Mail, eine SMS oder auch eine Nachricht über WhatsApp sein. 

Für Verträge oder Vertragsanpassungen, die vor dem 2.1.2025 abgeschlossen wurden, gelten jedoch Übergangsregelungen. Für solche Altverträge gilt bis zum 1.1.2026 weiterhin das schriftliche Formerfordernis des § 550 BGB.

Erst ab dem 2.1.2026 müssen auch alle Verträge und Vertragsänderungen, die vor dem 2.1.2025 abgeschlossen wurden, dem Erfordernis der Textform entsprechen. Demnach ist wohl zu erwarten, dass im weiteren Verlauf von 2025 noch die Chance genutzt wird, sich von Altverträgen vor Eintritt der neuen Regelung zu lösen.

Rechtliche Herausforderungen und offene Fragen

Die Textform erlaubt es, Änderungen und Ergänzungen von Verträgen ganz einfach ohne eine Unterschrift 
per E-Mail vorzunehmen. Dies vereinfacht zwar Änderungsprozesse, erhöht jedoch zugleich das Risiko 
unbeabsichtigter Vertragsänderungen oder widersprüchlicher Absprachen über verschiedene Kommunikationskanäle hinweg.

Die Möglichkeit, Gewerbemietverträge künftig in Textform abzuschließen, verspricht zunächst eine effizientere und schnellere Abwicklung. Insbesondere durch die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel wie E-Mail, SMS oder Messenger-Dienste kann der administrative Aufwand deutlich reduziert werden. Gleichzeitig wirft die neue Flexibilität aber auch erhebliche rechtliche und praktische Fragen auf, die in der Vertragsgestaltung und -durchführung berücksichtigt werden müssen.

Bislang ist unklar, inwieweit die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Schriftform auf die Textform übertragbar sind. Die gesetzliche Regelung lässt viele Details offen, insbesondere im Hinblick auf Nachweisbarkeit, Authentizität und Zugang von Willenserklärungen. Diese Unklarheit birgt erhebliche Risiken bei der Beurteilung, ob ein wirksamer Vertrag tatsächlich zustande gekommen ist.

Die digitale Kommunikation erschwert es zunehmend, den genauen Zeitpunkt eines Vertragsschlusses zu bestimmen. Einerseits stellt sich die Frage, ob bereits durch den Austausch von Willenserklärungen per E-Mail oder WhatsApp ein verbindlicher Vertrag entsteht. Andererseits bleibt oft unklar, ob eine solche Vereinbarung den Anforderungen an die Textform tatsächlich genügt. Die Grenzen zwischen unverbindlicher Korrespondenz und rechtlich bindenden Erklärungen verschwimmen.

Besonders im Rahmen von Due-Diligence-Prozessen entsteht durch die neue Form ein erheblicher Prüfungsaufwand. Sämtliche textbasierte Kommunikation muss daraufhin untersucht werden, ob rechtsverbindliche Vereinbarungen getroffen wurden. Der erhoffte Bürokratieabbau bleibt daher in der Praxis aus – der Aufwand verlagert sich lediglich auf andere Ebenen der Dokumentations- und Prüfpflicht.

Auswirkungen auf das Gewerbemietrecht

Mit der Neuregelung dürfte sich das Verhalten der Mietvertragsparteien spürbar verändern. Die Möglichkeit, sich durch Berufung auf einen Formmangel vorzeitig von einem langfristigen Vertrag zu lösen, entfällt künftig weitgehend. Dies wird voraussichtlich zu einer verstärkten Zurückhaltung gegenüber langfristigen Bindungen führen. Stattdessen ist mit einem Trend zu kürzeren Vertragslaufzeiten sowie dem vermehrten Einbau von Sonderkündigungsrechten zu rechnen.

​Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zur Textform weiter entwickeln wird. Die Frage, ob sich die Probleme der Formerfordernis tatsächlich verringern oder womöglich nur verlagert haben, bleibt zunächst offen. 

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung von Gewerbemietverträgen ist eine strukturierte und transparente Dokumentation aller relevanten Kommunikation wichtiger denn je. Künftig wird es entscheidend sein, interne Prozesse und Kommunikationswege klar zu definieren sowie die Trennung zwischen Verhandlungsstand und endgültiger Vereinbarung eindeutig zu dokumentieren.

Abhilfe kann die Orientierung an der bisherigen Rechtsprechung zur Schriftformerfordernis schaffen. Auch Vereinbarungen über die Verwendung von festgelegten Kommunikationskanälen und einer digitalen Signatur zur Abgrenzung von Vertragsverhandlungen und Vertragsschluss sind von Vorteil. 

Die Ersetzung der Schriftform durch die Textform in Gewerbemietverträgen ist eindeutig eine zukunfts-weisende Änderung, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. Unternehmen und Rechtsanwälte sollten sich folglich intensiv mit den neuen Regelungen auseinandersetzen und die nötigen Schritte einleiten, um ihre Alt- und Neuverträge rechtssicher und effizient zu gestalten.

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Hilâl Özdemir

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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