Erfahrungen mit dem Zusammenschluss kommunaler Kliniken

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veröffentlicht am 1. März 2013

 

Rödl & Partner konnte im vergangenen Jahr insbesondere zwei Zusammenschlüsse kommunaler Kliniken begleiten. Einerseits führten die Landkreise Deggendorf und Dingolfing-Landau das Klinikum Deggendorf sowie die Kreiskrankenhäuser in Dingolfing und Landau in einem gemeinsamen Kommunalunternehmen zusammen.

 

Andererseits brachte die kommunale Spitalstiftung der Stadt Konstanz das Klinikum Konstanz in einen landkreisweiten Klinikverbund zusammen den Krankenhäusern Engen, Radolfzell und Stühlingen ein, der vor allem vom Landkreis Konstanz getragen wird. 
   
Dies sind erfolgreiche Beispiele für den Veränderungsprozess im Krankenhaussektor, der auch an den kommunalen Kliniken nicht vorbei geht. Der ökonomische Druck drängt die Krankenhäuser, wirtschaftlicher zu arbeiten, um Vorgaben von Kostensenkungen zu erreichen oder Erfordernisse von Effizienz und Effektivität zu erfüllen. Das Jahresergebnis der Krankenhäuser ist im Jahr 2011 im Vergleich zu 2010 in 58 Prozent der Krankenhäuser gesunken, bei rund einem Viertel konstant geblieben und nur in rund 17 Prozent der Krankenhäuser gestiegen. Die Entwicklungsschwankungen sind dabei in den Krankenhäusern der mittleren Bettengrößenklasse am stärksten. Sie weisen sowohl bei den Häusern mit gestiegenem Ergebnis als auch bei den Einrichtungen mit rückläufigem Ergebnis die höchsten Anteilswerte auf (Deutsches Krankenhausinstitut – DKI, Krankenhausbarometer – Umfrage 2012). 
 
Entsprechend äußern sich die Krankenhäuser zu ihren Erwartungen für das kommende Jahr 2013: Nur 22 Prozent erwarten eine Verbesserung, jedoch fast 40 Prozent der Krankenhäuser eine Verschlechterung. Ähnlich wie im Vorjahr fallen die Zukunftserwartungen der Krankenhäuser daher pessimistisch aus (Deutsches Krankenhausinstitut – DKI, Krankenhausbarometer – Umfrage 2012).
  
Erweiterung für das eigene Krankenhaus
 
Nach Bettengrößenklassen differenziert fallen die Erwartungen vor allem in Häusern der mittleren Bettengrößenklasse deutlich kritischer aus als in den unteren und oberen Bettengrößenklassen. So erwartet jedes zweite Haus in der Klasse von 300-599 Betten eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Situation. Der oben aufgezeigte Trend einer Angleichung der schwierigen wirtschaftlichen Lage von Krankenhäusern aller Bettengrößenklassen wird sich voraussichtlich auch 2013 fortsetzen. 

 
Besonderheiten kommunaler Krankenhäuser

Diese allgemein zu beobachtenden Entwicklungen erfassen auch und besonders die kommunalen Krankenhäuser. Sie stellen in der Regel einen besonderen Standortfaktor aller Kommunen dar und sind bestimmend für das Leben in der kommunalen Gemeinschaft. Sie stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Angesichts der knappen Kassen der Kommunen ist aber ein defizitärer Betrieb nicht auf Dauer hinnehmbar. 
 
Die öffentlichen Diskussionen über notwendige Veränderungen im Krankenhaus, insbesondere Forderungen nach Kostensenkungen und Qualitätssicherung, haben viele Einrichtungen zum Anlass genommen, über Veränderungsprozesse nachzudenken. Diese Veränderungsprozesse stoßen immer wieder an die Grenzen des jeweiligen kommunalen Krankenhausträgers. Grenzen werden einerseits gezogen durch die zunehmenden Anforderungen an einen wirtschaftlichen Krankenhausbetrieb. Sie werden auch gezogen durch die Finanzkraft der jeweiligen Kommune und die gesetzlichen Regelungen, die eine Tätigkeit des regionalen Krankenhauses außerhalb der kommunalen Grenzen nur erlauben, wenn die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. 
 
