Zeitliche Grenzen des Verzichts auf eine Umsatzsteuerbefreiung im Grundstückskaufvertrag

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Von Frank Dißmann, Rödl & Partner Nürnberg
 
Bei entgeltlichen Immobilientransaktionen – insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen – ist für die Vertragsparteien stets die Frage nach deren umsatzsteuerlicher Behandlung von entscheidender Bedeutung. Regelmäßig hat nämlich der Veräußerer in der Vergangenheit – insbesondere im Rahmen des Erwerbs bzw. der Herstellung einer Immobilie – Vorsteuerbeträge gegenüber dem zuständigen Finanzamt geltend gemacht. Diese Vorsteuerbeträge wären bei einer umsatzsteuerfreien Veräußerung während des zehnjährigen Berichtigungszeitraums gemäß § 15a Umsatzsteuergesetz (UStG) anteilig zurückzuerstatten. Solche nachteiligen Umsatzsteuerfolgen sind beim Verkäufer unter Liquiditätsgesichtspunkten nicht erwünscht und sollen daher in den Grundstückskaufverträgen nach Möglichkeit durch entsprechende Steuerklauseln vermieden werden.
 
Das Umsatzsteuerrecht gewährt dem Unternehmer in diesen Fällen die Möglichkeit, die grundsätzlich umsatzsteuerfreie Immobilienveräußerung durch Ausübung der Option auf Verzicht der Umsatzsteuerfreiheit nach § 9 Abs. 3 UStG als einen steuerpflichtigen Umsatz zu behandeln, sofern der Umsatz an einen Unternehmer (Erwerber) für sein Unternehmen ausgeführt wird. Allerdings kann die Immobilientransaktion vorrangig als eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) angesehen werden, wenn der Veräußerer wesentliche Grundlagen seines Unternehmens an einen anderen Unternehmer (Erwerber) für dessen Unternehmen überträgt.
 
Beide Regelungen führen im Ergebnis regelmäßig dazu, eine Vorsteuerberichtigung beim Verkäufer anlässlich der Immobilienveräußerung zu vermeiden. Dabei wird in der Praxis vorrangig das Rechtsinstitut der Geschäftsveräußerung im Ganzen gewählt, bei dem der Erwerber für die Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG als Rechtsnachfolger umsatzsteuerlich an die Stelle des Veräußerers tritt. Es ist jedoch aufgrund des konkreten Sachverhalts im Allgemeinen schwierig verbindlich festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine GiG vorliegen. Zur Absicherung des Risikos, dass die Finanzverwaltung die rechtsirrtümlich von den Vertragsparteien unterstellte Immobilientransaktion als umsatzsteuerbaren Vorgang behandelt (also keine GiG), enthalten die Grundstückskaufverträge üblicherweise als Rückfallposition vorsorglich eine Option zur Umsatzsteuerpflicht (§ 9 Abs. 3 UStG). Dabei wird festgehalten, dass die Vertragsparteien zwar von einer nicht umsatzsteuerbaren GiG gemäß § 1 Abs. 1a UStG ausgehen. Sofern die Finanzverwaltung zu einer anderen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung gelangt, wird jedoch zur Vermeidung einer ansonsten vorliegenden umsatzsteuerfreien Immobilienveräußerung zur Umsatzsteuerpflicht der Transaktion nach § 9 Abs. 3 UStG optiert. Der Umsatzsteuerschuldner ist in diesem Fall der Erwerber (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG).
 
Trotz dieser vorsorglichen Optionsregelung in dem notariellen Kaufvertrag haben die Vertragsparteien noch mit einem besonderen Nachteil zu kämpfen. Die Finanzverwaltung vertrat in langjähriger Praxis die Ansicht, dass der Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit nach § 9 UStG weder an eine Frist noch an eine bestimmte Form gebunden war. Die vorteilhafte Option konnte somit auch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, in der Regel nach mehreren Jahren im Rahmen einer beim Unternehmen stattfindenden Betriebsprüfung, rückwirkend und somit ohne Steuerfolgen ausgeübt werden. Diese für den Veräußerer vorteilhafte Auslegung hat die Finanzverwaltung nunmehr durch eine geänderte Auffassung erheblich verkürzt. Die Option muss derzeit spätestens bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahressteuerfest­setzung erfolgen (vgl. Abschnitt 9.1 Abs. 3 UStAE). Die formelle Bestandskraft tritt nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist ein, die grundsätzlich mit dem Eingang der Umsatzsteuererklärung beim Finanzamt beginnt. Diese Sichtweise der Finanzverwaltung bedeutet in der Praxis eine erhebliche Verkürzung der Frist zur Ausübung der wirksamen Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG.
 
