Strukturreform im Krankenhauswesen: Chancen für Kommunen durch Zusammenschlüsse, Spezialisierung und den Transformationsfonds

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veröffentlicht am 1. Juli 2025


​​​​Zeitenwende im Kliniksektor – und Kommunen stehen im Zentrum. Die deutsche Krankenhauslandschaft steht vor einem fundamentalen Umbruch. Die Krankenhausreform 2024, die neue Krankenhausversorgungsstruktur mit Leistungsgruppen und Versorgungsstufen, die Umstellung auf Vorhaltevergütung, ein massiver Investitionsstau und der Mangel an Fachkräften – all das erzeugt immensen Handlungsdruck auf Krankenhäuser, insbesondere in kommunaler Trägerschaft. Dieser Beitrag zeigt einige Impulse und Wege auf, wie die Spannungsfelder beherrschbar werden.

​Zwischen wirtschaftlicher Machbarkeit und politischer Verantwortung

​Kommunale Träger geraten zunehmend in ein Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Machbarkeit, medizinischem Versorgungsauftrag und politischer Verantwortung für die Daseinsvorsorge. Die großen Fragen lauten: Wie lässt sich ein kleiner oder mittlerer kommunaler Standort zukunftsfähig aufstellen? Und welche rechtlichen und finanziellen Hebel stehen dafür zur Verfügung?

Ein zentrales Instrument für notwendige Veränderungen ist der Zusammenschluss von Krankenhäusern – sei es durch Fusionen, Kooperationen oder neue interkommunale Trägerschaften. Richtig geplant und begleitet kann dies ein Weg sein, um Effizienz, Versorgungssicherheit und kommunale Steuerungsfähigkeit zu sichern. Unterstützung gibt es nun auch durch den neuen Krankenhaustransformationsfonds (KHTF) mit einem Volumen von bis zu 50 Milliarden Euro bis 2035.

Zusammenschlüsse – Potenzial für Spezialisierung, Qualität und kommunalen Einfluss

​Der Zusammenschluss von Krankenhäusern bietet zahlreiche Vorteile – insbesondere für kleinere Häuser mit begrenzten Ressourcen. Durch arbeitsteilige Leistungserbringung, Spezialisierung und abgestimmte Strukturen innerhalb einer Region lassen sich Qualität und Wirtschaftlichkeit steigern.

Größere Klinikverbünde sind besser in der Lage, Investitionen zu stemmen, Synergien (z. B. bei Einkauf, IT, Personalentwicklung) zu nutzen und den neuen Anforderungen an Versorgungsstufen (Level I bis III) gerecht zu werden. Zusammenschlüsse ermöglichen darüber hinaus eine gezielte Reaktion auf die Leistungsgruppenzuweisungen in den Landeskrankenhausplänen, ohne dass jeder Standort alles vorhalten muss. Besonders wichtig: Kommunale Träger behalten im Zusammenschluss mehr Einfluss, als wenn sie ihre Häuser an private Betreiber abgeben. Interkommunale Trägergesellschaften, Zweckverbände oder Konsortialverträge ermöglichen rechtliche Konstruktionen, mit denen auch bei Zusammenschlüssen die öffentliche Verantwortung und Kontrolle gewahrt bleiben.

Aber: Zusammenschlüsse sind kein Selbstläufer

​Unterschiedliche Interessenlagen (Stadt vs. Land), politische Widerstände oder Ängste vor Standortverlusten erschweren Entscheidungen. Die Integration von Personal, IT-Systemen, Verwaltungsabläufen und Tarifstrukturen ist aufwendig. Auch die Bevölkerung ist einzubeziehen – Akzeptanz für Veränderungen entsteht nur durch transparente Kommunikation.

Der Krankenhaustransformationsfonds: Milliarden für den Wandel – aber keine Garantie

​Mit Inkrafttreten der Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) ist einer der größten Umbauprozesse im deutschen Kliniksystem offiziell gestartet. 50 Milliarden Euro stehen in den nächsten zehn Jahren bereit, um den Strukturwandel zu finanzieren. Der Förderung unterliegen

  • Zusammenschlüsse von Klinikstandorten
  • Umbau zu sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (SÜV)
  • Schaffung spezialisierter Zentren für komplexe Krankheitsbilder
  • digitale Infrastruktur und Ausbau telemedizinischer Angebote
  • integrierte Notfallstrukturen

Auch die dauerhafte Schließung von Standorten ist förderfähig – sofern medizinisch vertretbar. Der Fonds ist ausdrücklich kein Betriebskostenzuschuss, sondern zielt auf Investitionen in Bau, Technik und Strukturwandel ab. Das Besondere ist das Antragsverfahren. Nicht die Krankenhäuser selbst, sondern die Länder sind antragsberechtigt. Über ein Verwaltungsportal beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) reichen sie förderfähige Projekte ein. Die Entscheidung liegt bei den Bundes- und Landesbehörden. Die Hauptfrist für die Anträge auf Auszahlung von Fördermitteln aus dem Krankenhaustransformationsfonds ist der 30. September des vorhergehenden Kalenderjahres. Anträge für die Förderung im Jahr 2026 müssen die Länder also bereits bis zum 30. September 2025 einreichen. Für die Antragsteller bedeutet das, dass die Anträge kurzfristig gut vorzubereiten sind, um die Frist noch halten zu können. Unter bestimmten Bedingungen besteht allerdings die Möglichkeit, Anträge bis zum 31. Dezember des Jahres zu stellen, wenn die vorhergehende Frist versäumt wurde.

