Ein „böser” Nachbar ist kein Grundstücksmangel

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OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. November 2021, Az.: 10 U 6/20

Schikanöses oder sogar kriminelles Verhalten eines Nachbarn begründet keinen Sachmangel eines Grundstücks. Auch eine vorvertragliche Aufklärungspflicht für den Verkäufer eines Grundstücks besteht nur, wenn Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes zu erwarten sind.

 
Die Verkäuferin ist Eigentümerin eines von ihr und ihrem Sohn seit Jahren genutzten Wohnhauses und eines angrenzenden Baugrundstücks. Sie verkaufte das Nachbargrundstück im Wissen an die Käufer, dass diese dort ein Einfamilienhaus bauen und mit ihren Kindern beziehen wollen. Gegen den Sohn der Verkäuferin liefen in den Jahren zuvor verschiedene Strafverfahren (u. a. wegen Beleidigungen und Bedrohungen sowie alkoholbedingter Angriffe auf Dritte und Polizeibeamte) und ein zivilrechtliches Verfahren einer Nachbarin auf Unterlassung von Nachstellungen. Den Käufern teilte die Verkäuferin dies nicht mit. Nach dem Einzug der Käufer und ihrer Kinder in das neue Wohnhaus kam es alsbald und immer wieder zu Beleidigungen durch den Sohn der Verkäuferin, zur Androhung von Gewalt und Beschädigungen ihres Eigentums, korrespondierend mit strafrechtlichen Verurteilungen. Als die Kläger die Situation nicht mehr aushielten, zogen sie aus und verkauften danach ihr Eigenheim. Die Käufer verlangen Schadensersatz u. a. für ihre umzugsbedingten Kosten, und zwar neben einer Klage gegen den Sohn auch von der Verkäuferin. Dieser werfen sie vor, sie unter Verstoß gegen vorvertragliche Aufklärungspflichten nicht über das Verhalten ihres Sohnes informiert zu haben. Darüber hinaus begründe dessen Tun auch einen Sachmangel des verkauften Grundstücks. Nach Abweisung ihrer Klage durch das Landgerichts Mannheim im ersten Instanz legten die Käufer Berufung ein.

  

Jedoch ohne Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgericht Karlsruhe könne schikanöses Verhalten eines Nachbarn unter keinen Umständen einen Sachmangel eines Grundstücks begründen. Vorstellbar sei allenfalls eine vorvertragliche Aufklärungspflicht des Verkäufers, aber nur, wenn gegenüber den Käufern schikanöses nachbarliches Verhalten vorhersehbar zu erwarten gewesen sei, und zwar in so erheblichem Ausmaß, dass dies den Nutzungswert des Kaufgrundstücks erheblich beeinträchtigt. Für eine solche Absehbarkeit fehlten hier aus Sicht des Gerichts die Nachweise. Erwiesene Vorkommnisse ohne Grundstücksbezug (innerfamiliär die Verkäuferin betreffend und gegenüber Dritten außerhalb des Nachbarschaftszusammenhangs) seien per se ungeeignet, eine Aufklärungspflicht beim Verkauf eines Grundstücks zu begründen. Stattgegeben wird daher allein der Klage gegen den Nachbarsohn. Dieser hat aufgrund seines feindseligen, übergriffigen Verhaltens gegenüber den Käufern und ihren Kindern mit ganz erheblichen Beeinträchtigungen von deren Leben letztlich deren Wohnungswechsel erzwungen und ist deshalb zum Ersatz des dadurch kausal entstandenen Schadens verpflichtet.

 

Fazit:

Nach ständiger Rechtsprechung sind Sachmängel zwar nicht auf Umstände beschränkt, die der Sache selbst anhaften, sondern können auch auf deren Beziehungen zur Umwelt zurückgehen, aber nur, wenn diese Umstände in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben. Beim außerhalb des Wohnzwecks liegenden individuellen Störverhalten eines Nachbarn ist das nicht der Fall. Dennoch muss ein Verkäufer - auch ungefragt - über erhebliches schikanöses Verhalten eines Nachbarn aufklären; tut er das nicht, verletzt er seine Aufklärungspflicht und haftet gegebenenfalls für den Schaden.

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