Weitere Restriktionen ergeben sich aus den sozialrechtlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Ein Beispiel ist die Mindestmengenproblematik. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt die zahlenmäßige Menge einer planbaren Leistung fest, die ein Krankenhaus in einem Jahr mindestens erbringen muss, um diese Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen zu können. Krankenhäuser, die bisher geringe Mengen dieser Leistungen erbracht haben, müssen sich entscheiden, entweder mehr Leistungen zu erbringen oder diese Leistung zukünftig nicht mehr anzubieten. Es kann auch zu Zusammenschlüssen oder Vereinbarungen zwischen Krankenhäusern kommen, die sich darauf einigen, wer welche Leistung zukünftig für die Region erbringt, wenn unterschiedliche Häuser zuvor dieselbe Leistung in geringem Umfang angeboten haben. 
  
Ein anderes Beispiel ist der Rückgang der Geburten, der in vielen Gebieten zu verzeichnen ist. Er führt vielerorts auch angesichts steigender Versicherungssummen in diesem Bereich zur Frage, ob eine eigenständige Geburtshilfe noch tragbar ist. 
 
Und schließlich fällt auch der Bereich der Personalgewinnung und Ausbildung von medizinischem und pflegerischem Personal ins Gewicht. Nicht in allen Krankenhäusern gelingt es, ein auch für das Personal ausreichend attraktives Umfeld zu schaffen.
 

Möglichkeiten der Zusammenarbeit kommunaler Krankenhausträger

Diesen Konflikten kann der kommunale Krankenhausträger entgehen, indem er für sein Krankenhaus nach Alternativen sucht. Der Verkauf an einen privaten Klinikbetreiber wird dabei zu Recht nicht als die beste Lösung betrachtet.
 
In vielen Fällen bietet es sich daher an, entweder die eigenen regionalen Kliniken strukturell neu aufzustellen oder die Zusammenarbeit mit anderen kommunalen oder freigemeinnützigen Klinikträgern zu suchen. Die Möglichkeiten einer solchen Zusammenarbeit sind vielfältig: Denkbar ist eine lose Abstimmung der Strategien der jeweiligen Krankenhäuser. 
  
Verbindlicher ist jedoch eine Zusammenarbeit auf der Grundlage von Kooperationsverträgen. In diesen Fällen bleibt die rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung bei der jeweiligen Kommune. Jedoch werden in den medizinischen oder in den unterstützenden Bereichen wie z.B. Reinigung, Küche etc. Doppelstrukturen vermieden. Aufgrund der unveränderten Verantwortlichkeit und der zusätzlichen steuerlichen Lasten im Bereich der Umsatzsteuer werden solche Kooperationen dauerhaft meist nur im Zusammenhang mit der Abstimmung des Leistungsspektrums und dem Know-how-Transfer Bestand haben. Die Zusammenarbeit kann aber auch soweit gehen, dass die jeweiligen Krankenhausträger ihre alleinige rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung in ein gemeinsames Unternehmen einbringen. Die rechtlichen Möglichkeiten hierfür sind vielfältig. So können die Standorte z.B. über Tochtergesellschaften einer Holding ihre rechtliche Eigenständigkeit behalten oder in einem einzigen Rechtsträger aufgehen. Es gibt zudem verschiedene Rechtsformen solcher Zusammenschlüsse. Häufig wird die Rechtsform einer GmbH gewählt, deren gesellschaftsrechtliche Verhältnisse weitgehend frei gestaltet werden können. Immer wieder wird die Rechtsform der AG gewählt, deren Organisation stärker gesetzlich geprägt ist. In einem Teil der Bundesländer ist auch das landesgesetzlich geregelte Kommunalunternehmen möglich, das in besonderer Weise den kommunalen Anforderungen gerecht wird und eine schlanke Organisationsstruktur bietet. Und schließlich kann auch eine Stiftung als Träger der gemeinsamen Krankenhausstandorte in Betracht kommen. 
 
Jede Zusammenarbeit stellt immer auch einen Prozess dar. Dieser Prozess hat eine betriebswirtschaftliche und eine psychologische Perspektive. Die betriebswirtschaftliche Seite wird beherrscht von einer effizienzbezogenen, die psychologische von einer emotionsbezogenen Information, Kommunikation und Steuerung. Für den ganzheitlichen Erfolg einer Veränderung sind immer beide Perspektiven erforderlich. Typisch ist jedoch, dass dieser Veränderungsprozess von diversen rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Besonderheiten geprägt ist, die nicht zum Tagesgeschäft der Beteiligten gehören. Erfahrungsgemäß sind bei derartigen Vorhaben nennenswerte Mehrbelastungen über das Tagesgeschäft hinaus zu erwarten. Reibungsverluste sollten hier durch eine bewusst eingerichtete Projektsteuerung vermieden werden. Eine besondere Herausforderung ist die Einbindung der kommunalen Gremien und der Mitarbeiter. Hier ist einerseits die Vielschichtigkeit der speziellen Problemstellungen zu vermitteln. Andererseits muss die Grundlage für sachliche und zukunftsweisende Entscheidungen geschaffen werden. 
 