Kliniken benötigen daher politische Rückendeckung ihrer Landesregierung. Die Projekte müssen wirtschaftlich tragfähig, mit den Kassen abgestimmt und rechtlich einwandfrei sein – ein laufendes Insolvenzverfahren ist grundsätzlich ein Ausschlusskriterium. Ob das auch für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder für Schutzschirmverfahren gilt, ist bisher noch nicht geklärt. Zwar handelt es sich bei diesen Verfahrens-
arten ebenfalls um Insolvenzverfahren, sie sind aber grundsätzlich auf den Erhalt und die Restrukturierung von Unternehmen gerichtet, sodass u. E. mit der richtigen Kommunikationsstrategie dennoch Fondsgelder beansprucht werden können.

Rechtliche Rahmenbedingungen: Viele Stolperfallen, aber auch Gestaltungsmöglichkeiten

​Ein Klinikzusammenschluss muss von Anfang an rechtlich, wirtschaftlich und medizinstrategisch fundiert geplant werden. Je nach Modell (Fusion, Zweckverband, Holding, Konsortialvertrag) sind unterschiedliche Gesetze und Vorschriften relevant:

Kommunal- und Gesellschaftsrecht


Veränderungen der Trägerschaft bedürfen häufig der Zustimmung von Gemeinderäten und Kreistagen.
Eigenbetriebe, GmbHs oder AöRs haben jeweils spezifische Anforderungen, etwa zur Haftung oder Entscheidungsstruktur. Bei interkommunalen Kooperationen gilt es, kommunalaufsichtliche Genehmigungen einzuholen.

Vergabe- und Beihilferecht


Kooperationen zwischen öffentlichen Trägern können als Inhouse-Geschäfte vergabefrei sein – bei Einbindung privater Partner wird es komplex. Die finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand ist ggf. über einen wirksamen Betrauungsakt abzusichern (DAWI-Regelung, Art. 106 ff. AEUV), um Rückforderungen zu vermeiden.

Krankenhausplanungsrecht


Die neuen Leistungsgruppenbescheide entscheiden über die Zukunft eines Standorts. Eine enge Abstimmung mit dem Krankenhausplan des Landes ist Pflicht. Fehlzuweisungen sind juristisch überprüfbar – mehrere Verfahren laufen bereits.

Arbeitsrecht und Mitbestimmung


Betriebsübergänge nach § 613a BGB erfordern Information und Beteiligung der Mitarbeitenden.
Unterschiedliche Tarifverträge und Mitbestimmungsrechte sind zu berücksichtigen und müssen ggf. harmonisiert werden.

Gesundheitsdatenschutz


Gemeinsame IT-Lösungen und Datenpools müssen DSGVO-konform sein.
Das Zwei-Schrank-Modell zur Trennung von medizinischen und administrativen Daten hat sich bewährt.

Kartellrecht


Das Bundeskartellamt prüft Fusionen – aber bei vom Transformationsfonds geförderten Zusammenschlüssen bestehen Ausnahmen (§ 186 Abs. 9 GwB).
Eine generelle Ausnahme von der Fusionskontrolle bis Ende 2030 ist möglich – wenn der Zusammenschluss medizinisch notwendig ist.

Neue Versorgungsformen: Sektorenübergreifende Einrichtungen als Zukunftsmodell

​Ein weiteres strategisches Element sind die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (SÜV). Sie sollen stationäre und ambulante Leistungen bündeln und dort entstehen, wo klassische Kliniken nicht mehr wirtschaftlich betreibbar sind. Grundlage ist § 115g SGB V. Für Kommunen bedeutet das: Neue Gesundheitszentren können entstehen, die Krankenhaus, MVZ, Pflegeeinrichtung und Notfallversorgung unter einem Dach vereinen – oft besser erreichbar, effizienter und stärker vernetzt als bisherige Strukturen.

Klinikinsolvenzen und Privatisierung – Der Druck steigt, Lösungen sind möglich

​Die Zahl kommunaler Krankenhausinsolvenzen steigt. Über 50 Verfahren wurden 2023 eröffnet – Tendenz steigend. Die Ursachen: überalterte Bausubstanz, niedrige Fallzahlen, Personalmangel, Investitionsstau. Parallel zeigt sich eine Zunahme privater Übernahmen insolventer Häuser. Kommunen stehen vor der Wahl: Veräußerung oder partnerschaftliche Restrukturierung. Wer selbst steuert, kann den Versorgungsauftrag wahren – wer extern verkauft, verliert mitunter Einfluss.

Unsere Empfehlung ist daher ganz klar eine frühzeitige Risikoanalyse, Gespräche mit Nachbarkommunen und mögliche interkommunale Zusammenschlüsse vorbereiten – bevor Insolvenzverfahren Alternativlosigkeit schaffen.


Fazit: Jetzt strategisch denken – oder später fremdbestimmt werden
​Die Krankenhausreform ist Realität – und der Wandel unausweichlich. Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und der Transformationsfonds machen deutlich: Nur wer jetzt handelt, wird künftig eine Rolle in der Versorgungslandschaft spielen. 
Für kommunale Entscheidungsträger bedeutet das:

– Kooperation statt Isolation – interkommunale Netzwerke stärken regionale Strukturen

– Förderchancen aktiv nutzen – mit rechtssicheren Konzepten und klaren Zielen

–​ Daseinsvorsorge erhalten – durch Mitwirkung statt Rückzug

– Wer jetzt investiert, kann morgen Versorgung sichern – und den kommunalen Einfluss bewahren​



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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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