Kommunales Infrastrukturcontrolling auf Basis der Vermögenserfassung und -bewertung

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Instrument zur wirtschaftlichen Entscheidungsfindung im kommunalen Straßenbau
 
Von Jan-Hendrik Bahn und Sebastian Heinemann
veröffentlicht am 2. September 2013
 
Den kommunalen Straßenbaulastträgern stehen immer weniger Finanzmittel zur Verfügung, um ihrer hoheitlichen Pflichtaufgabe der Bereitstellung und Unterhaltung von Straßen für den öffentlichen Verkehr nachzukommen. Die nachhaltige Messung und Steuerung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen unter Berücksichtigung der technischen Parameter und der kaufmännischen Bewertungsergebnisse des Reformprozesses im Straßenbau kann zu erheblichen Kostenoptimierungspotenzialen führen.
 

Analyse der Wirtschaftlichkeit der Gesamtkosten als Ausgangspunkt für eine nachhaltige Investitionsentscheidung im kommunalen Straßenbau

Die Gemeindehaushaltsverordnungen der Länder sprechen eine einheitliche Sprache. In allen Bundesländern verfügen die kommunalen Verordnungen zum Haushalts-, Rechnungs- und Prüfungswesen der Kommunen über den Paragrafen „Investitionen“. Dieser regelt inhaltlich gleichlautend: „Bevor Investitionen von erheblicher finanzieller Bedeutung beschlossen werden, soll unter mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten durch einen Wirtschaftlichkeitsvergleich unter Einbeziehung der Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie der Folgekosten die für die Gemeinde wirtschaftlichste Lösung ermittelt werden.“
 
Doch was bedeutet wirtschaftlich unter Berücksichtigung der Informationen der Vermögens-, Finanz- und Ergebnisrechnung? Die Wirtschaftlichkeit einer Straßenbaumaßnahme ermittelt sich nicht über die einmaligen Gesamtausgaben im Jahr der Investition, sondern unterliegt der Ermittlung aller Ein- und Auszahlungen im Zeitraum der Nutzung des Vermögensgegenstandes. Da Investitionsmaßnahmen im Straßenbau einen sehr langen Betrachtungszeitraum haben, stellt sich die Frage, wie im Jahr der Investition alle Ein- und Auszahlungen der Folgejahre wirtschaftlich beurteilt werden können? Die Lösung bietet die Kapitalwertmethode, die über die Nutzungsdauer hinweg alle abgezinsten Ein- und Auszahlungen (Barwerte) der Straßenerhaltungsmaßnahme im Jahr der Investitionsentscheidung als Kapitalwert darstellt. So kann auf Basis eines Wertes beurteilt werden, welche der in den Vergleich gezogenen Maßnahmen die Wirtschaftlichste ist.
 

Praxisbeispiel auf Basis der Ergebnisse der Vermögenserfassung und –bewertung – Wirtschaftlichkeitsvergleich einer Erneuerung- und Instandsetzungsmaßnahme für einen Landkreis

Im Folgenden soll beispielhaft die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse für verschiedene Möglichkeiten der Straßenerhaltung vorgenommen werden. Gemäß Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) werden Straßenerhaltungsmaßnahmen wie folgt unterschieden:
  • Bauliche Unterhaltung: Maßnahmen kleineren Umfangs zur Verkehrssicherung
  • Instandsetzung: Maßnahmen zur Substanzerhaltung und / oder zur Verbesserung von Oberflächeneigenschaften
  • Erneuerung: Maßnahmen zur vollständigen Wiederherstellung einer Verkehrsflächenbefestigung 

 

In der Betrachtung werden bewusst die unterschiedlichen Erhaltungsstrategien der Erneuerung und der Instandsetzung miteinander verglichen, um die zunächst auf der Hand liegenden niedrigeren Kosten einer reinen Instandsetzung unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit analysieren zu können.
 