Dieser Auslegung schließt sich die weitere praxisrelevante Frage nach der Wirksamkeit der vorsorglichen Option an, zu der die Finanzverwaltung erstmalig in zwei inhaltgleichen Verfügungen Stellung bezogen hat (vgl. OFD Niedersachsen vom 14. Februar 2013, Az. S 7198 – 117 - St 173 sowie OFD Frankfurt/M. vom 11. März 2013, Az. S 7198 A – 25 - St 111). Nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich bei der bisher in den Grundstückskaufverträgen üblicherweise verwendeten Formulierung lediglich um eine bedingte Option, die vergleichbar einer aufschiebenden Bedingung erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts wirksam wird. Sofern der Bedingungseintritt nach dem Eintritt der regelmäßig eingetretenen formellen Bestandskraft erfolgt (z.B. aufgrund einer durchgeführten Betriebsprüfung), soll keine rückwirkende Beurteilung bereits zum Zeitpunkt der Optionserklärung erfolgen. Somit wird keine fristgerecht erklärte Option zum Umsatzsteuerverzicht vorliegen.
 
Allerdings zeigt die Finanzverwaltung mit der Formulierung einer unbedingten Option zur Umsatzsteuerpflicht im Grundstückskaufvertrag eine Handlungsempfehlung auf. Eine solche unbedingte Option gemäß § 9 Abs. 3 UStG wird nämlich bereits rückwirkend zum Zeitpunkt des Vertrags wirksam erklärt und soll damit anzuerkennen sein. Zwar erklären die Parteien im Kaufvertrag weiterhin, dass sie von einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgehen. Allerdings wird darüber hinaus in dieser Vereinbarung die bedingungslose Option zur Umsatzsteuerpflicht erklärt. In diesem Fall ist die Option bereits vor Eintritt der formellen Bestandskraft der entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzung erfolgt. Wird die Annahme einer GiG von der Finanzverwaltung bestätigt, geht die erklärte Option ins Leere. Ansonsten greift die fristgerecht erklärte unbedingte Option ein und ein Vorsteuerrisiko des Veräußerers kann vermieden werden.
 
Die Finanzverwaltung weist in ihren Schreiben lediglich darauf hin, dass den Finanzämtern alle Informationen zeitnah offen zu legen sind, die diese zur Festsetzung der Umsatzsteuer benötigen. Allerdings wird dem Leser vorenthalten, welches Finanzamt für die Beurteilung einer GiG zuständig ist: Das Finanzamt des Veräußerers oder des Erwerbers? Zwar sprechen unseres Erachtens gute Gründe dafür, dass das zuständige Finanzamt des Veräußerers zuständig ist, jedoch wird in der Praxis der Grundstückskaufvertrag aus Vorsichtsgründen oftmals beiden Finanzämtern zur Prüfung eingereicht.
 
Bei einer betrieblichen Immobilientransaktion geht der Veräußerer regelmäßig das Risiko ein, dass die Finanzverwaltung eine „missglückte” Geschäftsveräußerung im Ganzen unterstellt. Der Verkäufer sieht sich dann regelmäßig signifikanten Steuerzahlungen aufgrund von Vorsteuerberichtigungen ausgesetzt. Um diese Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollten im Grundstückskaufvertrag entsprechende Steuerklauseln aufgenommen werden. Wir können uns zwar nicht der jüngsten Ansicht der Finanzverwaltung, zwischen bedingter und unbedingter Option zur Steuerpflicht zu unterscheiden, anschließen. Dennoch sollte zukünftig eine vorsorgliche, unbedingte Optionsregelung im Kaufvertrag aufgenommen werden, um eventuelle Rechtsstreitigkeiten mit der Finanzverwaltung zu vermeiden.

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Frank Dißmann

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