Aber auch in anderer Hinsicht besteht Abstimmungsbedarf, z.B. im Bereich des Steuerrechts mit den Finanzbehörden. In vielen Fällen stehen gemeinnützigkeitsrechtliche Restriktionen im Rahmen der Mittelverwendung im Vordergrund. Zudem wird der Erhalt der Gemeinnützigkeit bei Holdingskonstruktionen ohne verbindliche Abstimmung mit den Finanzbehörden nicht zu empfehlen sein. Aber auch die Bereiche des Umwandlungssteuerrechts (Steuerlasten aus der Aufdeckung von stillen Reserven) und der Umsatzsteuer (insb. USt-Organschaft) müssen abgearbeitet werden. 
 
Kommunalrechtlich werden derartige Vorhaben in vielen Fällen eng von den Aufsichtsbehörden begleitet. Über die Organisation der Zusammenarbeit hinaus müssen ggf. wegen der Kapitalerhaltungsvorschriften für Kapitalgesellschaften (GmbHs) die erforderlichen Werthaltigkeitsnachweise, Unternehmenspläne sowie (Eröffnungs-) Bilanzen erstellt bzw. den neuen Strukturen angepasst werden. Die Ausstattung der Träger muss haushaltsrechtlich tragbar sein.
  
Die Abrechenbarkeit der Leistungen gegenüber den Kostenträgern ist ein tragendes Element der Einrichtungen und darf durch die Strukturänderung nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere im ambulanten Bereich kann es hier zu einem nicht unerheblichen Abstimmungsbedarf mit den Kassenärztlichen Vereinigungen kommen. 
  
Strukturänderungen haben ferner sowohl im kollektiven als auch im individuellen Arbeitsrecht Folgen. Erfahrungsgemäß wird dies durch die Arbeitnehmer sehr kritisch begleitet. Meist sind Zugeständnisse an die Arbeitnehmer zulasten der Wirtschaftlichkeit in der Regel wirtschaftlich nicht tragbar. Teilweise sind auch in den Krankenhäusern noch Beamte eingesetzt, für die eigene Lösungen gefunden werden müssen. Ein ganz wesentlicher Faktor im Rahmen eines Zusammenschlusses kann die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer sein. Ein Ausscheiden aus der Zusatzversorgungskasse wird in der Regel nicht finanzierbar sein. Gelegentlich bedürfen Zusammenschlüsse auch vor dem Hintergrund der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle einer näheren Betrachtung. 
 
Nicht zuletzt ist die Ausstattung mit den erforderlichen Finanzmitteln vor dem Hintergrund des europarechtlichen Beihilferechts zu beleuchten. Besonders im Bereich der ambulanten Versorgung sind hier Grenzen zu beachten. Ggf. muss die beihilferechtliche Zulässigkeit mit bestimmten Maßnahmen unterlegt werden (Betrauungsakt, Privat-Investor-Test). 
 
Die verschiedenen Beispiele einer Zusammenarbeit kommunaler Träger von Krankenhäusern zeigen, dass es wirtschaftliche Alternativen zur Veräußerung der kommunalen Kliniken an private Träger gibt. Anders als der kommunale Klinikbetreiber ist ein privater Unternehmer zwar nicht an politische Grenzen gebunden. Dies lässt sich aber in der Regel durch die Zusammenarbeit  kommunaler Träger auch erreichen. Ein privater Träger wird zudem bestrebt sein, den regionalen Standort nur insoweit zu stärken, als dies in das eigene Unternehmenskonzept passt. Dies bedeutet regelmäßig eine Schwerpunktbildung in Zentren. Die regionalen Standorte werden dann in die Stellung einer Portalklinik herabgestuft. Der Einfluss der kommunalen Verantwortlichen auf solche Prozesse ist gering. Der Auftrag der Kommunen, die Gesundheitsversorgung in ihrem Gebiet sicherzustellen, ist letztlich nicht übertragbar. Der Zusammenschluss mit anderen kommunalen oder nicht gewinnorientierten freigemeinnützigen Trägern sollte daher immer in Erwägung gezogen werden.
 

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Dr. Reiner Gay

Steuerberater, Rechtsanwalt

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