Unter Berücksichtigung des Untersuchungszeitraums von 20 Jahren wurden Echtdaten eines Landkreises mit ca. 350 km Straßenbestand analysiert. Daraus lassen sich beispielhaft folgende durchschnittliche Kosten pro Quadratmeter je Erhaltungsmaßnahmenart für die Deckschichtart Schwarzdecke zusammenführen:
 
Tabelle Deckschicht
Die über den Betrachtungszeitraum ermittelten Kosten wurden dabei zur Vergleichbarkeit auf das Basisjahr 2012 und damit auf das aktuelle Baupreisniveau indiziert.
 
Für den betrachteten Datenbestand kann festgehalten werden, dass eine Erneuerung im Schnitt nach Ablauf eines Zeitraums von 40 Jahren notwendig ist. Bei einer Instandsetzungsmaßnahme wird dagegen regelmäßig bereits nach Ablauf von ca. zehn Jahren eine Zustandsnote von 4,5 (Zustandswert 1 = „sehr guter Zustand“ bis zum Zustandswert 5 = „sehr schlechter Zustand“) 1 erreicht, bei der die Einleitung von baulichen oder verkehrsbeschränkenden Maßnahmen geprüft werden muss.
 
Die Wirtschaftlichkeit der Durchführung einer Erneuerungsmaßnahme wird nachfolgend mit einer Instandsetzungsmaßnahme unter der Verwendung der Kapitalwertmethode verglichen. Folgende Eckdaten sind gegeben:
 
Tabelle Erneuerungsmaßnahmen
 
Für die Berechnung der Kapitalwerte sind die Folgekosten für die betriebliche und bauliche Unterhaltung zu berücksichtigen. Bei der Erneuerungsmaßnahme kann aufgrund ihres Umfangs davon ausgegangen werden, dass erst nach ca. zehn Jahren bauliche Unterhaltungsmaßnahmen notwendig werden. Die Notwendigkeit der baulichen Unterhaltung ist bei der Instandsetzungsmaßnahme nach fünf Jahren erforderlich.
 
Der gewählte Kalkulationszinssatz in Höhe von 4 Prozent dient zur Abzinsung (Diskontierung) der Zahlungsströme.
 
In unserem Beispiel wird nicht davon ausgegangen, dass sich Einzahlungen aus der Erneuerungs- oder Instandsetzungsmaßnahme ergeben. Die Entscheidungsfindung wird zudem durch die Förderquote der Erneuerungs- und Instandsetzungsmaßnahmen beeinflusst. Die Förderquote wäre ein entscheidendes Argument für die Erneuerung. Da die Förderfähigkeit jedoch nicht flächendeckend gegeben ist, bleibt die Förderung innerhalb der dargestellten Wirtschaftlichkeitsanalyse unberücksichtigt. Es werden nur die auf das Datum der Erneuerung / Instandsetzung abgezinsten Auszahlungen im Betrachtungszeitraum von 40 Jahren miteinander verglichen.
  
Daraus ergeben sich die folgende Kapitalwerte:
 
Tabelle Kapitalwerte
  
Die Investitionsentscheidung müsste unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit für die Erneuerung der Straße getroffen werden. Die Erneuerung ist bezogen auf das Ausgangsjahr und den Betrachtungszeitraum unter Berücksichtigung aller für die Berechnung einbezogener Daten um 78.961,83 Euro günstiger als die Instandsetzung.
  
Das bedeutet, dass die Erneuerung ohne Berücksichtigung von Zuwendungen und Beiträgen auf Basis der vorliegenden Echtdaten des Beispiels wirtschaftlicher ist als die dauerhafte Instandsetzung.
   
Auf Basis des Beispiels wäre die durchschnittliche Erneuerung um 15,79 Euro pro m2 wirtschaftlicher als die durchschnittliche dauerhafte Instandsetzung. In einer vereinfachten Betrachtungsweise würde dies für alle Straßenabschnitte des Landkreises, die eine Zustandsnote von größer / gleich 4,5 im Betrachtungsjahr 2013 ausweisen (ermittelte Fläche Straßenbauabschnitte BK III, Schwarzdecke mit technischer Zustandsnote größer / gleich 4,5 sind gleich 22.620,00 m2) bedeuten, dass man ein durchschnittliches Kostenoptimierungspotenzial in Höhe von 357.223 Euro generieren könnte.
  

Benchmarkanalyse auf Basis der Vermögenserfassung und -bewertung

Auf Basis des Ergebnisses der Wirtschaftlichkeitsanalyse wird in Folge der Fokus auf die Erneuerungskosten je Bauklasse gesetzt. Hierbei wird ermittelt, ob sich auf Basis der durchschnittlichen Quadratmeterpreise je Bauklasse unter Berücksichtigung von Benchmarks Kostenoptimierungspotenziale aufzeigen lassen. Die Benchmarkwerte werden über alle Straßenbaumaßnahmen hinweg je Bauklasse pro Quadratmeter ermittelt. Grundlage dafür ist die Vermögenserfassung und -bewertung nach Anschaffungs- und Herstellungskosten.
  

Dabei lassen sich für den beispielhaften Landkreis folgende Benchmarks (Zielwerte) ermitteln: 
 
 
Tabelle Benchmark
Um die Vergleichbarkeit sicherzustellen sind die Werte auf das Jahr 2012 indiziert.
 
Unter Berücksichtigung der Straßenabschnitte mit einer derzeitigen technischen Zustandsnote von 4,5 und schlechter ergibt sich aus der Datenanalyse eine zu „erhaltende Fläche“ der Bauklasse III von 22.620 m2, der Bauklasse IV von 46.770 m2 und der Bauklasse V von 8.560 m2. Die „Best of Class“-Werte bilden die rechnerischen Zielwerte der Kostenoptimierungspotenziale. Das würde für das Gesamtvolumen der Investitionen in unserem Beispiel folgende Kostenoptimierungspotenziale generieren:
 
Tabelle Kostenoptimierungspotenziale
 
Daraus ergibt sich im Ergebnis der Wirtschaftlichkeits- und Benchmarkanalyse für den beispielhaften Landkreis ein jährliches, rechnerisches, maximales Kostenoptimierungspotenzial in Höhe von 2.352.324 Euro.
 
Um dieses jährliche Kostenoptimierungspotenzial anteilig freizusetzen, ist die Definition eines Maßnahmenkataloges erforderlich. Mögliche Ansatzpunkte könnten sein, dass
  • ein gemeinsamer Steuerungsprozess (Zusammenführung technischer und kaufmännischer Sachverstand) im Rahmen der Planung, Bewirtschaftung und Fertigstellung von Investitionen definiert wird.
  • für alle Instandsetzungsmaßnahmen eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt wird.
  • die Daten der Vermögenserfassung und -bewertung analysiert werden, um Benchmarks zu ermitteln.
  • die Möglichkeit der Bildung von Rahmenverträgen geprüft werden muss, um saisonale Schwankungen zu vermeiden.
  • der Aufbau eines jährlichen Leistungsverzeichnisses im Straßenbau einheitlich und mit unternehmerischem Weitblick durchgeführt wird.
  • ein nachhaltiges kommunales Infrastrukturcontrolling unter Berücksichtigung der Daten der Vermögenserfassung und -bewertung aufgebaut wird.

 
Erst der Aufbau einer straßenabschnittsbezogenen Datenbank, die Leistungsdaten (z. B. Abschnittsfläche, Bauklasse, Zustandsnote, Datum Zustandsnote), Kostendaten der Anlagenbuchhaltung (Anschaffungs- und Herstellungskosten, Aktivierungsdatum, Nutzungsdauer, jährliche Abschreibung), Instandsetzungs- sowie Unterhaltungsdaten (Instandsetzungskosten, Datum der letzten Instandsetzung, bauliche und betriebliche Unterhaltung) zusammenführt, macht ein zielorientiertes, nachhaltiges Infrastrukturcontrolling möglich.
 
Gerne unterstützen wir Sie in der gesetzeskonformen Erfassung und Bewertung des Infrastrukturvermögens und im anschließenden Aufbau eines nachhaltigen, kommunalen Infrastrukturcontrollings.

Kontakt

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Heiko Pech

Diplom-Kaufmann

Partner

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