Fehlverbuchungen in gemeinsamen Einrichtungen von Jobcentern – nur eine Frage der Vergangenheit oder was lässt sich aus den Fehlbuchungen in A2LL für die Zukunft mit ALLEGRO lernen?

PrintMailRate-it

​veröffentlicht am 3. Juli 2017

 

Im Jahr 2016 wurde bundesweit publik, was eigentlich Jahre zuvor schon in einzelnen Verwaltungen und bei der Bundesagentur für Arbeit bekannt war: Es gab fehlerhafte Umbuchungen und Fehlverbuchungen in den gemeinsamen Einrichtungen, in und mit der eingesetzten Fachsoftware A2LL. Die Software wurde bis ins Jahr 2015 in den Jobcentern zur Fallbearbeitung von Leistungsfällen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB) eingesetzt.

 

​Die Bundesagentur für Arbeit hat inzwischen alle Jobcenter darüber informiert, dass mit Ablauf des 30. Juni 2017 die Software A2LL endgültig abgeschaltet wird. Die Daten aus A2LL können ab dem 1. Juli 2017 ausschließlich lesend im e-Archiv-A2LL, einem besonderen Teil der e-Akte, eigesehen werden.


Was lässt sich aus A2LL für die Zukunft lernen?

Im Sinne einer „lernenden Verwaltung” stellt sich die Frage, was aus den bisherigen Erfahrungen für die Zukunft zu lernen ist? Generell lässt sich für A2LL festhalten:

  • Die mangelnde Anpassungsfähigkeit der Software hat dazu geführt, dass auf Gesetzesänderungen nicht angemessen zügig reagiert werden konnte. (Softwaredefizit)  
  • Wiederkehrende Anwendungsfehler der Sachbearbeiter wurden nicht identifiziert. Prüfungen zeigen, dass Fehlverbuchungen durch die Sachbearbeiter über mehrere Haushaltsjahre weitergeführt wurden. (Anwendungsdefizit) 
  • Die Kommunen der gemeinsam geführten Einrichtungen standen vor der Frage, wie sie sich dem Thema nähern konnten. Ein fehlendes Konzept, fehlende Ressourcen und fehlendes Know-how in den Prüf- und Controlling-Instanzen haben dazu geführt, dass Erstattungsansprüche verfallen und damit finanzielle Schäden entstanden sind. (Steuerungsdefizit)


Mit ALLEGRO wird alles besser?

Erste Indizien zeigen, dass auch in der neuen BA-Software ALLEGRO künftig Fehlbuchungen auftreten können und werden. Nach Meinungen vieler Kommunen wurden die genannten Defizite mit der neuen Software ALLEGRO behoben. Dies entspricht aber nur zum Teil der Wahrheit. Zwar scheint das Risiko automatisierter fehlerhafter Umbuchungen in ALLEGRO ausgeschlossen, jedoch betrifft das nicht zwangsläufig auch die Fehlverbuchungen.


Hierzu lässt sich generell für ALLEGRO festhalten, dass sich an den Rahmenbedingungen nichts geändert hat:

  • Softwaredefizit: Die Anpassung der Buchungssemantik an (teilweise rückwirkende) Gesetzesänderungen wird auch zukünftig schwierig zeitnah umsetzbar sein. Zu nennen ist hier u.a. die Erfassung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung bei anerkannten Flüchtlingen in Sammelunterkünften. Teilweise wurden diese in alternativen Abrechnungsverfahren erfasst und sind noch nicht in ALLEGRO hinterlegt bzw. erfasst worden.
  • Anwendungsdefizit: Sachbearbeiter, die Leistungen in A2LL falsch verbucht haben, werden diese Fehler auch in der neuen Software machen. Dies liegt vor allem daran, dass typische Fehlerquellen aus A2LL in ALLEGRO nicht ausgeräumt wurden. Das zum 1. Januar 2016 etablierte Vier-Augen-Prinzip hat hier zwar Verbesserungen gebracht, aber nicht das Problem gänzlich behoben. Darüber hinaus besteht weiterhin eine hohe Fluktuation in der Sachbearbeitung der Jobcenter.
  • Steuerungsdefizit: Das Kontrollsystem der kommunalen Partner hat sich bisher nicht den notwendigen Erfordernissen angepasst. Zwar sind die kommunalen Partner der gemeinsamen Einrichtungen sensibilisiert, aber nicht wirklich besser aufgestellt. Die Wahrscheinlichkeit weiterer finanzieller Schäden ist demnach durchaus denkbar. Hinzu kommt teilweise ein Informationsdefizit zwischen den beiden Partnern.


Somit stellt sich realistisch betrachtet auch in ALLEGRO die Frage: „Wie können Fehlbuchungen künftig verhindert werden?”


Risiken durch frühzeitiges und aktives Prüfen sowie eine nachhaltige Steuerung reduzieren

Um Schwachstellen entgegenzuwirken und somit finanzielle Schäden abzuwenden, empfiehlt sich folgendes strukturiertes Vorgehen:

  1. Die zuständige Rechnungsprüfung und die Fachaufsicht der kommunalen Träger sollten keine Zeit verstreichen lassen und durch eine regelmäßige stichprobenartige Prüfung kontrollieren, ob und wie Gesetzesänderungen in ALLEGRO umgesetzt werden und welche Defizite in der Anwendungspraxis entstehen. Ein risikoorientierter Prüfansatz ermöglicht es der zuständigen Fachaufsicht Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und unter Kosten-Nutzen-Abwägungen weitere und tiefergehende Maßnahmen dort anzusetzen, wo sie sinnvoll sind
  2. Das interne Kontrollsystem und der Informationsaustausch zwischen Kommune und Jobcenter sollten dahingehend verbessert werden, dass der Dialog zwischen den Jobcentern und den kommunalen Trägern dynamisiert und ein regelmäßiger Informationsaustausch festgelegt wird.
  3. Auf Basis der aus den regelmäßigen Prüfungen gewonnenen Erkenntnisse sollten neue Vorgaben für die zuständigen Sachbearbeiter formuliert (z.B. konkrete Schulungen) und Maßnahmen der Steuerung nachhaltig implementiert werden.


Zusammenfassend empfiehlt es sich für kommunale Träger, die Buchungen in der neuen Software ALLEGRO auf deren sachgerechte Zuordnung und Vollständigkeit hin aktiv zu prüfen, Schwachstellen entgegenzuwirken und somit finanzielle Schäden abzuwenden. Unterstützung bei der Aufarbeitung von Fehlbuchungen wird gerne angeboten.

Kontakt

Contact Person Picture

Christian Griesbach

Diplom-Volkswirt

Partner

+49 911 9193 3605

Anfrage senden

Contact Person Picture

Ina Eichhoff

Steuerberaterin, Sustainability Auditor IDW

Partner

+49 221 9499 092 08

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu